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Industriestandort: Maschinen laufen wieder

Vom Krisenjahr 2009 hat sich die Kernsparte des Industriestandorts besser erholt als erwartet. In Berlin hat der Maschinenbau eine lange Tradition, von der die Firmen bis heute profitieren.

Bei Jonas & Redmann laufen die Geschäfte so gut, dass die Fabrik langsam zu klein wird: „Wir suchen einen anderen Standort, weil die Räume in Moabit nur begrenztes Wachstum zulassen“, sagt Sprecherin Olga Bosch. Außerdem sei man an der Kaiserin-Augusta-Allee nur Mieter. Die 1989 gegründete Maschinenbaufirma rechnet im laufenden Jahr mit 86 Millionen Euro Umsatz und hat 750 Beschäftigte, darunter 650 in Berlin. Die Spezialität des von zwei Berlinern geführten Unternehmens seien „neue Maschinen für neue Märkte“, sagt Bosch.

Seit 1999 entwickelte sich die Solarindustrie zum wichtigsten Abnehmer. Jonas & Redmann entwickelt Produktionsanlagen und -verfahren, die dann in den Fabriken von Herstellern wie Solon zum Einsatz kommen. Auch Geräte für die Medizintechnik und Automatisierungstechnologien für weitere Branchen gehören zu den Geschäftsfeldern. „Wir sind ein Sondermaschinenbauer“, betont Bosch. Die Maschinen kämen „nicht von der Stange“, sondern würden nach Kundenwünschen gefertigt. Für die Expansion wurden unter anderem schon Standorte in Marzahn und Hellersdorf geprüft, die der Firma aber zu abgelegen scheinen. Nun ist auch eine Ansiedlung am Rande des Flughafens Tempelhof im Gespräch. Entgegen anderslautenden Meldungen sei aber nichts beschlossen, zumal Grundstücke in Tempelhof erst in einigen Jahren verfügbar werden dürften, heißt es. Auch der Flughafen Tegel, den die Stadtentwicklungsverwaltung und Wirtschaftsverbände nach der Schließung zum Industriestandort ausbauen wollen, komme eventuell infrage.

Auch andere Berliner Maschinenbauer sind nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wieder optimistischer. 2009 hatten die größeren Betriebe nach einigen guten Jahren einen Umsatzrückgang von 22 Prozent hinnehmen müssen (siehe Infokasten). In diesem Jahr aber habe sich „die wirtschaftliche Lage entspannt“, sagt die Expertin Kerstin Blanke vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Nach Erkenntnissen ihres Landesverbands Ost „verzeichneten die Unternehmen im ersten Halbjahr zunächst ein teils stürmisches Wachstum, das mittlerweile wieder einer etwas ruhigeren Gangart gewichen ist“. Das gelte sowohl für die Inlands- als auch für die Auslandsnachfrage.

Es gebe einen unverkennbaren Aufschwung, der aber nach den vorherigen Umsatzeinbrüchen von einem niedrigeren Niveau als früher ausgehe, erläutert Blanke. Zu den „Nachwehen“ der Wirtschaftskrise gehörten schlechtere Beziehungen zwischen Zulieferern und Kunden, ein Preisverfall und lange Lieferfristen. In einzelnen Fachbereichen reiche das Spektrum „vom zweistelligen Plus bis zum zweistelligen Minus“. Dennoch hätten alle Unternehmen eines gemeinsam: „Sie schauen insgesamt optimistisch in die Zukunft.“

Ähnlich sieht es die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin: Die Entwicklung weise „nach oben“, auch wenn im Jahresverlauf „die Dynamik abgeflacht“ sei, sagt die Branchenkoordinatorin für Industrie, Katrin Safarik. Viele Betriebe hätten bereits wieder „eine Kapazitätsauslastung wie vor der Krise“.

In Berlin hat der Maschinenbau eine lange Tradition, von der die Firmen bis heute profitieren. Das bekannteste Unternehmen ist Siemens als größter industrieller Arbeitgeber der Stadt. Im Herbst hatte der Konzern angekündigt, bis 2015 allein 100 Millionen Euro in sein Berliner Schaltanlagenwerk an der Nonnendammallee zu investieren (wir berichteten). Der Standort mit mehr als 2000 Mitarbeitern soll zum Zentrum der weltweiten Forschung und Entwicklung für Hochspannungsschalttechnik ausgebaut werden. „Hier geht es um Hightech“, betont Siemens-Sprecherin Ilona Thede. Zum Maschinenbau gehören unter anderem auch das Messgerätewerk in Siemensstadt oder das Turbinenwerk in Moabit, das Gasturbinen in zahlreiche Länder exportiert und 2009 um eine neue Produktionshalle erweitert wurde.

Viele Produkte von Berliner Herstellern sind nur Fachleuten bekannt, genießen unter diesen aber weltweit einen sehr guten Ruf. So baut die Firma Niles in Lichtenberg hoch präzise Schleifmaschinen für große Innenzahnräder, die der Steuerung von Kreuzfahrt- und Containerschiffen oder Eisenbahnzügen dienen. Auf Labormessgeräte ist die Wissenschaftliche Gerätebau Dr. Ing. Herbert Knauer GmbH in Zehlendorf spezialisiert, deren Chefin Alexandra Knauer mehrmals als eine der besten Unternehmerinnen in Berlin und Deutschland ausgezeichnet wurde. Werkzeugmaschinen und Gehäuse gehören zum Angebot der Geyer-Gruppe in Lichtenrade und Marienfelde. Das Berliner Werk der ZF Zahnradfabrik Friedrichshafen in Wittenau, an dem Bosch beteiligt ist, beschäftigt rund 600 Mitarbeiter und produziert Lenksysteme für die Autoindustrie.

GEA-Grasso entstand aus dem DDR-Betrieb „VEB Kühlautomat“ und war schon vor der deutschen Einheit bekannt für Schraubenverdichter, die zum Beispiel in Gefriertruhen auf Fischfangschiffen eingebaut werden. Und auch bei so gut wie jedem Tiefkühlprodukt in den Supermärkten wirkt das Unternehmen mit – weil die Vertriebszentralen der Lebensmittelketten ihre verderblichen Waren mit Technik aus Berlin kühl halten.

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