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Nur 3500 Jugendliche mit Behinderung bekommen jedes Jahr einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Dabei könnten die Firmen Fördermittel kassieren.

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Inklusion in der Berufsausbildung: Kaum Chancen für Behinderte

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt: Nicht einmal jeder Zehnte bekommt einen betrieblichen Ausbildungsplatz.

Behinderte bekommen hierzulande fast nie einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Nur 3500 von jährlich 50 000 Schulabgängern mit sonderpädagogischem Förderbedarf finden auch eine Lehrstelle. Die allermeisten landen in Warteschleifen, beruflichen Sackgassen oder Behindertenwerkstätten. Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung hat nur jedes vierte Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren Erfahrungen mit behinderten Jugendlichen gemacht. „Inklusion darf sich nicht auf Kindergarten und Schule beschränken“, meinte Stiftungsvorstand Jörg Dräger und forderte bessere Chancen für einen Berufseinstieg Behinderter.

Die Erfahrungen sind durchaus gut. Bei der Befragung von mehr als 1000 Unternehmen sprachen nur 8,5 Prozent von negativen Erlebnissen; mehr als 47 Prozent der Betriebe äußerten sich positiv. Bei den konkreten positiven Erfahrungen wurde die höhere Motivation von Jugendlichen mit Behinderung am häufigsten genannt. Eher negativ vermerkten die befragten Unternehmen den höheren Zeit- und Betreuungsaufwand.

Ein Grund für die schwache Ausbildungsbereitschaft ist offenbar das Informationsdefizit: Viele Firmen sind nicht im Bild über staatliche Unterstützungsangebote, etwa Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder die Kostenübernahme für die behindertengerechte Umgestaltung eines Arbeitsplatzes. Mehr als vier Fünftel aller Firmen wünschen sich mehr Transparenz über Art und Weise der öffentlichen Förderung. „Unsere Untersuchung belegt eine generelle Offenheit der Unternehmen, Jugendliche mit Behinderung auszubilden“, resümierte Stiftungsvorstand Dräger die Ergebnisse. „Die derzeitigen Unterstützungsleistungen des Staates kommen allerdings zu selten in den Betrieben an.“

Viele landen in einer Sackgasse

Vor gut fünf Jahren hat die Bundesrepublik die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet. Hierzulande konzentrieren sich die entsprechenden Bemühungen bislang auf die Schulen, die Berufsausbildung spielt keine große Rolle.

Von den jährlich rund 50 000 Schulabgängern mit besonderem Förderbedarf landen nach Angaben der Bertelsmann- Stiftung 16 500 in sogenannten berufsvorbereitenden Maßnahmen, was nichts anderes bedeutet als schulische Warteschleifen. 5000 bekommen eine Lehrstelle in einer außerbetrieblichen, staatlichen Einrichtung; weitere 10 000 Jugendliche mit Behinderung fallen unter die Rubrik Sonderberufe oder Fachpraktika – gemeint sind angelernte Helferjobs, eine Ausbildung hängt damit nicht zusammen. Rund 11 000 kommen in Behindertenwerkstätten unter, in denen es häufig auch keine anerkannte Ausbildung gibt, und der Rest fällt aus der Statistik, da er vermutlich gar nicht einen  Ausbildungs- oder Arbeitsplatz sucht.

Damit mehr als die erwähnten 3500 Jugendlichen in einem Unternehmen ausgebildet werden, plädierte die Bertelsmann- Stiftung für eine flexiblere Ausbildung mit mehr Einzelbausteinen. Rigide Vorgaben im dualen System verursachten eine zu geringe Durchlässigkeit. „Von einem flexibleren  Ausbildungssystem könnten gerade die Schulabgänger mit Förderbedarf sehr profitieren“, meinte Dräger. Alles in allem würden jedes Jahr „mehr als 250 000 Jugendliche im Übergangssystem landen und keinen Einstieg in eine qualifizierte Berufsausbildung finden“.

Die Arbeitgeber verteidigten sich mit Hinweisen auf den Ausbildungspakt, die Demografie und die mangelhafte Ausbildungsreife. Schon das sechste Jahr in Folge gebe es mehr unbesetzte Lehrstellen als unversorgte Bewerber, hieß es bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Es mache sich bemerkbar, dass die Zahl der Schulabgänger mit Haupt- und Realschulabschluss in den letzten zehn Jahren um ein Fünftel gesunken sei. „Vier von fünf zur Ausbildung zugelassenen Betrieben bilden kontinuierlich oder mit Unterbrechungen aus“, betonte die BDA.

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