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Internetabzocke versteckt sich zum Beispiel hinter Routenplanern.

© dpa

Internetabzocke: Abzweig zum Abkassieren

Viele Nutzer schließen im Internet ungewollt ein Abo ab. Wie man sich dagegen wehrt.

Der Schock kam mit Verzögerung. Als Andreas L. (Name von der Redaktion geändert) in diesen Sommerferien auf der von Google gefundenen Seite www.routenplaner-service.de die beste Autoverbindung von Berlin nach Usedom suchte, dachte er sich noch nichts dabei, dass er sich zuvor mit Name und Adresse registrieren musste. Bis jetzt die Rechnung für den „12-Monatszugang“ in Höhe von 96 Euro ins Haus flatterte – für einen Vertrag, den Andreas L. nie wissentlich abgeschlossen hat. Für den Berliner ein klarer Fall von Internetabzocke. Und beileibe nicht der einzige.

Die Verbraucherzentrale Thüringen hat ihre Warnung vor diesem Onlineroutenplaner und einer Reihe anderer Angebote einer einschlägig bekannten Firma aus Eisenach erst Anfang Juli aktualisiert. „Derzeit nehmen Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet zur Firma Webtains einen Gutteil unserer Beratungszeit ein“, sagt Ralf Reichertz, Referatsleiter Recht der Verbraucherzentrale Thüringen. Bei den anderen Internetseiten handelt es sich um www.kochrezepte-sammlung.de, www.songtexte-24.de, www.gedichte-download.de und www.grusskarten-24.de.

Reichertz rät dringend davor ab, auf die Zahlungsforderungen einzugehen. „Die Rechtsprechung sieht in diesen Fällen keine Zahlungspflicht vor“, sagt der Verbraucherschützer. Stattdessen sollte man die Forderungen schriftlich zurückweisen. Die Verbraucherzentrale Thüringen hat dazu zwei Musterbriefe ins Netz gestellt (Forderungen gegenüber Erwachsenen und Forderungen gegenüber Minderjährigen), die man mit den entsprechenden Angaben als Einwurfeinschreiben an die Betreiberfirma schicken sollte. Der Postbote dokumentiert den Einwurf im Briefkasten, das Protokoll der Sendungsverfolgung im Internet lässt sich als Beweis ausdrucken.

„Danach heißt es aushalten, aushalten, aushalten“, sagt Reichertz. Zum Vorgehen der Internetabzocker gehört nicht nur, dass sie die vorgeschriebenen Hinweise auf die Kostenpflichtigkeit des Angebots so verstecken, dass sie möglichst übersehen werden. Später, wenn es ums Bezahlen geht, wird eine massive Drohkulisse aufgebaut. Mit rasch aufeinander folgenden Mahnschreiben und Drohungen mit Inkassounternehmen und negativen Schufaeinträgen sollen die Internetnutzer mürbe gemacht werden, wissen die Experten.

Solange der Internetnutzer nicht den Fehler macht und ein Schuldanerkenntnis abgibt oder sich auf eine Ratenzahlung einlässt – wodurch wiederum die Schuld anerkennt wird – haben die Abzockerfirmen jedoch keine Handhabe, erklärt Reichertz. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Firma Webtains bereits abgemahnt. Das hält die Eisenacher aber nicht davon ab, weitere Rechnungen und Drohungen zu verschicken.

Zu den Abofallen und versteckten Kosten gibt es inzwischen einige Gerichtsurteile, die für die Internetnutzer beruhigend sind. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (AZ: 6 U 187/07) muss der durchschnittliche Internetnutzer bei versteckten Preisangaben nicht damit rechnen, dass eine Kostenpflicht besteht. Auch das Amtsgericht München (AZ: 161 C 23695/06) hat versteckte Preisangaben für unwirksam erklärt. Nach der Preisangabenverordnung müssen ausgewiesene Preise „leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar“ sein. Noch weiter gehen Entscheidungen wie die AG Marburg AZ: 91 C 981/09. Demnach können den Anbietern solcher Kostenfallen sogar die Rechtsanwaltskosten des Opfers auferlegt werden.

Das Wichtigste ist, den Musterbrief zu schreiben, nicht zu zahlen und sich ein dickes Fell zuzulegen. Denn solange die Mahnungen keine Drohungen oder Beleidigungen enthalten, ist es nicht möglich, sie zu unterbinden. Erst wenn ein gerichtlicher Mahnbescheid eintrifft, müssen die Abzockeopfer binnen 14 Tagen handeln und widersprechen – allerdings ohne Begründung, denn das ist Sache der gegnerischen Partei. In der Praxis kommt es gerade bei Summen von 50 bis 100 Euro allen bösen Schreiben und massiven Drohungen zum Trotz nur sehr selten zu einer Gerichtsverhandlung. Denn würde der Internetabzocker einen Prozess verlieren, würde die Drohkulisse wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.

Die Warnung der Verbraucherzentrale Thüringen: www.vzth.de/UNIQ128291344528913/link746481A.html

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