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Wirtschaft: Industrie traut dem Energiefrieden nicht

Umweltminister Trittin will „Überförderung“ der Windkraft reduzieren und die Wirtschaft nicht weiter belasten

Berlin (fo). Umweltminister Jürgen Trittin ist der Industrie entgegengekommen. Der Grünenpolitiker sprach sich gegen eine „Überförderung“ der Windenergie aus und sicherte zu, auf die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, weitere 45 Millionen Tonnen Treibhausgas einzusparen, nichts draufzusatteln. Die Industrievertreter bleiben skeptisch. „Jetzt steht der Glaubwürdigkeitstest an“, sagte ein Teilnehmer des so genannten Energiegipfels am Freitag dem Tagesspiegel.

Nach dem Treffen im Kanzleramt betonten alle Seiten die grundsätzliche Einigkeit bei wichtigen Fragen des Klimaschutzes. Zudem sei Konsens, dass Deutschland weiter einen breiten „Energiemix“ – von Kohle und Gas bis hin zu erneuerbaren Energien – nutzen wolle, sagte Regierungssprecher Bela Anda. An dem zweistündigen Gespräch bei Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten am Donnerstagabend unter anderen die Chefs der vier großen Energieversorger RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, die Vorsitzenden der Gewerkschaften Verdi und IG BCE sowie Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Umweltminister Jürgen Trittin teilgenommen. IG BCEChef Hubertus Schmoldt sprach gegenüber dem Tagesspiegel von einer Weichenstellung. Jetzt gelte es aber, Details für einen sachgerechten Emissionshandel zu klären (siehe Interview).

Bei dem Treffen ging es nach Angaben von Teilnehmern fast ausschließlich um den Handel mit Emissionsrechten, der 2005 beginnen soll. Der Umweltminister legte dazu Eckpunkte vor (siehe unten). Das Thema Windkraft, um das Trittin und Clement zuletzt öffentlich gestritten hatten, habe keine zentrale Rolle gespielt, sagte der Regierungssprecher. Am 10. November soll es einen weiteren Energiegipfel mit dem Kanzler geben.

Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender des Windenergieunternehmens Repower und ehemaliger Umweltsenator in Hamburg, mahnte mehr Pragmatismus in der Debatte um die künftige Stromerzeugung an. Um die Umweltziele zu erreichen, führe zwar kein Weg um die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien herum. Letztlich müsse aber ein vernünftiger Mix mit Kohle und Erdgas gefunden werden.

Vahrenholt regte zudem an, das Ausstiegsdatum aus der Kernenergienutzung zu überprüfen. „Das macht es uns einfacher, die 40 000 Megawatt veralteter Kohlekraftwerke und die 33 000 Megawatt Kernenergie zu ersetzen.“ Die Energieversorger stehen jetzt vor dem Problem, was sie als Ersatz planen sollen. „Mit einem langsameren Auslaufen der Kernenergie kaufen wir uns Zeit.“ Nach Meinung von Vahrenholt spricht nichts dagegen, die Atommeiler bis 2025 oder 2030 statt wie bisher vereinbart nur bis 2021 zu nutzen. Der Ausstieg aus der Kernenergienutzung selbst steht nicht zur Debatte. Ähnliche Überlegungen sollen zudem bei der Steinkohle angestellt werden. Auch hier könne der Auslaufprozess gestreckt werden, meint Vahrenholt. Wobei nicht die teure einheimische Steinkohle, sondern die Nutzung preiswerter Importkohle im Mittelpunkt stehe. Die Wirtschaft hat Trittins Pläne zum Emissionshandel bislang sehr kritisch begleitet, weil sie Mehrkosten und zusätzliche Klimaschutzpflichten befürchtete.

Seine Pläne seien jedoch weitgehend auf Zustimmung getroffen, sagte Trittin nach dem Treffen mit den Industrievertretern. Im ZDF ergänzte der Umweltminister, er freue sich, dass die Industrie ihr Versprechen bekräftigt habe, 45 Millionen Tonnen Kohlendioxid einzusparen. Dies werde mit dem Emissionshandel nicht schwerer, sondern leichter.

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