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Insolvenz bei BenQ

© dpa

Insolvenzen: Viel Luft unterm Hammer

Insolvenzverwalter und Firmenverwerter hadern mit dem Aufschwung. Durch die boomende Konjunktur gibt es für sie immer weniger zu tun.

Düsseldorf - Ausgerechnet bei der größten Auktion seiner Karriere hat Jan Bröker keinen Hammer dabei. „Der würde die Sache nur unnötig langsam machen“, sagt der Geschäftsführer des Hamburger Auktionshauses Dechow, bevor er in der ehemaligen Produktionshalle von BenQ Mobile in Kamp-Lintfort ans Pult schreitet. Dort fuchtelt er stattdessen mit einem Kugelschreiber durch die Luft und zeigt am Ende jeder Runde nur kurz auf den Meistbietenden. Für das 1904 gegründete Familienunternehmen ist die BenQ-Verwertung mit insgesamt 30 000 Posten der dickste Fisch, den es je an Land gezogen hat, da soll es keine Verzögerungen geben.

Gerade jetzt nicht, wo eigentlich Flaute herrscht auf dem Markt. BenQ ist eine Ausnahme. Dank der guten Wirtschaftslage rutschen in Deutschland immer weniger Unternehmen in die Pleite. Nach knapp 37 000 Insolvenzen im Jahr 2005 meldete das Statistische Bundesamt für 2006 nur noch gut 30 000 Fälle.

Die Forderungen der Gläubiger reduzierten sich laut Statistischem Bundesamt 2006 von knapp 23 Milliarden auf knapp 20 Milliarden Euro, und damit schrumpfte indirekt der Markt der Verwerter, die bei Auktionen beispielsweise 15 Prozent einstreichen. Dieses Jahr werde die Zahl der Insolvenzen auf bis zu 25 000 zurückgehen, erwarten Banken. Die meisten Unternehmer und Angestellten wird das freuen. Auktionshäuser und Insolvenzberater sehen die Dinge dagegen mit gemischten Gefühlen.

„Wegen der anziehenden Konjunktur haben jetzt viele Verwerter weniger zu tun“, sagt der Geschäftsführer beim Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands, Daniel Bergner. Umsatzzahlen für die Branche gibt es nicht. Das Geschäft stehe und falle aber nun mal mit der Zahl der Insolvenzen.

„Zweischneidig ist das Schwert“, findet deshalb auch Peter Reuter, Chefredakteur des Branchenmagazins Indat-Report, das sich an Insolvenzverwalter und Firmenverwerter richtet. Eigentlich müsse man sich natürlich uneingeschränkt über den Rückgang der Pleiten freuen. „Dennoch verkennen wir nicht, dass dieser Trend bei vielen Insolvenzverwaltern Besorgnis auslöst. Schließlich würde auch ein Zahnarzt bei einem plötzlichen Rückgang von Karies beunruhigt sein.“ Nur ein löchriger Zahn in der Woche lohne sich eben nicht. „Zudem verliert der Dentist die Übung im Umgang mit Bohrer und Spatel.“

Auch Dechow-Chef Jan Bröker merkt die aufziehende Flaute. „Wir spüren den Trend“, sagt er, „der Markt ist klar rückläufig.“ Zudem hätten sich Unternehmen, die jetzt noch Pleite gehen, ihre Ausrüstung geleast oder gemietet – wegen der vor ein paar Jahren noch unsicheren Geschäftsaussichten. Bei einer Insolvenz fallen die Gegenstände dann direkt an die Leasinggesellschaft zurück. „Die Verfahrensqualität geht deshalb zurück“ sagt Bröker. Im Klartext: Es springt deutlich weniger für sein Unternehmen heraus.

Stellen im Unternehmen will Bröker aber noch nicht abbauen. Wie viele in der Branche beschäftigt er freie Mitarbeiter, die nun seltener helfen müssen. Vor wenigen Jahren habe das Unternehmen noch deutliche Zuwächse verzeichnet, die es nun nicht mehr gebe.

In den Jahren 2002 und 2003 schwamm die Branche der Firmen-Verwerter noch auf einer regelrechten Welle des Erfolges. Die Pleiten der großen Baukonzerne Holzmann und Walter Bau, vor allem aber das Aus des Maschinenbauers Babcock Borsig waren nur die schillerndsten Fälle, die Auktionshäusern, Inkassounternehmen und Verwaltern Millionen in die Kassen spülten.

Immer mehr Insolvenz-Dienstleister drängten auf den Markt, darunter Softwarefirmen, Bewertungs- und Transportspezialisten und nicht zuletzt Unternehmen, die alles aus einer Hand anbieten. Überwiegend profitierte die Branche von den vielen kleinen Unternehmenspleiten. Und gerade davon gibt es jetzt immer weniger. Nur knapp ein Prozent der insolventen Firmen haben laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform mehr als 100 Mitarbeiter.

Auch die Firmenverwerter selbst sind meist Kleinbetriebe. „Typisch ist der regionale Fünf-Mann-Betrieb, der den Rausverkauf von Uschis Wollbasar organisiert“, sagt Bergner. Hunderte Firmen gibt es bundesweit, meist sind sie regional tätig. Fünf bis zehn renommierte Verwerter kümmern sich dagegen um die Mega-Pleiten. Außer Dechow zählen etwa Troostwijk, Perlick und Industrierat dazu. Oft kommen sie aus Hafenstädten, wo früher ein Großteil der von den Schiffen gelöschten Waren versteigert wurde.

Nun wird der Wind jedoch rauer. „Es herrscht ein harter Kampf zwischen den Verwertern, sich den Insolvenzverwaltern anzubieten“, sagt Bergner, „die malen ihre Leistungsfähigkeit dann in den schönsten Farben.“ Der nächste große Insolvenzfall ist der westfälische Möbelhersteller Schieder, die Verwertungsfirmen bringen sich bereits in Stellung.

Der Verdrängungswettbewerb macht besonders den kleinen Unternehmen das Überleben schwer, beobachtet auch Thomas Fuhrmann vom Branchendienst WBDat aus Köln. Die doppelte Schmach, als Firmenverwerter selbst unter den Hammer zu kommen, wollen sich dabei alle ersparen. „Aus eigener Erfahrung können die Firmenchefs vielleicht auch besser den Zeitpunkt abschätzen, wann sie den Betrieb lieber freiwillig aufgeben“, sagt Fuhrmann.

Nils-Viktor Sorge

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