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Ideen wachsen lassen - und daraus einen Mehrwert für das eigene Geschäft generieren. Das ist das Prinzip der meisten Inkubatoren in Berlin.

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Inkubatoren in Berlin: Wo aus Gründern Unternehmer werden

Die Berliner Start-up-Szene wird erwachsen. Längst züchten Profis Ideen in der Hauptstadt wie Blumen im Gewächshaus. Auch große Konzerne wollen von den innovativen Köpfen profitieren.

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Täglich wird in Berlin mindestens ein Start-up gegründet. In der Stadt tummeln sich immer mehr Menschen, die ihr zweites oder drittes Unternehmen gründen – und ihre Erfahrung auch an andere Gründer weitergeben wollen. Die Szene professionalisiert sich. Rund um die Start-ups entsteht ein Ökosystem von Dienstleistern und Beratern. Am Anfang der Kette stehen die Inkubatoren. In diesen Brutkästen sollen Ideen zu Unternehmen heranreifen, die dann für Investoren interessant sind.

Es gibt inzwischen Dutzende von Inkubatoren – und verschiedene Spielarten. Wichtig sind die Gründerzentren der Hochschulen, wie etwa das Centre for Entrepreneurship der TU Berlin. Daneben gibt es regelrechte Trainingslager für Start-ups wie etwa das Start-up Bootcamp, wo erfahrene Gründer ihr Wissen weitergeben. Hinzu kommen große Konzerne, die festgestellt haben, dass sie beim hohen Innovationstempo der Start-ups nicht mithalten können. Sie suchen Kontakt zu jungen Firmen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Dafür steuern sie Geld, Know-how und Kontakte bei, damit die Start-ups schneller wachsen können. Accelerator heißen die Programme darum oft. Dabei engagieren sich nicht nur Internet- oder Softwareunternehmen. Auch Coca-Cola hat so ein Programm. „Innovationen sind wichtig, um weiter wachsen zu können“, erklärt eine Sprecherin. Und der Pharmakonzern Bayer startet im Mai seinen CoLaborator in Berlin. Es ist der zweite nach San Francisco.

Rocket Internet hat das Gründen industrialisiert

Der wichtigste und sicher auch der umstrittenste Inkubator der Stadt ist Rocket Internet, die Start-up-Fabrik der Samwer-Brüder. Rocket sieht sich selbst als der größte Inkubator weltweit. Nur ein paar Zahlen: Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden dort rund 100 Firmen gegründet – und eine eingestellt. In nur einem Jahr (2013) sammelte Rocket für sich und seine Unternehmen zwei Milliarden Dollar von Investoren ein. Aktuell hat Rocket etwa 75 Firmen im Portfolio, die in 50 Ländern weltweit Geschäfte machen. Insgesamt beschäftigen die Rocket-Unternehmen rund 27 000 Mitarbeiter, zusammen machen sie einen konsolidierten Umsatz von rund drei Milliarden Euro.

Rocket Internet hat das Gründen von Start-ups industrialisiert. Dabei konzentriert sich das Rocket-Team auf Geschäftsmodelle, die bereits bewiesen haben, dass sie funktionieren. Das hat Rocket den Ruf eingebracht, gute Ideen nur zu kopieren, aber keine eigenen zu haben. Tatsächlich ist Rocket wie kaum ein anderes Unternehmen in der Lage, aus Berlin heraus ein Geschäftsmodell von Afrika bis Indien zu implementieren – und erfolgreich zu machen.

Die Gründer verstehen sich eher als Manager

Dabei investiert Rocket nur in Internetgeschäftsmodelle und nur in solche, die das ganz große Publikum ansprechen. Schuhe über das Netz zu verkaufen, zum Beispiel. Heraus kam Zalando und Zalando funktioniert – unter anderem Namen – in der ganzen Welt. „Wir machen Burger und Bier“, sagen die Leute von Rocket. Und: „Rocket ist allein von Zahlen getrieben, nicht emotional.“

Rocket muss Gründer nicht suchen, sondern hat zu jeder Zeit potenzielle Kandidaten schon im Haus. In der Regel verfügen sie über den Master-Abschluss einer Elite-Uni und drei bis fünf Jahre Berufserfahrung bei einer Unternehmensberatung oder Investmentbank. Sie arbeiten gern und viel und wollen nun selbst Chef werden. Rocket identifiziert erfolgversprechende Geschäftsmodelle und sucht dann aus seinem Pool das passende Team. Die Gründer sind hier also eher Manager. Sie erhalten zwar einen Anteil an ihrem Unternehmen, aber nur einen geringen. Denn – auch das ist ein großer Unterschied zu anderen Inkubatoren – die Unternehmen starten mit einer zweistelligen Millionen-Finanzierung vom ersten Tag an.

Der weite Bogen um Silicon Valley ist Absicht

Außerdem profitieren sie von dem Netzwerk, das Oliver Samwer und seine Brüder in den vergangenen 15 Jahren weltweit geknüpft haben. Und von dem Know-how, das in der Berliner Zentrale entstanden ist, denn natürlich muss nicht alles für jede Firma neu entwickelt werden. 250 Leute arbeiten direkt bei Rocket in Berlin. So können neue Internetportale in nur wenigen Wochen entstehen. Wenn ein Unternehmen allerdings so groß wird wie Zalando, hat es längst eigene, unabhängige Strukturen aufgebaut. Mit Rocket hat Zalando heute nichts mehr zu tun.

Und noch einen wesentlichen Unterschied zu anderen Inkubatoren gibt es: Während fast alle Start-ups mit internationalen Ambitionen ins Silicon Valley oder wenigstens in die USA schielen, macht Rocket einen Bogen um Nordamerika. Auch das ist knallhart kalkuliert: Mit der gleichen Investitionssumme lässt sich in anderen Ländern mehr erreichen, ist man bei Rocket überzeugt. Da investieren sie lieber in Indien, Brasilien oder Afrika. China bleibt außen vor, politische Risiken scheut Rocket Internet.

Microsoft

Die erste Klasse ist schon durch. Vier Monate lang hatten neun Gründerteams an ihren Ideen getüftelt und sie Ende März Investoren präsentiert – buchstäblich unter dem Dach von Microsoft. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der US-Technologiekonzern seine Berliner Repräsentanz Unter den Linden eröffnet. In der obersten Etage können sich die Gründer austoben, das Großraumbüro ähnelt einem Loft – es gibt keine abgeschlossenen Büros.

Mehr als 300 Teams hatten sich um einen Platz im Programm des Frühphasen-Accelerators beworben, neun fanden das Interesse des Konzerns. Microsoft arbeitet mit dem Hightech-Gründerfonds und der Investorengemeinschaft Seedcamp zusammen. Unternehmer und Investoren beraten die Firmengründer. Der US-Konzern ist vom Erfolg seines Förderprogramms überzeugt. „Wenn wir die Ideen der Startups in erfolgreiche Geschäftsmodelle umsetzen können, wird Berlin zum europäischen Silicon Valley“, sagte Deutschland-Chef Christian Illek im November.

Beim weltweiten Accelerator-Programm des Konzerns erhielten 85 Prozent der Start-ups eine Anschlussfinanzierung von im Schnitt 1,3 Millionen Dollar. Im August startet die nächste Berliner Klasse.

Hubraum

Ein roter Backsteinbau in der Winterfeldtstraße. Früher saß in dem Gebäude das „Fernamt 1“, die größte Telefonvermittlungsstelle Europas. Heute sucht die Deutsche Telekom hier nach den Gründern von morgen.

Hubraum heißt der Inkubator des Konzerns, der Start-ups jeweils mit bis zu 300.000 Euro unterstützt. Außerdem bekommen die Gründer Büroräume und werden von einem Telekom-Team betreut. Im Gegenzug erwirbt der Konzern Firmenanteile von zehn bis zwölf Prozent. „Unser Ziel ist es, die Start-up-Welt und die Konzernwelt zu verbinden“, sagt Hubraum- Chef Peter Borchers.

Der Inkubator unterstützt vor allem Start-ups, deren Produkte für die Telekom interessant sein könnten. Ein Beispiel ist das Start-up Vigour, das an einer Technik bastelt, mit der Nutzer auf mehreren Endgeräten fernsehen können: Während auf dem Fernsehbildschirm das Formel-1-Rennen läuft, meldet das Smartphone die aktuellen Ergebnisse und der Tablet-PC zeigt die Bilder der subjektiven Kamera aus dem Cockpit eines Rennwagen.

Gut ein Jahr bleiben die Start-ups im Hubraum – solange, bis sie für einen externen Investor interessant sind. „In Einzelfällen kann ein Start-up später auch von der Telekom übernommen werden“, sagt Borchers.

Project A

Vor vier Jahren hatten Stephan Linden und Christian Hoya die Idee, Wein übers Internet zu verkaufen. Sie bauten eine Website auf und gewannen erste Kunden. Ihr Konzept schien zu funktionieren – doch um zu wachsen, brauchten Hoya und Linden Geld und guten Rat. Beides fanden sie bei Project A. Die Berliner Firma investiert in junge Start-ups und gibt ihnen Hilfestellung bei den ersten Schritten. An „Wine in Black“, dem Start-up von Hoya und Linden, beteiligte sich Project A zu 35 Prozent und half, eine IT-Infrastruktur aufzubauen, die richtigen Mitarbeiter zu finden und online zu werben.

Hinter Project A stehen Uwe Horstmann, Thies Sander, Christian Weiß und Florian Heinemann. Die vier waren Manager bei Rocket Internet, bevor sie sich mit ihrem eigenen Inkubator selbstständig machten. In Berlin beschäftigen sie zwei Jahre nach ihrer Gründung mehr als 100 Mitarbeiter und haben mit denen bis heute 25 Start-ups auf den Weg gebracht. Was die vier Chefs reizt, ist der Neuanfang. „Bei uns gibt es keinen Alltagstrott“, sagt Horstmann.

Ihr Ziel ist der erfolgreiche Ausstieg – so wie das zum Beispiel beim Start-up Tirendo geklappt hat. Europas größter Online-Reifenhändler kaufte den kleineren Berliner Konkurrenten im vergangenen Jahr für 50 Millionen Euro. „Unsere Erfolgsquote ist recht hoch“, sagt Horstmann.

You Is Now

You is now ist der Inkubator von Immobilienscout24. Das Programm richtet sich an nationale und internationale Start-ups in einer frühen Gründungsphase. Der Schwerpunkt liegt auf Geschäftsideen, die einen Bezug zur Immobilienwirtschaft haben. Es werden jeweils drei Teams aufgenommen. Das nächste Programm startet Mitte Mai und endet im August mit dem Demo Day.

Das dreimonatige Förderpaket beinhaltet eine Finanzierung in Höhe von 15 000 Euro, Arbeitsplätze in den Räumen von ImmobilienScout24 sowie die intensive Unterstützung durch interne und externe Mentoren. Wöchentliche Coachings durch das Founder Institute und ein Training, wie man sein Unternehmen erfolgreich vor potenziellen Investoren präsentiert (Pitch), gehören dazu. Das Besondere ist, dass die Gründer keine Anteile an Immobilienscout24 abgeben müssen.

Zum Abschluss des Programms pitchen die Teams vor Unternehmensvertretern, Risikokapitalgebern und Branchenexperten. Wenn ein Team überzeugt, besteht die Chance, den Aufenthalt in dem Accelerator-Programm noch einmal um drei Monate zu verlängern.

Die Förderung beinhaltet Büroräume, ein Marketing-Paket und Know-how sowie eine Finanzierung von bis zu 500.000 Euro. Das beste Team hat die Chance, im März kommenden Jahres ins Silicon Valley zu fahren.

Plug & Play

Der Inkubator ist ein Joint Venture des Axel Springer Konzerns mit dem Plug and Play Tech Center aus Kalifornien. Dreimal im Jahr gibt es ein dreimonatiges Programm. Die Teams – meist drei Leute – bekommen Büroräume, Betreuung durch Mentoren, können an Workshops teilnehmen und vom Netzwerk der Initiatoren profitieren. Es besteht also ein direkter Draht ins Silicon Valley.

Jedes Team bekommt 25.000 Euro, muss dafür aber fünf Prozent der Unternehmensanteile abgeben. Das heißt, vom Start weg wird jedes Start-up mit 500.000 Euro bewertet. Zum Ende des Programms gibt es die Gelegenheit, sich vor einer Runde aus internationalen Investoren zu präsentieren. Von den acht Teams des ersten Durchgangs haben sieben das Programm im vergangenen Jahr durchgezogen. Diese haben alle eine Anschlussfinanzierung bekommen. Die sieben Absolventen des zweiten Durchgangs sind noch in Verhandlungen.

Wer eine Finanzierung durch Dritte bekommt, in den investiert auch Springer erneut. Vor drei Wochen begann der dritte Durchgang mit zehn Teams. Das Programm ist englischsprachig. Daher sind auch die Teams international. Anfragen kamen vor allem aus Osteuropa, aber auch aus Israel und der Türkei.

IZBM

Das Innovations-Zentrum Berlin Management (IZBM) ist der älteste Inkubator Berlins. Gegründet 1986 als Tochterfirma der damaligen Wirtschaftsförderung Berlin, ist ihr Auftrag, wirtschaftsfördernde Technologie-, Innovations- und Gründerzentren an verschiedenen Orten in der Stadt zu gründen, wobei vor allem Gründer aus dem Umfeld von Hochschulen und Forschungseinrichtungen angesprochen werden.

Die wichtigsten Standorte sind heute in Charlottenburg und Adlershof. Weil das Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) nicht nur Nahe an der TU, sondern auch der Universität der Künste liegt, sind hier auch Firmen aus dem kreativen Umfeld willkommen. „Im Unterschied zu anderen Inkubatoren müssen die Gründer bei uns keine Anteile abgeben“, sagt Geschäftsführer Roland Sillmann. Es gibt auch keinen Zeitdruck. Die Teams können bis zu fünf Jahren in den Zentren bleiben.

Sie zahlen eine günstige Miete, können Flächen flexibel buchen und die Infrastruktur sowie das Expertennetzwerk nutzen. „Bei uns durchlaufen die Teams die Phase vom Gründer zum Unternehmer“, sagt Sillmann. „Unser Ziel ist es, die Firmen erfolgreich zu machen. Was Erfolg ist, definieren die Firmen selbst.“

Flying Elephant

Flying Elephant ist ein Inkubator in Gründung. Erst im Herbst sollen die ersten Teams an den Start gehen. Hinter dem Projekt steht der Risikokapitalgeber West-Tech Ventures und dessen Gründer Masoud Kamali. „Auf den Namen bin ich gekommen, weil wir etwas Schweres zum Fliegen bringen wollen“, erklärt Kamali.

Flying Elephant soll nämlich vor allem technologieorientierte Gründer aufnehmen, die sich auf die Softwareentwicklung konzentrieren. Damit wollen Kamali und sein Partner Alexander Kölpin eine Lücke in der Berliner Start-up-Szene schließen, in der sich vieles um Internetanwendungen und elektronischen Handel dreht.

Es wird kein festgelegtes Programm für die Gründer geben, viel mehr eine individuelle Förderung. „Wir suchen ja Leute, die selber Unternehmer sein wollen“, sagt Kölpin. Im Flying Elephant sollen die Gründer von der Expertise und dem Netzwerk Kamalis profitieren, der als Unternehmer mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT-Szene hat.

Drei bis fünf Teams sollen es werden. Die Gründer bekommen ein Startkapital von 25.000 Euro, wenn sie drei Monate im Flying Elephant bleiben, oder 50.000 Euro, wenn es sechs Monate werden. Dafür erhält Flying Elephant einen Anteil von weniger als zehn Prozent an dem Unternehmen – und wenn es passt, womöglich eine Anschlussfinanzierung von West-Tech Ventures.

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