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Wirtschaft: Intershop kämpft ums Überleben

Auftragseinbruch zwingt Jenaer Internet-Firma zur Halbierung der Belegschaft – Pixelpark erwartet 2004 Gewinn

Berlin (mot). Die New Economy verliert ihre letzten Stars: Der Jenaer Softwarehersteller Intershop, einst ostdeutsches Vorzeigeunternehmen am Neuen Markt, kämpft ums Überleben. Am Donnerstag revidierte der Konzern acht Wochen nach der letzten Gewinnwarnung erneut seine Prognose für 2003 und kündigte an, die Hälfte seiner knapp 450 Mitarbeiter zu entlassen. Der Berliner InternetDienstleister Pixelpark erwartet nach einer drastischen Schrumpfkur erst 2004 wieder einen Gewinn. Mit der finanziellen Neuausrichtung und einem Strategiewechsel des Unternehmens werde „ein Schlussstrich unter die Vergangenheit“ gezogen, sagte Pixelpark-Chef Michael Riese am Donnerstag dem Tagesspiegel.

Doch der Optimismus klingt trotzig. Die Perspektiven für die deutschen Softwarefirmen und EDV-Dienstleister bleiben düster. Nach dem Tief Ende 2002 habe sich das Geschäftsklima in der Branche zwar leicht verbessert, berichtete am Donnerstag das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. „Noch beruht die Stimmungsverbesserung aber in erster Linie auf dem Prinzip Hoffnung.“ Nur jedes vierte Unternehmen erwarte im Sommer einen günstigen Geschäftsverlauf.

Bei Intershop kann davon keine Rede sein. „Wir befinden uns in einer echten Krise“, sagte Klaus Gründel, bei Intershop zuständig für Investor Relations, dem Tagesspiegel. Dies betreffe den Markt für E-Business-Software insgesamt, aber auch das Unternehmen selbst. „Unsere Schwäche liegt in unserer Finanzausstattung.“ Das einbrechende Geschäft zehrt an den Geldreserven: Die Liquidität des Konzerns habe sich bis Ende Juni von 16,7 Millionen Euro im März auf 10,5 Millionen Euro verringert. Davon sind allerdings nur gut drei Millionen Euro frei verfügbar. „Der Vorstand ist zuversichtlich, weitere fünf Millionen Euro frei zu bekommen“, sagte Gründel. Dies sei ausreichend zur Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts.

Die desolate Auftragslage und die Investitionszurückhaltung der Unternehmen machen der Jenaer Firma jedoch schwer zu schaffen. Die 1992 gegründete Intershop Communications, einst führender Anbieter von E-Business-Lösungen für Großunternehmen, muss weiter sparen: Bis Ende September soll die Zahl der Mitarbeiter von 445 auf etwa 200 mehr als halbiert werden. Auch vom 2003 geplanten Umsatz bleibt nur noch die Hälfte – maximal 25 Millionen Euro – übrig. Der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen werde sich 2003 wahrscheinlich auf rund 20 Millionen Euro belaufen. Erst Anfang Mai hatte Firmengründer Stephan Schambach das Ziel aufgegeben, 2003 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen, und ein Minus von fünf Millionen Euro vorausgesagt. Die Intershop-Aktie brach am Donnerstag um 16 Prozent auf 1,59 Euro ein.

Pixelpark-Chef Riese hofft, die Sanierung der Internet- und IT-Agentur abgeschlossen zu haben. „Wir werden 2003 noch einmal einen Verlust machen und 2004 die Gewinnschwelle erreichen“, sagte er. 2002 hatte Pixelpark ein Minus von 38,4 Millionen Euro ausgewiesen. „Unser Ziel lautet Profit statt Wachstum“, sagte Riese. Pixelpark werde sich stärker auf sein Kerngeschäft, die Erstellung von Internet-Präsenzen und IT-Diensten, konzentrieren und möglicherweise kleinere Unternehmen dazukaufen. Größere Akquisitionen seien jedoch nicht geplant.

Mit seiner rasanten Expansion während des Internet-Booms hatte sich Pixelpark übernommen. Eine Restrukturierung ließ das Unternehmen dramatisch schrumpfen. Das Auslandsgeschäft wurde aufgegeben. Von ehemals 1200 Mitarbeitern sind 200 in Deutschland übrig geblieben. „Das bleibt unsere Basis“, versichert Riese. Der Medienkonzern Bertelsmann hatte im Dezember 2002 seine Anteile an Pixelpark von 40 auf 20 Prozent halbiert. Neue Großeigentümer wurden die Medienunternehmer Wolf-Dieter Gramatke und Axel Fischer. Pixelpark-Gründer und Vorstandschef Paulus Neef, der Ende 2002 seine Kündigung erhielt und einen internen Machtkampf auslöste, hält noch 17,7 Prozent. „Es herrscht Ruhe im Gesellschafterkreis“, sagte Neef-Nachfolger Riese. Gegen Neef läuft noch eine Schadenersatzklage des aktuellen Vorstands. Hintergrund sind Vorwürfe, Neef habe beim Kauf der ZLU-Gruppe, die dem Vater seiner damaligen Lebensgefährtin gehörte, einen zu hohen Preis gezahlt.

Um die Kapitalstruktur der Größe des Unternehmens anzupassen, soll das Grundkapital halbiert werden. „Wir stellen unsere Kapitalmarktfähigkeit wieder her“, sagte Pixelpark-Finanzvorstand Henning Rönneberg. Pixelpark sei schuldenfrei und verfüge über ausreichend Liquidität. Ende Dezember beliefen sich die Barbestände auf 14, 9 Millionen Euro. Die Aktie gewann am Donnerstag bis Handelsschluss 6,7 Prozent auf 0,8 Euro.

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