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Wirtschaft: Initiative für Beschäftigung: Unternehmen und Behörden ziehen an einem Strang

Man muss ein paar Leute kennen, wichtige Leute mit Einfluss und Kontakten. Die versammelt man ab und zu, diskutiert ein paar Ideen, bringt etwas Geld ins Spiel und schon ist ein Netzwerk geknüpft.

Man muss ein paar Leute kennen, wichtige Leute mit Einfluss und Kontakten. Die versammelt man ab und zu, diskutiert ein paar Ideen, bringt etwas Geld ins Spiel und schon ist ein Netzwerk geknüpft. So ungefähr haben sich das BASF-Chef Jürgen Strube, Bertelsmann-Stiftungsvorstand Reinhard Mohn und der IG Chemie-Vorsitzende Hubertus Schmoldt gedacht, als sie im Dezember 1998 die "Inititative für Beschäftigung" gründeten und gemeinsam eine Million Mark in die Hand nahmen, um die nach und nach im Bundesgebiet entstehenden Regionalinitiativen zu koordinieren. "Als wir die Initiative gründeten, rechneten wir damit, acht Netzwerke aufbauen zu können; heute arbeiten in 18 Regionen rund 2000 aktive Netzwerker, die rund 200 Projekte gestartet und hunderte weiterer Projektideen entwickelt haben", sagt Strube. Ungefähr 4500 Arbeits- oder Ausbildungsplätze sind entstanden, mit gut 21 000 weiteren rechnen die Projektmacher bis zum nächsten Jahr. Nach Angaben der Initiative sind bislang rund 80 Millionen Mark in die Beschäftigungsprojekte geflossen, dabei teilen sich die beteiligten Unternehmen und die Arbeitsämter in etwa die Kosten.

In Berlin ist die Daimler-Chrysler Services AG (Debis) die treibende Kraft. Debis-Chef Klaus Mangold meint, der dezentrale Ansatz der Initiative sei "genau richtig, denn Globalisierung fängt in der Region an". In den drei Gründungsnetzwerken Rhein-Neckar (Sitz der BASF), Ostwestfalen (wegen Bertelsmann in Gütersloh) und Hannover (Sitz der IG Bergbau, Chemie, Energie) wurden inzwischen mehr als 3000 Arbeitsplätze geschaffen. Ganz so weit ist Berlin noch nicht. Am hiesigen Netzwerk beteiligen sich gut 20 Unternehmen, derzeit laufen sieben Projekte mit ein paar hundert Teilnehmern.

Bundesweit konzentriert sich die Initiative auf vier Schwerpunktthemen: 1. Jugendliche ins Berufsleben integrieren: Unter anderem sollen Kontakte zwischen Schulen und Unternehmen gefördert und Ausbildungsplätze akquiriert werden. 2. Benachteiligte auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln: Hier stehen Qualifizierungsmaßnahmen und die Identifizierung neuer Beschäftigungsfelder für schwer vermittelbare Erwerbspersonen, insbesondere Langzeitarbeitslose, im Vordergrund. 3. Existenzgründungen fördern, indem Starthilfen gewährt und eine Infrastruktur geschaffen wird, die eine "Gründungskultur" ermöglicht; Zielgruppe sind vor allem auch Hochschulabgänger. 4. Arbeitsplätze sichern durch die Erhöhung der Akzeptanz von Teilzeit und Telearbeit sowie eine stärkere Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik und Personalentwicklung in den Unternehmen.

Die Auftaktveranstaltung der Initiative in Berlin/Brandenburg fand auf Einladung der Debis-Vorstände Klaus Mangold und Norbert Bensel im Juni 1999 statt. Zielvorgabe des damals siebten Netzwerks: "Durch Kooperationen engagierter Persönlichkeiten werden bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen. Dabei überwinden die Akteure traditionelle Grenzen von Institutionen und arbeiten über geographische und organisatorische Hürden hinweg zusammen." Die damals wichtigsten Akteure, zusammengeschlossen im so genannten Multiplikatorenkreis: Debis-Personalvorstand Bensel, der Präsident des Landesarbeitsamtes, Klaus Clausnitzer, Horst Föhr, Personalvorstand der Deutschen Bahn, IHK-Präsident Werner Gegenbauer, Hans-Kornel Krings, Leiter der Geschäftsstelle der Dresdner Bank in Berlin, sowie Klaus-Dieter Teufel, Geschäftsführer der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB).

Die Berliner starteten mit Schwung und entwickelten 37 Projektideen. Dass davon nur ein Bruchteil umgesetzt wird, liegt wohl weniger am Engagement der "Multiplikatoren" als an den Berliner Sonderheiten: Die großen Unternehmen in der Stadt kann man an einer Hand abzählen. Und häufig haben die genug eigene Probleme (etwa Herlitz oder die Bahn), als dass sie sich mit Manpower und Geld an einer gemeinnützigen Initiative beteiligen könnten.

In Ostwestfalen sieht das anders aus. Dort hat die Bertelsmann-Stiftung rund 1,5 Millionen Mark in das Netzwerk gesteckt, als Leitfigur fungiert Arend Oetker nach dem Motto der Dr. Oetker-Gruppe: Wer Führungsaufgaben übernimmt, der muss sich auch sozial engagieren. Besonders erfolgreich läuft das Projekt "IT-Akademie Ostwestfalen". Die Idee war, eine Bildungseinrichtung mit einem praxisnahen Qualifizierungskonzept aufzubauen. Bertelsmann-Stiftung und örtliche IHK gründeten eine gemeinnützige Trägergesellschaft für die Akademie. Im Auftrag der Wirtschaft werden dort künftige Mitarbeiter qualifiziert und vermittelt; die einjährige Qualifzierung zertifiziert die IHK. Der Clou bei der Sache: Jeder Teilnehmer wird nach Ablauf der Qualifizierung von einem der Partnerunternehmern in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen. Die Kosten der Weiterbildung übernehmen die Unternehmen. Nach Angaben der Initiative lassen Softwarehäuser wie Lycos, Syskoplan oder der Spieleentwickler Ascaron ihren IT-Nachwuchs mittlerweile in der Akademie ausbilden. "Bislang wurden 38 Abschlüsse in den Bereichen Web- und Gamedesign, Internet-Applikationen und Net-Professionals erzielt", heißt es bei der Initiative. Im Mai sollen zehn Teilnehmer eine Ausbildung als Datenbankspezialisten antreten.

Ein Projekt braucht einen Leitwolf

Frank Frick von der Bertelsmann Stiftung beschreibt die Prämissen für ein erfolgreiches Netzwerk. An erster Stelle die Personen; ein Unternehmerpersönlichkeit aus der Region müsse den Leitwolf spielen die Interessen der beteiligten Akteure und Institutionen bündeln und auf eine "sachgerechte" Projektarbeit hin wirken. Zum zweiten seien die Programme respektive Projekte so präzise auszurichten wie möglich und meßbare Ziele zu formulieren. Ein Netzwerk sei effizient, "weil alle notwendigen Kompetenzen und Ressourcen an einem Tisch sitzen". Schwierigkeiten gibt es hier und da mit dem Tellerrand-Denken: "Bisweilen stoßen die Netzwerke und Projekt an die Grenzen der beteiligten Institutionen", hat Frick beobachtet. Zum Beispiel kooperieren die Arbeitsämter nur selten mit den Sozialämtern und auch Kammern und Verbände hätten schon mal Schwierigkeiten, sich auf was Neues einzulassen.

Ob die Initiative ihr politisches Ziel erreicht, nämlich Modellprojekte für die Arbeitsmarktpolitik insgesamt zu entwickeln, wird sich im Mai zeigen, wenn ein Positionspapier mit Reformvorschlägen präsentiert werden soll. BASF-Chef Strube hat schon die Richtung vorgegeben. Bei der Umsetzung stoßen viele Projekte auf "hemmende Rahmenbedingungen". Ein Großteil der Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt sei "auf ein Gestaltungs- und Koordinierungsdefizit zurückzuführen". Zur Lösung der Beschäftigungsprobleme fordert Strube "eine ressort- und institutionenübergreifende öffentlich-private Kooperation" vor. Den Ball wird Arbeitsminister Walter Riester aufnehmen. Aber erst in der nächsten Legislaturperiode. Nach dem Kraftakt Rentenreform will Riester vor der Bundestagswahl kein neue Großbaustelle aufmachen. Deshalb wird es noch dauern, bis eine grundlegende Reform der Arbeitsmarktpolitik und die Verknüpfung von Sozial- und Arbeitsamt mehr Effizienz in der Beschäftigungspolitik bringt.

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