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Angst ums Kerrygold. In Irland fürchtete man, Deutsche könnten wegen der Notkredite keine irischen Produkte wie die berühmte Butter mehr nachfragen. Dabei kaufen sie mehr denn je. Nun wollen die Iren ihren Agrarsektor fit machen für den Weltmarkt. Foto: p-a/gms

© picture-alliance/ gms

Wirtschaft: Insel sucht Plan

Irische Manager beraten in Berlin über Wege aus der Krise – und sorgen sich um ihr Image.

Getreu dem Motto „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ haben sich am Sonnabend 60 irische Manager zum „Irish Economic Forum Germany“ in der irischen Botschaft in Berlin getroffen – am Nationalfeiertag, dem St. Patrick’s Day, der weltweit feuchtfröhlich begangen wird. Anschließend stand der Besuch einer Parade durch Kreuzberg und des in grünes Licht getauchten Fernsehturms auf dem Programm.

Kurz vor Mittag. Zwei Stunden dauert die Diskussion nun schon: Irland soll mehr ausländische Studenten anziehen, fordert einer. Das Land sollte sich auf Kultur und Dichtkunst besinnen, fordert eine andere. Und ein Ire, der im Bundesfinanzministerium in Berlin arbeitet, schlägt dem eigens angereisten Finanzstaatssekretär aus Dublin vor: „Sie sollten uns öfter mal eine E-Mail schreiben, uns über Ihre Pläne auf dem Laufenden halten“.

Da steht einer der wenigen Deutschen in dieser Runde auf, um etwas Optimismus zu verbreiten: Gisbert Kügler, seit acht Jahren Chef von Kerrygold-Deutschland, dem mit Abstand größten Butterverkäufer hierzulande. Er berichtet von den turbulenten Tagen im November 2010, als Irland als erstes Land Notkredite in Milliardenhöhe von der EU anfordern musste. Da habe er besorgte Anrufe aus der Zentrale in Dublin bekommen: „Werden die Deutschen jetzt noch unsere Butter kaufen?“ Wenig später habe man festgestellt: Ja, sogar mehr denn je.

„Offenbar nehmen die Deutschen den Iren die Misere nicht krumm, vielleicht kaufen sie sogar aus Mitgefühl irische Produkte, genau wie Feta und Oliven aus Griechenland“, spekuliert Kügler. Kerrygold-Deutschland bezieht die Butter aus Irland und verpackt diese in einem Werk bei Duisburg und setzt so 260 Millionen Euro im Jahr um. Acht bis zehn Millionen gebe er jährlich für TV-Werbung aus, sagt Kügler. Er prägt so maßgeblich das romantische Bild, das viele Deutsche von der grünen Insel haben. Auch beauftragt er regelmäßig Meinungsforscher, die prüfen sollen, ob die Stimmung in Deutschland kippt. „Dafür sehen wir aber noch keine Anzeichen“, sagt Kügler.

Allerdings hält er einige Ideen, die auf dieser Konferenz geäußert werden, für geschäftsschädigend: Das Gerede über Stärkung der IT- oder Pharmabranche, den Maschinenbau gar. „Sobald man Irland als Industriestandort wahrnimmt, sieht es schlecht aus für den so wichtigen Tourismus – und die Butter“, sagt Kügler.

Dan Mulhall, Gastgeber und Botschafter Irlands in Deutschland, rudert am Rednerpult mit den Armen, warnt vor Denkverboten und bittet um Hilfe: „Wir brauchen alle Ideen von Euch, die Ihr hier in Deutschland arbeitet“, sagt er an die Adresse der anwesenden Irinnen und Iren, die Top-Positionen bei Konzernen wie Bombardier oder Bayer Health Care bekleiden. „Vernetzt Euch und teilt uns mit, was wir von Deutschland lernen können“, bittet Mulhall. In Gesprächen zeigt sich aber schnell, dass es so viel nicht ist. Deutschland sei faszinierend, aber könne schlecht Vorbild sein – zu unterschiedlich seien die Länder, hört man. Der Staat im äußersten Westen der EU ist nicht größer als Bayern und hat kaum mehr Einwohner als Berlin plus Umland. Irland lockte mit konsequent niedrigen Umsatzsteuersätzen vor allem US-Konzerne an, die dort ihre Europazentralen errichten, was der Insel seit Mitte der 1990er Jahre anhaltend hohe Wirtschaftswachstumsraten bescherte. Mit dem Kollaps des Banken- und Immobiliensektors ab 2008 brach die Wirtschaft allerdings dramatisch ein (siehe Grafik).

„Normalerweise durchleidet ein Land eine Krise und macht dann nach drei Jahren weiter. Aber das wollen wir nicht“, sagt John Moran, Staatssekretär aus dem Dubliner Finanzministerium. Seine Regierung, die nun ein Jahr im Amt sei, habe die Lage stabilisiert und wolle nicht, dass man wieder dort anfängt, wo Irland vor der Krise stand. „Wir müssen noch weiter zurück, uns auf die Kompetenzen besinnen, die wir vor dem Boom hatten“, sagt er. So schwebe ihm ein moderner Agrarsektor vor, mit High-Tech-Farmen und gut ausgebildeten Landwirten – die aber nicht auf Beihilfen aus Brüssel angewiesen sind. „Schon heute liefern wir zum Beispiel 15 Prozent des Milchpulvers für den Weltmarkt, vor allem nach Asien. Es könnte noch mehr sein“.

Bedeutet diese Besinnung auch das Ende der irischen Niedrigsteuerpolitik, die zwar Konzerne lockte, aber auch alle Finanzminister von Paris bis Berlin ärgert. „Nein, auf keinen Fall“, winkt Moran ab. „Was Irland braucht, ist Wachstum. Und je nachhaltiger und stärker wir wachsen, desto schneller bekommt Europa sein Geld zurück.“

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