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Trotz Insolvenz geöffnet bleiben die Praktiker- und Extra-Märkte.

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Insolvenz der Baumarktkette: Warum Praktiker vor der Pleite steht

Die Baumarktkette Praktiker scheitert an ihrer Billig-Strategie. Die Konkurrenz legt zu – aber nur in Deutschland.

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Pflanzen, Gartenmöbel, Grills – normalerweise machen die Baumärkte damit im ersten Halbjahr das große Geschäft. Aber der lange Winter und der kalte Frühling haben der Branche in diesem Jahr zugesetzt. Für die ohnehin angeschlagene Kette Praktiker war das offenbar zu viel: Am Donnerstag beantragte das Unternehmen beim Amtsgericht Hamburg wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren.

In der Nacht zuvor waren die Verhandlungen über eine Sanierungsfinanzierung gescheitert. Hinzu kam der wetterbedingte „massive Einbruch der Baumarktkonjunktur“, erklärte das Unternehmen in einer Mitteilung. Der Insolvenzantrag gilt zunächst für acht Tochtergesellschaften. Für die Dachgesellschaft Praktiker AG soll er nachgereicht werden.

Die Aktie von Praktiker brach in der Folge am Donnerstag zwischenzeitlich um 70 Prozent auf elf Cent ein. Aufgeben will der Konzern, der schon seit Jahren mit Verlusten kämpft, aber nicht. Die Insolvenz habe das Ziel, für die 168 Praktiker- sowie 22 „Extra Bau+Hobby“-Märkte einen Sanierungsplan zu erstellen. Die 132 Filialen der Tochter Max Bahr seien „ebenso wenig betroffen wie das internationale Geschäft“, teilte der Konzern weiter mit.

Die Marke Max Bahr sollte mehr Ansehen bringen

Die Insolvenz trifft Praktiker mitten in der Sanierung. Seit Herbst 2012 versuchte der neue Chef und Ex-Aldi-Manager Armin Burger, die Wende bei dem Unternehmen zu schaffen. Ein Teil der Märkte sollte auf die Marke Max Bahr umgestellt werden, die Praktiker 2006 übernommen hatte. Sie bringt mehr Ertrag, hat ein höherwertiges Image. Die 54 umgeflaggten Filialen hätten seit der Umstellung „deutlich höhere Roherträge“ erzielt, teilte Praktiker mit.

Doch das reichte offenbar nicht. Die Finanzierungsvereinbarung mit britischen und österreichischen Geldgebern, die der Vorstand ausgehandelt hatte, sei „am Widerstand wesentlicher Gläubigergruppen“ gescheitert, teilte Praktiker mit.

Mindestens ein Kreditversicherer, der die Waren vorfinanziert, soll die Garantien zurückgezogen haben, erfuhr Reuters aus Finanzkreisen. Auch der Verkauf der luxemburgischen Tochtergesellschaft, der 13 Millionen Euro einbringen sollte, war geplatzt. Kurzfristig fehlten damit zwischen 30 und 35 Millionen Euro.

Trotz Billig-Strategie schmolz der Marktanteil

Experten sehen die Billig-Strategie von Praktiker als den Hauptgrund für die drohende Pleite. „Die 20-Prozent-auf-alles-Kampagne sollte die Umsätze nach oben bringen, doch das war nicht profitabel“, sagt Niklas Reinecke vom Handelsinformationsdienst Planet Retail. Das sagt auch Karl-Erivan Haub, Chef von Tengelmann, zu dem Konkurrent Obi gehört. „Wenn der Preis das einzige Mittel ist, ist das der Tod.“ Mit der Umwandlung in Max-Bahr-Märkte habe Praktiker versucht, vom Billig-Image loszukommen. „Aber der Umbau war teuer – und kam zu spät“, sagt Reinecke. Die großen Konkurrenten wie Obi und Hornbach hätten Praktiker in den vergangenen Jahren kräftig Marktanteile abgenommen.

Denn der Branche hierzulande geht es vergleichsweise gut. „Die niedrigen Zinsen und ein robuster Arbeitsmarkt sorgen dafür, dass viele Leute bauen oder in Wohnungen investieren“, sagt Reinecke. „Das bedeutet Wachstum für die Baumärkte.“ International sei das Geschäft dagegen schwierig, nicht nur in Südeuropa, wie auch Tengelmann-Chef Haub bestätigt: „Es gibt kaum ein Land, wo uns nicht Baumarktketten angeboten werden. Es steht viel zum Verkauf.“ Zudem haben der lange Winter und der kalte Frühling allen Ketten zugesetzt. „Hobbybastler und Gärtner haben ihre Projekte im Frühjahr auf Eis gelegt“, sagt Reinecke.

Großaktionärin glaubt an die Rettung

Die Gewerkschaft Verdi sprach am Donnerstag von einer „menschlichen und existenziellen Tragödie für die Mitarbeiter“. Sie hätten für drei Jahre auf jeweils rund fünf Prozent ihres Jahresgehaltes verzichtet. Ein entsprechender Tarifvertrag war im Oktober 2012 mit dem Vorstand abgeschlossen worden. Für Praktiker arbeiten 12 000 Menschen in Deutschland, rund die Hälfte davon bei Max Bahr. In Brandenburg sind zwölf Praktiker-Märkte mit 580 Mitarbeitern von der Insolvenz betroffen, in Berlin eine Filiale in Wedding mit 130 Beschäftigten.

Die Praktiker- und Extra-Märkte sollen im Rahmen des Insolvenzverfahrens weitergeführt werden, erklärte der Konzern. Praktiker-Großaktionärin Isabella de Krassny glaubt der „Wirtschaftswoche“ zufolge an eine Rettung. Dazu müssten rund 80 defizitäre Praktiker-Filialen geschlossen werden und neue Finanzmittel in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro bereitgestellt werden, sagte die Österreicherin. Experte Reinecke sieht dagegen kaum Chancen für Praktiker. „Die Hoffnung ist, dass Konkurrenten möglichst viele Märkte übernehmen.“ Obi und Hagebau bekundeten am Donnerstag bereits Interesse an einzelnen Standorten. Max Bahr, sagt Reinecke, habe dagegen eine „realistische Chance am Markt“.

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