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Wirtschaft: „In solchen Situationen schlägt die Stunde der Agitatoren“

Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, über die Proteste bei Opel und die Lage der deutschen Autoindustrie

Herr Huber, warum waren die Chefs der IG Metall nicht in Bochum ?

In der Auseinandersetzung waren unsere Mitglieder und Funktionäre aus Bochum und NordrheinWestfalen präsent. Im Übrigen ist die IG Metall bei Opel nicht im Job, solange der Tarifvertrag nicht verletzt wird.

Bleibt das so?

Das werden die Verhandlungen in den kommenden Tagen zeigen, an denen auch die Bezirksleiter der IG Metall von Nordrhein-Westfalen und Hessen teilnehmen. Wir wollen mit dabei sein und Verantwortung übernehmen.

Verstehen Sie die bis zur Radikalisierung reichende Empörung der Bochumer?

Die dirigistische Vorgehensweise der General-Motors-Führung begünstigt natürlich Radikalisierungen. In solchen Situationen schlägt schnell auch die Stunde der Agitatoren, aber auf dem schwierigen Weg zur Rettung der Arbeitsplätze ist das nicht förderlich.

Glauben Sie wirklich, dass alle Opel-Arbeitsplätze gerettet werden können?

Es darf keine betriebsbedingte Kündigungen geben. Damit sagen wir nicht, dass es keinen Arbeitsplatzabbau geben wird. Doch statt mit Kündigungen zu kommen, sollte das Opel-Management über ein langfristiges Konzept zur Sicherung der Standorte verhandeln. Das wäre auch im wirtschaftlichen Sinne ein positiver Imageeffekt für die Marke.

Wie kommt Opel wieder in Schwung?

Um ein positives Markenimage zurück- zugewinnen, ist ein langer Atem erforderlich. Die Modelle müssen attraktiv sein, die Qualität muss stimmen und Marketing und Vertrieb funktionieren. Im Hinblick auf diese Aspekte ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Die Arbeitnehmervertreter im Opel-Aufsichtsrat sind übrigens die vergangenen zehn Jahre mit ihren Vorschlägen immer wieder in Detroit vor die Mauer gelaufen. Und dann kam nun der Keulenschlag aus Detroit.

Der Keulenschlag trifft aber eben auch einen Standort, an dem die Arbeitskosten so hoch sind wie nirgendwo sonst.

Der Kostenunterschied – zum Beispiel zwischen Opel in Rüsselsheim und der Saab-Fabrik im schwedischen Trollhättan – ist Ergebnis einer völlig anderen Belastung des Faktors Arbeit durch Sozialabgaben. Das kann man mit der Tarifpolitik nicht wettmachen.

Neben Opel geht es derzeit auch bei VW um Kostensenkung und Arbeitsplatzsicherung. Sind die guten Zeiten für die deutschen Massenhersteller vorbei?

Wir haben immer noch eine hohe Produktivität, auch bei VW und Opel. Ich gehe davon aus, dass in den Verhandlungen in Wolfsburg für die 103000 VW-Beschäftigten in Westdeutschland eine Beschäftigungssicherung erreicht wird. Aber es ist unumstritten, dass insbesondere die französischen Volumenhersteller kräftig aufgeholt haben.

Auch deshalb, weil die Arbeitskosten in Frankreich deutlich geringer sind.

Die unmittelbaren Arbeitskosten machen von den Gesamtkosten eines Automobils zwischen 15 und 18 Prozent aus. Wenn also immer auf den Arbeitskosten herumgeritten wird, dann geht das zumindest teilweise an den Realitäten vorbei. Von großer Bedeutung sind vor allem auch die Entwicklungs- und die Vertriebskosten. Im Übrigen haben diejenigen Autohersteller die beste Kostenstruktur, die in den vergangenen Jahren am wenigstens ausgelagert haben.

VW will den geplanten kleinen Geländewagen nur in Wolfsburg bauen, wenn die Kosten stimmen.

Die Einführung neuer Automodelle war schon immer eine gute Gelegenheit, Belegschaften unter Druck zu setzen. Das begann schon in den 90er Jahren mit der damaligen C-Klasse von Mercedes. Aktuell ist es aber sehr schwierig mit Standorten in den neuen EU-Ländern Osteuropas zu konkurrieren, da dort in den nächsten zehn Jahren ein Fördervolumen von 400 Milliarden Euro ausgegeben wird. Gegen die niedrigen Steuern und hohen Subventionen in Tschechien oder Ungarn sind die deutschen Gewerkschaften und Belegschaften machtlos.

Nach dem Tarifabschluss von Pforzheim gibt es in der Metallindustrie die Möglichkeit, neue Investitionen durch Zugeständnisse der Belegschaft zu erleichtern. Wie stark wird das in Anspruch genommen?

Wir haben gut 70 Anträge vorliegen, die wir gründlich prüfen. Dabei geht es vor allem darum festzustellen, was ein Unternehmen bringen muss, damit wir eine Abweichung vom Tarifvertrag zulassen. Alles in allem bedeutet Pforzheim eine Reregulierung und auch Legalisierung dessen, was auf der betrieblichen Ebene häufig stattfindet.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

Berthold Huber (54) ist zweiter Vorsitzender der IG Metall und für die Tarifpolitik der Gewerkschaft verantwortlich. 2007 soll Huber als Nachfolger von Jürgen Peters IG-Metall- Chef werden.

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