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Wirtschaft: Inflation: Notenbank unter Druck

Energie- und Nahrungsmittelpreise treiben die Inflation in Deutschland weiter nach oben. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, lag die Inflation im Mai mit 3,5 Prozent hier zu Lande so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr.

Energie- und Nahrungsmittelpreise treiben die Inflation in Deutschland weiter nach oben. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, lag die Inflation im Mai mit 3,5 Prozent hier zu Lande so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr. Zuletzt wurde im Dezember 1993 mit 4,2 Prozent eine höhere Teuerungsrate verzeichnet. Bis zum Jahresende rechnen Volkswirte aber mit niedrigeren Preissteigerungsraten in Deutschland und im Euro-Raum. Auch die Leitzinsen dürften nach Einschätzung von Analysten bis Jahresende auf vier Prozent weiter sinken.

Vorläufig klettern die Preissteigerungsraten in Deutschland und im Euro-Raum aber noch. Nach ersten Daten wird für den gesamten Euro-Raum mit einer Teuerung von 3,3 Prozent im Mai gerechnet - nach noch 2,9 Prozent im April. Statistische Effekte führten nach Einschätzung der Commerzbank-Volkswirte allerdings bereits bis zum Herbst wieder zu einer Senkung auf 2,5 Prozent. Für Deutschland wird dann mit einer Teuerung von 2,1 Prozent gerechnet.

Zurzeit verzerren vor allem die krisenbedingt hohen Nahrungsmittelpreise und die Energiepreise die Teuerung. Allein der Ölpreis belastet die Inflationsrate nach Berechnungen der Commerzbank um ein Prozent, die währungsbedingte Verteuerung der Inflation schlage mit 0,2 Prozentpunkten zu Buche. In Deutschland verteuerten sich die Nahrungsmittel im Mai im Schnitt um sieben Prozent, Kraftstoffpreise kletterten um über 15 Prozent. "Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Effekte wieder verflüchtigen", beschwichtigt auch Gustav Horn, Konjunkturexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Das Problem: Selbst unter Ausschluss dieser Effekte steigt die Teuerung in Deutschland und im Euroraum. Im Mai lag die so genannte Kernrate bei 1,9 Prozent. Für Juni wird mit zwei Prozent, für Ende des Jahres mit 2,25 Prozent gerechnet. Die EZB, die Anfang Mai überraschend die Zinsen gesenkt hatte, gerät damit unter zusätzlichen Druck. Denn angesichts der unverändert trüben Konjunkturaussichten - für Deutschland wird mit einem Wachstum von 1,5 Prozent, für den Euro-Raum mit rund zwei Prozent gerechnet - erwarten breite Kreise von der Notenbank weitere Zinssenkungen bis zum Jahresende. Die hohen Teuerungsraten aber erschweren der Notenbank diese Entscheidung. Denn niedrigere Zinsen fördern tendenziell die Inflation, die nach den selbst gesetzten Zielen der Notenbank unter zwei Prozent liegen soll. "Die Kontroverse über die Wirkung europäischer Geldpolitik erhält damit neuen Auftrieb", meint DIW-Konjunkturexperte Horn. Die Frage, inwieweit die Geldpolitik ihr Inflationsziel verfehlt, ist seit geraumer Zeit in Gang. In den Frankfurter Großbanken sieht man zwei Auswege aus dem Glaubwürdigkeits-Dilemma der Notenbank: Entweder sie korrigiert ihr Stabilitätsziel von zwei Prozent oder sie erhöht die Zinsen.

Die Hoffnung der Konjunkturexperten konzentriert sich nun auf die Gewerkschaften. Die dürften nach der relativen Zurückhaltung in jüngster Zeit darauf aus sein, bei den laufenden und kommenden Tarifrunden mehr herauszuholen. Die hohen Teuerungsraten schmälern nämlich die Einkommenseffekte der Eichelschen Steuerreform. Was den Bürgern durch die Reform gegeben wurde, wird ihnen durch die Teuerung wieder genommen. Genau dieser Effekt erklärt, warum die Binnenkonjunktur nicht stärker in Gang kommt. Dabei wäre ein lebhafterer Konsum Gold wert: Knapp 60 Prozent der Wirtschaftskraft entfallen hier zu Lande und im Euro-Raum auf den privaten Verbrauch. Bei der IG Metall gibt man Entwarnung: "Für uns rückt das Thema erst 2002 wieder auf die Tagesordnung. Erst dann werden wir uns die Teuerungsraten anschauen," sagt Dagmar Opoczynski.

mo

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