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Insolvenzen: Zur Kasse

Die Bundesagentur für Arbeit muss wegen der Krise deutlich mehr ausgeben als geplant. Spätestens im nächsten Jahr wird das Finanzpolster der Agentur aufgezehrt sein. Jetzt gibt es Streit darüber, wer für die Folgen der Wirtschaftskrise zahlt.

Berlin - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fürchtet, dass die Arbeitnehmer die Zeche für die Bekämpfung der Wirtschaftskrise zahlen müssen. „Spätestens im nächsten Jahr wird das Finanzpolster der Bundesagentur für Arbeit aufgezehrt sein“, sagte DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy dem Tagesspiegel. „Dann drohen entweder höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oder Leistungskürzungen für Arbeitslose“, fürchtet Adamy, der bei der Bundesagentur (BA) im Verwaltungsrat sitzt.

Die BA muss derzeit wegen der Krise deutlich mehr Geld für Insolvenzen und Kurzarbeit ausgeben als erwartet. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag meldete, ist die Zahl der Firmeninsolvenzen im ersten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um zehn Prozent auf 7712 Fälle gestiegen. Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet für das gesamte Jahr mit einer Zunahme der Firmenpleiten um 19,5 Prozent auf 35 000.

Bei einer Insolvenz zahlt die BA den Arbeitnehmern für drei Monate Insolvenzgeld. 516 Millionen Euro waren es von Januar bis Mai – 80 Prozent der Summe, die man in Nürnberg eigentlich für das Gesamtjahr eingeplant hatte. Nachdem der Handelskonzern Arcandor Insolvenz angemeldet hat, kommt ein weiterer dicker Brocken auf die BA zu. Der Arcandor-Generalbevollmächtigte Horst Piepenburg geht von 250 Millionen Euro aus. DGB-Experte Adamy schätzt, dass die BA 2009 insgesamt 1,5 Milliarden Euro für Insolvenzen ausgeben muss. Das Geld kommt zunächst von der Arbeitslosenversicherung. Zwar wird das Insolvenzgeld von den Arbeitgebern finanziert, doch wird deren Umlage erst 2010 erhöht. Bis dahin helfen die Beitragszahler aus.

Auch die steigende Kurzarbeiterzahl zehrt die Rücklagen auf. Im April arbeiteten 1,6 Millionen Menschen kurz, 416 000 mehr als vor einem Jahr. Kurzarbeitergeld wird aus Beitragsmitteln finanziert. Für die BA-Finanzen sieht das nicht gut aus: Das Polster von 17 Milliarden Euro dürfte spätestens nächstes Jahr aufgebraucht sein, schätzt Adamy. 2010 werde die Arbeitsverwaltung vermutlich 20 Milliarden Euro Miese machen, auch in den Folgejahren werde sie rote Zahlen schreiben. Bereits im November und Dezember werde ein Kredit des Bundes über vier bis fünf Milliarden Euro nötig sein.

„Der Staat lässt die Arbeitslosenversicherung mit den Folgen der Wirtschaftskrise allein“, kritisiert Adamy. Er fordert, dass der Bund – wie früher – Defizite der BA aus Haushaltsmitteln deckt. Rückendeckung bekommt der Gewerkschafter aus der Wissenschaft. „Die BA braucht mehr Geld aus Bundesmitteln“, sagte Michael Bräuninger vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI. Zumindest die Kosten der Kurzarbeit sollten aus Haushaltsmitteln finanziert werden.

Im Bundesarbeitsministerium stößt das auf wenig Gegenliebe. Finanzlöcher würden mit Bundeskrediten gedeckt, betonte eine Sprecherin, diese Darlehen müssten aber zurückgezahlt werden. Beitragserhöhungen zulasten der Arbeitnehmer seien gesetzlich ausgeschlossen. Daran werde nicht gerüttelt, sagte auch Ralf Brauksiepe, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unionsfraktion. Er warnte davor, die Lage bei Arcandor schwarzzumalen. „Es gibt sehr gute Chancen für eine Fortführung.“

Die Karstadt-Mutter kündigte ihren Lieferanten an, alle neubestellten Waren vollständig zu bezahlen. Konzernchef Karl-Gerhard Eick will zudem die Gespräche mit Metro über eine Fusion von Kaufhof und Karstadt wieder aufnehmen, sagte er im ZDF. Man werde auch mit anderen möglichen Partnern sprechen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hält neue Gespräche über Staatshilfen für möglich. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch im weiteren Verfahren noch der Ruf nach Staatshilfe kommt. Das wäre nicht außergewöhnlich und war bei anderen größeren Insolvenzen schon der Fall“, sagte er dem „Handelsblatt“.

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