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Wirtschaft: Inkasso-Unternehmen: Die große Pleite

Die anhaltende Wirtschaftskrise führt zu immer mehr Firmenpleiten. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.

Die anhaltende Wirtschaftskrise führt zu immer mehr Firmenpleiten. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), der gestern die aktuellen Branchenzahlen vorlegte, spricht von "der größten Pleitewelle der Nachkriegsgeschichte". Mehr als 37 000 Firmenzusammenbrüche erwartet der Verband in diesem Jahr. Nach einer Zunahme von 17 Prozent im Vorjahr bedeutet das eine nochmalige Erhöhung von 15 Prozent. Ursache sei neben der schlechten Konjunktur eine weiter nachlassende Zahlungsmoral gewerblicher und privater Schuldner sowie die niedrige Eigenkapitaldecke der kleineren Unternehmen, sagt BDIU-Verbandspräsident Ulf Giebel. Insgesamt seien bis zu 600 000 Arbeitsplätze bedroht. Besonders betroffen sei nach wie vor das Baugewerbe - ein Drittel der Pleitefirmen stammen aus dieser Branche. Danach folgen das Handwerk, die Dienstleister und die Gastronomie. Der Verband erwartet für 2002 Insolvenzschäden in Höhe von rund 40 Milliarden Euro.

Der häufigste Grund für Unternehmensinsolvenzen sei, dass die Kunden ihre Rechnungen zu spät oder gar nicht bezahlen. Ein inkonsequentes Mahnverfahren der Gläubigerfirmen vor allem im Handwerk verleite die Schuldner, die Zahlung ihrer Rechnung immer weiter aufzuschieben, sagt Gerti Hönings, Vorstandssprecherin des BDIU. "Die Unternehmen sollten ihre Fälle schneller an uns abgeben", meint sie. Durch die Einführung konsequenter "Eskalationsstufen" würden die Inkasso-Unternehmen den Forderungen mehr Nachdruck verleihen als es die meisten Unternehmen tun. Dabei verstehen sich die Inkasso-Firmen zunehmend als Dienstleister im Forderungs-Management. "Die Unternehmen sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und die Mahnverfahren in professionelle Hände geben." Dies entlaste das Verhältnis zwischen Gläubigern und Schuldnern und mache es möglich, Ratenvereinbarungen zu treffen oder einen Vergleich zu schließen.

Durch die schlechte Wirtschaftslage haben die Inkasso-Unternehmen zwar Hochkonjunktur, es werde aber auch immer schwerer, das ausstehende Geld einzuziehen, meint Gerti Hönings. Bislang können die Inkasso-Unternehmen auf eine Erfolgsquote von rund 50 Prozent verweisen. Die Firma Creditreform mit ihren 130 Geschäftsstellen in Deutschland behauptet sogar, 60 bis 70 Prozent der ausstehenden Gelder eintreiben zu können. "Das liegt daran, dass wir Wirtschaftsauskunftei und Inkassobüro gleichzeitig sind", meint der Inhaber der Berliner Geschäftsstelle Christian Wolfram. Unternehmen können hier Auskünfte über die Finanzsituation neuer Kunden einholen - und Geschäftskontakte notfalls vor der Überschuldung abbrechen. "Die meisten Schuldner setzen deshalb viel daran, nicht in unserer Datenbank registriert zu werden", sagt Wolfram. Etwa 130 000 Lieferfirmen in Deutschland nutzen dieses Angebot.

Nicht nur im Geschäftskundenbereich sind die Insolvenzen stark angestiegen, auch die so genannten Verbraucherkonkurse haben sich auf rund 30 000 verdoppelt. Überschuldung und Arbeitslosigkeit sind bei privaten Schuldnern die wichtigsten Gründe, warum fällige Rechnungen nicht beglichen werden. Etwa 2,6 Millionen Haushalte in Deutschland haben zu hohe Schulden, eine Million Bundesbürger mussten im vergangenen Jahr eine eidesstattliche Versicherung darüber abgeben, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. "Überschuldung wandert immer mehr in die Mitte unserer Gesellschaft", sagt Gerti Hönings. Waren es im vergangenen Jahr noch viele Jugendliche, die zu viel Geld für Handys, Kleidung oder Markenartikel ausgegeben hatten, zählen die Schuldnerberatungsstellen zunehmend Erwachsene zu ihren Kunden, die mitten im wirtschaftlichen Leben stehen. Immer mehr seien es unvorhergesehene Ereignisse, wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit, die Menschen ins finanzielle Abseits drängen und es ihnen unmöglich machen, zuvor eingegangenen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Besonders auffällig ist für den BDIU die Zahl der vorsätzlichen Nichtzahler. Rund 40 Prozent der Schuldner nehmen bei zwischenzeitlichen Liquiditätsengpässen unfreiwillige "Lieferantenkredite" in Anspruch. Die Gläubiger sind hier am häufigsten: Versandhäuser, Internet-Shops und Mobilfunkanbieter.

Während der Inkasso-Verband das zum 1. Dezember 2001 veränderte Involvenzverfahren für Unternehmen eher positiv beurteilt - die Sanierung einer Firma sei der Zerschlagung auf jeden Fall vorzuziehen - müsse die neue Verbraucherinsolvenz eher kritisch gesehen werden, sagt Gerti Hönings. Sie sieht eine Flut von Verfahren auf die Gerichte zurollen, weil Schuldner jetzt unter strengen Auflagen eines gerichtlichen Entschuldungsplans einen wirtschaftlichen Neuanfang planen können. Aber sie ist sehr skeptisch, ob die Schuldner die sechsjährige "Wohlverhaltensperiode" durchhalten.

Harald Olkus

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