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Die USA fördern Energierohstoffe wie hier Öl auch mithilfe des umstrittenen Frackings.

© dpa

Internationale Energieagentur: USA gewinnen das Rennen um billige Energie

Günstige Energie bringt Amerika künftig einen Vorsprung vor Europa, sagt die Internationale Energieagentur. Sie will mehr Effizienz und Erneuerbare – auch für das Klima.

Der Fracking-Boom verschafft den USA enorme Wettbewerbsvorteile gegenüber Europa, Japan und China – und das dürfte in den kommenden 20 Jahren auch so bleiben. Das ist eine zentrale Aussage des neuen Weltenergieberichts, den die Internationale Energieagentur (IEA) am Dienstag in London vorgestellt hat. Aufgrund der niedrigen Energiepreise erwartet die IEA, dass die USA ihren Anteil an den weltweiten Exporten bis zum Jahr 2035 leicht erhöhen kann, während die Ausfuhren der Europäischen Union und Japans sinken.   

"Die Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Energie ist ein entscheidendes Element wirtschaftlichen Wohlstands und industrieller Wettbewerbsfähigkeit", erklärt die Agentur. In den USA koste Erdgas derzeit nur ein Drittel dessen, was Europa für Gasimporte zahlen müsse, und ein Fünftel des japanischen Importpreises. Selbst Chinas Industrie zahle das Doppelte der amerikanischen Konkurrenz. Zwar würden die regionalen Preisunterschiede in den kommenden Jahren etwas sinken, aber sie blieben dennoch hoch. Und auch Strom sei je nach Region unterschiedlich teuer.

Das beeinflusse die strategischen Investitionen gerade energieintensiver Branchen bis weit in die Zukunft. "Wegen der niedrigen Energiepreise sind die USA in einer guten Position, ökonomische Vorteile zu erlangen", sagte IEA-Chefökonom Fatih Birol. "Für die energieintensiven Betriebe in Europa und Japan sind die höheren Kosten hingegen eine große Belastung."

Gegenmittel Energieeffizienz

Als Gegenmittel empfiehlt die IEA, Energie künftig effizienter zu nutzen. Etwa, indem die Subventionen für fossile Brennstoffe abgeschafft würden. Sie seien ein teurer Anreiz für Verschwendung. Laut IEA verursachten fossile Subventionen im vergangenen Jahr Kosten in Höhe von 544 Milliarden Dollar. 

Zwar habe die Politik schon "bemerkenswerte" Maßnahmen ergriffen, um Energie effizienter zu nutzen. Europa und Japan hätten Gebäude saniert, Nordamerika habe sparsamere Autos gefördert und Teile des Mittleren Ostens effizientere Klimaanlagen. Effizienz bringe der Industrie Kostenvorteile, entlaste die privaten Haushalte und verringere die Abhängigkeit von teuren Energieimporten. Doch zwei Drittel ihres ökonomischen Potenzials bleibe wohl auch künftig ungenutzt, wenn weiter nichts geschehe.

Eine Liberalisierung des Gasmarktes könne ebenfalls helfen, die Preise zu senken. Der Preis von Erdgas ist traditionell an den Ölpreis gekoppelt und deshalb vergleichsweise hoch. Wäre der Markt für Gas stärker liberalisiert und somit unabhängiger vom Ölmarkt, könnte auch die Kopplung der Preise schwächer werden, erwartet die Agentur.

Kluge Subventionen für Erneuerbare

Im zentralen Szenario des Weltenergieberichts rechnet die IEA damit, dass der weltweite Energieverbrauch bis 2035 um ein Drittel steigen wird – am stärksten in den Schwellenländern Asiens. In China werde die Nachfrage allerdings ab 2020 nicht mehr so schnell zunehmen wie anderswo. "Dann übernehmen Indien und südostasiatische Länder die Führung darin, den Konsum nach oben zu treiben." In den klassischen Industrieländern der OECD werde der Energieverbrauch hingegen kaum noch steigen.

Nur etwa 40 Prozent des Nachfragewachstums werde aus emissionsarmen Energiequellen gedeckt. Das rasche Wachstum der Wind- und Solarkraft werfe in manchen Regionen "grundlegende Fragen" auf "zum Design der Energiemärkte und ihrer Fähigkeit, adäquate Investitionen und langfristige Stabilität sicherzustellen".

Erneuerbare Energieträger zu subventionieren sei dennoch wichtig, um den Klimawandel zu bekämpfen. Die Subventionen müssten aber klug gestaltet werden. Ihre Höhe im vergangenen Jahr betrug der Agentur zufolge 101 Milliarden Dollar. Bis 2035 erwartet sie einen Anstieg auf 220 Milliarden Dollar. 

Der Energiesektor spiele in der Klimapolitik eine entscheidende Rolle, schreibt die IEA. Schließlich sei er für zwei Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, und die bisherigen Initiativen der Klimapolitik reichten nicht aus.

Wenn nicht mehr unternommen werde, würden die Emissionen aus dem Energiesektor bis 2035 um 20 Prozent steigen. Damit befinde sich die Welt auf dem Weg zu einer durchschnittlichen Erwärmung der Erde um 3,6 Grad Celsius. Das liege weit über dem international beschlossenen Klimaziel von zwei Grad. Dabei sei es möglich, die Emissionen zu begrenzen, ohne das Wirtschaftswachstum zu schwächen: etwa durch weniger Subventionen für fossile Brennstoffe, die Abschaltung ineffizienter Kohlekraftwerke und einen stärkeren Kampf gegen die Methan-Emissionen aus Öl- und Gasraffinerien.  

Ein Schwerpunkt des Weltenergieberichts widmet sich darüber hinaus der künftigen Ölversorgung. Obwohl neue, bis vor Kurzem noch nicht förderbare Quellen erschlossen würden – etwa die Ölfelder Brasiliens unter besonders tiefem Meeresboden und weitere Quellen in Nordamerika – befinde sich der Löwenanteil der belegten und wahrscheinlichen Ölreserven noch im Besitz traditioneller, meist staatseigener Anbieter. Ab dem Jahr 2025 werde der Mittlere Osten deshalb wieder eine Schlüsselrolle als "entscheidende Quelle eines wachsenden Ölangebots" übernehmen.   

Lob für Brasilien

Brasilien erhält ein Sonderlob. Das Land sei führend darin, Tiefsee-Ölquellen zu erschließen. Die rasch wachsende Energienachfrage seiner Bevölkerung befriedige es bei vergleichsweise geringen Emissionen. Auch künftig werde Brasiliens Wirtschaft emissionsarm bleiben.

Hintergrund ist, dass Brasilien einen großen Teil seiner Energiebedürfnisse durch Ethanol aus Zuckerrohr deckt. Das spart zwar direkte Emissionen. Dennoch ist die Umweltbilanz von Biotreibstoffen nicht rein. Wenn das Zuckerrohr Nahrungsmittel vom Feld verdrängt, kann es Hunger verstärken, und sobald für seinen Anbau Regenwald abgeholzt wird, schadet es auch dem Klima und der Natur.   

Der Artikel erschien zuerst auf Zeit Online

Alexandra Endres

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