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Boehmer

© promo

Interview: "Auch 2040 gibt es noch Arbeitslose"

Der Ökonom Michael Böhmer spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Wandel und Fortschritt.

Herr Böhmer, wie genau lässt sich die Zukunft der Wirtschaft vorhersagen?



Punktgenaue Prognosen über Wachstum oder Arbeitslosigkeit sind schon auf kurze Frist schwierig. Vorhersagen kann man aber, welche Folgen globale Megatrends haben – Alterung, technischer Fortschritt, Klimawandel, die Gewichte einzelner Regionen in der Weltwirtschaft.

Wie lange wird uns die Krise noch plagen?

Es wird vermutlich keine jahrelange Stagnation geben. Das Schlimmste liegt hinter uns, jetzt kommt eine verhaltene Erholung. Auf dem Arbeitsmarkt und im Finanzsektor werden die Nachwirkungen gleichwohl bis 2011 zu spüren sein.

Kann Deutschland auch in Zukunft Autos und Maschinen in alle Welt exportieren?

Die Autoindustrie wird in Zukunft eine etwas geringere Rolle spielen. Die Überkapazitäten müssen verschwinden, das wird auch zulasten Deutschlands gehen. Der Außenhandel bleibt gleichwohl eine Stärke der Bundesrepublik. Allerdings ist das kein Selbstläufer, die Konkurrenz wird härter. Nur wer auf die richtigen Produkte und Märkte setzt, wird bestehen.

Wo entstehen neue Stellen?

Der Servicesektor wird immer wichtiger. Vor allem dort, wo es um Dienstleistungen für Unternehmen geht – etwa Beratungsleistungen, Weiterbildung, Reinigung. Daneben steigt wegen der Alterung die Nachfrage nach Medizin- und Gesundheitsdienstleistungen. Hier gibt es die größte Dynamik. Statt als Mechaniker und Ingenieure werden wir als Pfleger und Ärzte arbeiten.

Müssen wir in 20, 30 Jahren nur noch fünf oder sechs Stunden am Tag arbeiten?

Nein, die Arbeitszeit wird nicht geringer sein als heute. Die Verkürzung der vergangenen Jahrzehnte ging ja auch immer auf die Sozialpolitik zurück, nicht auf den technischen Fortschritt. Es gibt keinen Spielraum für noch kürzere Arbeitszeiten – denn in allen Bereichen wird es einen eklatanten Fachkräftemangel geben. Mit Zuwanderung und der Bildung bislang gering Qualifizierter wird es nicht getan sein, deshalb werden wir wieder tendenziell länger arbeiten müssen.

Bleibt Arbeitslosigkeit ein Problem?

Vermutlich schon. Natürlich gibt es eine Entlastung wegen der Demografie. Sie sorgt aber auch für höhere Sozialausgaben, die durch höhere Beiträge finanziert werden müssen – das treibt die Arbeitskosten. Immerhin scheint der Trend gebrochen zu sein, dass mit jeder Rezession die Sockelarbeitslosigkeit zunimmt. Voraussetzung dafür ist, dass der Niedriglohnbereich funktioniert. Wir brauchen dazu ein System, das trotz niedriger Löhne für ein auskömmliches Einkommen sorgt.

Michael Böhmer ist Volkswirt  bei der Prognos AG in Basel und erforscht die längerfristige Entwicklung der Wirtschaft. Mit ihm sprach Carsten Brönstrup.

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