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Interview: „Abenteurer haben keine Chance mehr“

Erfinder, Irrtümer und deutsche Tugenden: Ein Gespräch mit Matthias Pranzel, Autor und Automobilkenner.

Herr Penzel, hat das Auto nach 125 Jahren noch eine Zukunft?

Ja, die Freiheit zur individuellen Mobilität wollen und werden die Menschen nicht aufgeben – auch wenn viel davon nur im Kopf stattfindet. Das Auto wird aber seine Form ändern. Es war ja schon in der Frühzeit schwierig festzulegen, wann das Auto ein Auto war. Der Motorwagen, der vor 125 Jahren von Carl Benz angemeldet wurde, war wenige Jahre später nicht wiederzuerkennen. Aus drei Rädern waren vier geworden, sie trugen Luftreifen, der Wagen hatte eine Karosserie und fuhr mit einem Benzinmotor. Das ist bis heute ein Problem

Der Motor?

Alle Ingenieure wissen, dass der Verbrennungsmotor ein Problem hat: Er produziert seine Energie zwar sehr preiswert, diese Energie wird aber nur zu gut 30 Prozent in Bewegung umgesetzt. Es entsteht vor allem Hitze, die verpufft. Strom ist viel effizienter.

Dann wird das falsche Jubiläum gefeiert. Müsste man besser an das erste Elektromobil erinnern, das Werner von Siemens 1882 präsentierte?

Die Geschichte des Autos wird von Autokonzernen geschrieben, mitgeschrieben, umgeschrieben. Das 125-jährige Jubiläum wird vor allem in Baden- Württemberg, bei Daimler gefeiert. Die Amerikaner nehmen ein anderes Datum, 1908, als Ford sein T-Modell auf den Markt brachte. Die Briten und Franzosen haben wieder andere Termine. Wir haben eine deutsche Sicht auf die Geschichte.

Die Sicht der Ingenieure eben.

Genau. Die Frühzeit wurde von Abenteurern, Tüftlern und Erfindern geprägt. Heute haben solche kreativen, ein bisschen wirren Köpfe, kaum noch eine Chance in der Autoindustrie.

Die Entwicklung von Elektroautos bietet ihnen kein neues Betätigungsfeld?

Doch, das ist auch sehr aufregend. Leute, die eigentlich aus der Dotcom-Branche kommen und ihr Geld mit Ebay oder anderen Internetfirmen gemacht haben, investieren in Elektroautos. Zum Beispiel in die sexy Rennwagen von Tesla. Da wird wieder viel gebastelt und entworfen. Für Designer ist dies zum Beispiel eine unheimlich interessante Pionierzeit. Und zugleich wird die Weltkarte der Autoindustrie neu sortiert. Die Chinesen und Koreaner kommen. Bolivien könnte als Lithium-Lieferant im Batteriezeitalter das Saudi-Arabien der Zukunft werden.

Gleichwohl sind deutsche Marken in aller Welt gefragter denn je. Was zeichnet deutsche Autos eigentlich aus?

Die frühen Automobile aus Deutschland waren exklusive, in kleinen Auflagen gefertigte Bankdirektoren-Modelle. Erst der Käfer war etwas für die Masse. Das prägt die deutsche Branche bis heute. Die geniale, technische Idee. Das Arbeiten und Tüfteln an kleinen Verbesserungen. Die Haltbarkeit. Das alles ist auch kein Mythos, sondern Realität. Und es wird weltweit geschätzt. So wie man Menschen schätzt, auf deren Zuverlässigkeit man sich verlassen kann.

Wie viel Irrationalität steckt in der Entscheidung, sehr viel Geld für ein neues Auto auszugeben?

Eine Menge. Trotzdem liebe ich sinnlos schöne Autos, die viel Geld kosten und auf halber Strecke auseinanderfallen. Erklären kann man das nicht.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

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