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Frauen bei der Reisernte in Indien.

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Indien lässt Welthandelsabkommen platzen: Globalisierung gebremst

Indien verweigert wegen Subventionen für Nahrungsmittel die Zustimmung zu einem neuem Handelsabkommen. Die deutsche Industrie ist entsetzt.

Schwerer Schlag für die Welthandelsorganisation WTO: Ein neues Abkommen zur Vereinfachung und Beschleunigung des weltweiten Handels scheitert am Widerstand Indiens. Die Regierung des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Narendra Modi verweigerte in Genf die Unterschrift zu einem Protokoll, das einen milliardenschweren Deal besiegelt hätte. Vor allem Exportnationen wie Deutschland hätten profitiert.

„Der BDI bedauert, dass eine große Chance vertan wurde“, hieß es in einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Die geplanten Erleichterungen bei der Zollabfertigung hätten zu einer schnelleren Abwicklung von Waren an den Grenzen führen können. „Eine umfassende Umsetzung der Regelungen könnte zu Kostensenkungen zwischen elf und 15 Prozent führen“, meinte der Industrieverband. Auch die Bundesregierung bedauerte, dass in der WTO in Genf keine Einigung über die konkrete Anwendung des Abkommens für Handelserleichterungen erzielt werden konnte“, sagte der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Er sagte, besonders Schwellen- und Entwicklungsländer würden die Folgen zu spüren bekommen.

Indien ließ eine Frist zur Unterzeichnung des entscheidenden Protokolls, die in der Nacht auf Freitag endete, verstreichen. Die Mitgliedsländer der WTO hatten sich bereits im Dezember 2013 in Bali auf den Pakt geeinigt – damals hatte auch Indien Ja gesagt. Es wäre das erste multilaterale Abkommen in der WTO seit ihrer Gründung 1995 gewesen.

WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo zeigt sich enttäuscht

WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo zeigte sich tief enttäuscht. „Ich habe nichts in meinen Händen“, sagte der Brasilianer bei der entscheidenden Sitzung vor Vertretern der 160 WTO-Mitglieder. Man habe alles versucht, um Indiens Regierung von ihrem Nein abzuhalten, betonte der Generaldirektor. Allerdings gab Azevêdo die Hoffnung nicht auf, die Inder noch umzustimmen. Die WTO-Mitglieder sollten sich im September wieder treffen und nach Lösungen suchen.

Die US-Regierung betonte, man werde weiter im Rahme der WTO die Liberalisierung des Welthandels anstreben. Der Generalsekretär der Internationalen Handelskammer John Danilovich forderte schnelles Handeln. „Unsere Botschaft ist klar: Geht zurück an den Tisch, rettet das Abkommen.“ Einige Diplomaten warnten hingegen, die WTO könne ihre Bedeutung als globales Handelsforum einbüßen. Im Kern verlangte Delhis nationalkonservative Regierung eine bedingungslose Ausnahmeregelung, um Grundnahrungsmittel zu subventionieren. So sollen hunderte Millionen Inder vor Hunger bewahrt werden. Während der Verhandlungen im vergangenen Jahr auf Bali (Indonesien) hatte sich Modis Vorgängerregierung noch mit einer Übergangsregelung einverstanden erklärt. Jetzt lehnten fast alle anderen WTO-Mitglieder das Ansinnen Indiens ab. Sie fürchten, indische Farmer könnten subventionierte Waren auf den Weltmarkt werfen. Als Retourkutsche sagte Delhi Nein zu dem Pakt zur Vereinfachung und Beschleunigung des weltweiten Handels.

Internationale Handelskammer: 21 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze sind möglich

Das in Bali erzielte Abkommen sollte vor allem die Bürokratie im internationalen Handel abbauen. So war geplant, Einfuhrregelungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Der Warenaustausch sollte mehr Tempo aufnehmen. Überlange Wartezeiten beim Zoll würden laut WTO-Planung nicht mehr anfallen.

Die WTO-Mitglieder sollten etwa alle Informationen rund um den Zoll veröffentlichen, um Transparenz zu schaffen. Sie hätten spezielle Anlaufstellen für Importeure und Exporteure schaffen müssen. Experten rechneten mit jährlichen Gewinnen in Milliardenhöhe für die Weltwirtschaft und der Schaffung von Millionen neuer Jobs nach Umsetzung des Paktes. Die Internationale Handelskammer hält 21 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze für möglich.

WTO-Chef Azevêdo wollte die Bali-Vereinbarung auch nutzen, um die große Doha-Welthandelsrunde voranzubringen. Die WTO-Mitglieder starteten 2001 die Welthandelsrunde zum Abbau von Zöllen, Kontingenten und Subventionen in Doha (Katar). Allerdings stecken die Gespräche seit Jahren fest. Nach dem vorläufigen Aus für das Bali-Abkommen dürften die Doha-Gespräche erst recht nicht vorankommen. Der BDI meinte dazu, die WTO solle unbedingt an dem Plan festhalten, sich bis Ende 2014 auf ein Arbeitsprogramm für die Doha-Runde zu einigen. „Ende 2015 sollte die Verhandlungsrunde abgeschlossen werden.“

Jan Dirk Herbermann

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