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Wirtschaft: Infineon rutscht noch tiefer in die Krise

Der Verlust verdoppelt sich, die Korruptionsaffäre belastet – der Chipkonzern gibt sein Ziel auf, in diesem Jahr Gewinn zu machen

München - Der von einer Korruptionsaffäre belastete Halbleiterhersteller Infineon gerät auch in seinem operativen Geschäft immer mehr in die Schieflage. Der Dax-Konzern legte am Dienstag unerwartet schlechte Geschäftszahlen vor. Für das laufende Quartal zeigte sich Vorstandschef Wolfgang Ziebart zwar optimistischer. Sein Ziel, im Gesamtjahr schwarze Zahlen zu schreiben, musste er jedoch aufgeben. Die Aktie führte zunächst die Verliererliste im Dax an, erholte sich später jedoch und notierte zuletzt 1,3 Prozent stärker bei 8,35 Euro.

Im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2004/05, das im September endet, weitete Infineon den Verlust vor Steuern im Vergleich zum Vorquartal um mehr als das Doppelte auf 234 Millionen Euro aus. Der Umsatz lag mit rund 1,6 Milliarden Euro um 16 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der seit knapp einem Jahr amtierende Ziebart begründete das „unbefriedigende Ergebnis“ unter anderem mit dem Preiseinbruch um 30 Prozent bei Computerspeichern. Außerdem kauften Handy-Hersteller weniger Infineon-Bauteile. Der Nachfragerückgang und „sehr starke Preisdruck“ bei Sicherheits- und Chipkarten sowie die Schließung der Chipfabrik Perlach und der parallele Aufbau des Werks in Malaysia rissen weitere große Löcher ins Ergebnis.

Der weltweit sechstgrößte Chiphersteller ist vom Speichergeschäft (DRAM) abhängig. DRAM-Preise sind schwer kalkulierbar, weil ihre Entwicklung stark vom schwankenden Verhältnis von Angebot und Nachfrage abhängt (siehe Kasten). Zudem bekämpfen sich Branchengrößen wie AMD, Samsung und Infineon mit Preisschlachten und gegenseitigen Klagen wegen Produktklaus oder Dumping. Der kurze Aufschwung in der Halbleiterbranche ebbt derzeit ab: Für das Gesamtjahr hat der Branchenverband ZVEI kürzlich seine Wachstumsprognose von drei auf ein Prozent gesenkt. Ziebart gab sich dennoch optimistisch: „Wir haben auch einen Anstieg bei den DRAM-Preisen verzeichnet, was positiv ist.“

Die Speichersparte, die rund 40 Prozent zum Konzernumsatz beiträgt, wies im dritten Quartal einen Verlust von 125 Millionen (Vorjahresquartal: minus 50 Millionen) Euro aus. Einen Börsengang des Speichergeschäfts soll es vorerst nicht geben, eine Abspaltung bleibe aber grundsätzlich eine Option, sagte Ziebart. Auch die Kommunikationssparte rutschte tief in die roten Zahlen. Ziebart dämpfte hier Befürchtungen, der Bereich könne nach dem Verkauf der Handy-Sparte von Siemens an die taiwanische BenQ weiter geschwächt werden. Die Verträge liefen noch ein Jahr. Allein der Bereich Automobil- und Industrieelektronik wies bei Infineon einen kleinen Quartalsgewinn aus. Ziebart zeigte sich „zuversichtlich, die Verluste im laufenden vierten Quartal deutlich zu reduzieren“. Ein Jahresgewinn werde aber voraussichtlich nicht mehr möglich sein, räumte Ziebart ein.

Mit Blick auf den Kursverlauf der Aktie sagte ein Händler: „Bei Infineon sind die Märkte auf das Schlimmste vorbereitet, daher belasteten die grässlichen Zahlen den Wert nur kurz.“ Andere Analysten verwiesen auf Zahlen des Chipherstellers Texas Instruments, die ein weiteres Abrutschen der Infineon-Aktie verhindert hätten. Der US-Technologiekonzern steigerte den Nettogewinn im zweiten Quartal um 42 Prozent auf 628 Millionen Dollar und übertraf damit die Erwartungen.

Im Zusammenhang mit der Schmiergeld-Affäre sagte Ziebart, der Skandal habe keinen Einfluss auf das laufende Geschäft. Andreas von Zitzewitz war vor zehn Tagen als Vorstand der Speicherchipsparte zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Bestechung gegen ihn aufgenommen hatte. Ziebart sagte, er sei an einer „völligen Aufklärung des Falls interessiert und sicherte der Staatsanwaltschaft die Unterstützung des Konzerns zu. „Diese Aufarbeitung der Vergangenheit hätte ich mir und allen Mitarbeitern gerne erspart.“ Ziebart kündigte an, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young die Prüf- und Kontrollsysteme bei Infineon gründlich durchleuchten soll. Der Vorstandschef, der die Leitung der Speichersparte kommissarisch übernommen hat, will im nächsten halben Jahr konzernintern einen Nachfolger für Zitzewitz finden.

Nicole Huss

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