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Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warb für individuellere Rekrutierungspolitik in den Unternehmen.

© Kai-Uwe Heinrich

Ingo Kramer auf der Diversity-Konferenz: Der Präsident ruft „Skandal“

Arbeitgeberchef Ingo Kramer kritisiert die hohe Zahl der Schulabbrecher in Deutschland und warb für eine individuellere Rekrutierungspolitik in den Unternehmen.

Mit Skandalen hat es ein Lobbyist eigentlich nicht so. Bringen zu viel Aufsehen, schlechte Presse, irritieren Kunden und schaden mithin womöglich dem Geschäft. Ingo Kramer, 61, kümmert das nicht, der Arbeitgeberpräsident spricht trotzdem darüber. Natürlich vor allem, weil es in seinem Sinne ist. „20 Prozent eines jeden Jahrgangs gelten als nicht ausbildungsreif“, sagte er am Freitag auf dem Diversity-Kongress von Charta der Vielfalt und Tagesspiegel. 20 Prozent, das ist eine Menge – in absoluten Zahlen 50 000 Mädchen und Jungen. „Das ist einer der Skandale, die wir in Deutschland immer noch haben“, findet Kramer.

Das sagt er einerseits natürlich aus gesellschaftlicher Verantwortung, aus Sorge um eine Generation abgehängter junger Menschen. Andererseits geht es um die Sorge der Unternehmer, bald nicht mehr genügend frische Kräfte für ihre Betriebe zu finden. Schon in zehn bis fünfzehn Jahren werde die Zahl der Berufstätigen hierzulande um bis zu fünf Millionen geringer sein. Man habe die Pflicht, „sich um jeden zu kümmern“, formulierte der BDA-Chef. Nur wie? Kramer, der einen mittelständischen Anlagenbauer in Bremerhaven führt, kennt die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Betriebe machen die Schulen für die Leistungen der jungen Leute verantwortlich, die Schulen schieben es auf die Eltern und die Eltern wiederum auf die Gesellschaft. „Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen“, verlangte er. Beim Potenzial der Vielfalt, das es zu nutzen gelte, gehe es auch um die weniger sichtbare Vielfalt – etwa die des sozialen Hintergrunds. Denn grundsätzlich sei jeder Jugendliche in der Lage, einen Beruf zu erlernen und eigenverantwortlich zu leben. Helfen könne dabei ein Unternehmen, das Kramer als eigenes „Sozialsystem“ beschrieb, „das leistungsfähiger ist als so manche Endlosschleife für die Ausbildung“.

Kramer: Kinder so früh wie möglich fördern

Aber wie soll das gehen in einer Welt, in der es auf Zeugnisse und Abschlüsse ankommt? Er werbe „für eine Rekrutierungspolitik, die sich weniger an Noten und Zertifikaten orientiert als an individuellen Kompetenzen“. Wenn Bewerber motiviert seien, ehrlich, zuverlässig, pünktlich und leistungsbereit, sei das bei der Auswahl oft wichtiger als die formelle Bildung. Zudem kümmere sich etwa jedes dritte Unternehmen schon heute darum, Defizite im Bildungssystem bei Geringqualifizierten auszugleichen. Einfacher wäre es natürlich, wenn es gar nicht erst so weit kommt, wenn in der Schule mehr vom Gelehrten bei den Kindern hängen bleiben würde. Deshalb, verlangte Kramer, sollten alle Kinder so früh wie möglich gefördert werden. Mit der entsprechenden Ausstattung könnten Kitas eine Menge erreichen, später dann die Ganztagsschulen.

Vielfalt helfe Unternehmen, Erfolg zu haben – gerade angesichts der Internationalität der deutschen Wirtschaft, lobte der Arbeitgeber-Präsident. Deshalb unterzeichnete er die Charta der Vielfalt schwungvoll und versprach, „Idee und Geist“ dieser Bewegung mitzutragen.

Mehr Frauen - aber ohne Quote

Trotzdem schwenken die Arbeitgeber bei dem Thema nicht einfach auf die Linie der Bundesregierung ein – und bieten damit Angriffsfläche. Ein gequältes „joaaaah“ entfuhr Kramer, als er auf die geplante Frauenquote angesprochen wurde, für die Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) dieser Tage wirbt.

„Natürlich brauchen wir mehr Frauen in Unternehmen und Führungsebenen“, beeilte sich Kramer, seine Vorbehalte zu erklären. „Aber nicht mit einer Quote.“ Für seinen Betrieb würde Schwesigs Vorschrift zwar gar nicht gelten – aber trotzdem sorgte sich der Unternehmer um seine Branche. „Wie sollen wir denn da in einer exportorientierten, technologiegetriebenen Wirtschaft 30 Prozent Frauenquote organisieren mit der notwendigen Berufserfahrung?“, fragte er. Zumal eine Frau zum Beispiel nicht nur studierte Ingenieurin sein, sondern auch über die nötige Persönlichkeit verfügen müsse. Am Ende laufe es darauf hinaus, dass Familie und Beruf besser vereinbar sein müssten. „In Frankreich geht das ja auch“, verwies Kramer auf den Nachbarn. „Die sind nicht auf allen Feldern so ganz stark – auf dem aber schon.“

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