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Machnig

© ddp

Interview: "Den Wettlauf um Standorte sollten wir vermeiden"

Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig über die Zukunft der Opel-Werke und das heutige Treffen auf EU-Ebene in Brüssel.

Herr Machnig, können Sie pokern?

Ja, ich denke schon. Einen Royal Flush erkenne ich.

Das müssen Sie wohl auch können. Der Standort Eisenach ist das kleinste aller Opel-Werke in Europa. Welche Überlebenschancen hat Eisenach?

Ich rate allen Beteiligten, nicht über einzelne Werke und Standorte zu spekulieren, bevor General Motors nicht endlich ein Konzept für Opel vorgelegt hat. Das ist das Wichtigste. Wir müssen dann sehr genau darauf achten, dass Bund und Länder eng zusammen arbeiten und eine gemeinsame Position gegenüber GM aufbauen. Ein Wettbewerb der vier deutschen Opel-Standorte gegeneinander führt nur dazu, dass am Ende alle verlieren.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat für einige Verwirrung gesorgt, weil er frühzeitig erklärt hat, GM brauche und bekomme keine Staatshilfe.

Der Bundeswirtschaftsminister hat nun endlich die Wirtschaftsminister der Opel-Länder für den 30. November nach Berlin eingeladen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Das ist gut und war überfällig.

Was gilt denn nun: Staatshilfe ja oder nein?

Ich gehe davon aus, dass das gilt, was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung gesagt hat: Bund und Länder werden alles tun, um Opel zu helfen. Je näher das GM-Konzept an dem Magna-Konzept liegt, umso wahrscheinlicher werden eine Unterstützung und ein politischer Konsens, den es vor der Bundestagswahl schon einmal gab. Positionswechsel helfen nicht, sie schaden der Sache und schaffen Unklarheit. Sie ermutigen gerade dazu, dass wir in einen Wettbewerb hineingetrieben werden. Das macht nur GM stark, aber nicht die deutsche Politik.

Die streitet auf Länderebene inzwischen munter darüber, ob man GM helfen soll oder nicht. Hessen ist dagegen, Thüringen dafür, in NRW wird demnächst gewählt…

Die Ministerpräsidenten von Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind alle der Meinung, dass Opel geholfen werden sollte, wenn das Konzept von GM überzeugt. Innerhalb der Landesregierungen mag es durchaus unterschiedliche Meinungen geben. Die Einigkeit der Ministerpräsidenten muss nun auch mit dem Bund hergestellt werden.

Am heutigen Montag treffen sich die nationalen Wirtschaftsminister der EU bei der Kommission in Brüssel mit Nick Reilly, dem neuen Europachef von GM. Was versprechen Sie sich von dem Treffen?

Es kann nur ein weiterer Zwischenschritt sein, denn die EU-Kommission und die Opel-Länder kennen das Zukunftskonzept von GM auch noch nicht. Eines ist wichtig: Auch in Europa darf jetzt kein Überbietungswettlauf organisiert werden. Wir brauchen eine tragfähige Lösung für GM in Europa und in Deutschland. Dabei muss die Leistungsfähigkeit der einzelnen Werke ausschlaggebend sein.

Wieviel leistungsfähiger als andere Werke ist denn Eisenach?

Das Werk hat über Jahre als Benchmark für andere GM-Werke gedient und ist ein Beispiel für Produktivität. Nicht vergessen sollte man auch, dass Eisenach ein Leuchtturm im deutsch-deutschen Einigungsprozess war. Das Werk ist ein Symbol für die ökonomische Wende, die es hier gegeben hat und hat deshalb auch eine psychologische Bedeutung. Es gibt aber ein Standortproblem: Durch die GM-Logistik ist Opel gezwungen, Teile, die eigentlich in Thüringen produziert werden könnten, aus dem GM-Verbund übernehmen zu müssen. Das vermindert – trotz der effizienten Produktionsabläufe – die Rentabilität deutlich. Hier müssen wir zu anderen Lösungen kommen. Es gibt aber eine gute Chance, dass Eisenach ein Produktionsstandort für GM und Opel bleibt.

Und wenn nicht?

Opel hat für die Thüringer Wirtschaft und für die traditionsreiche Automobilindustrie in der Region eine überragende Bedeutung. 1700 Arbeitsplätze hängen direkt vom Werk ab, ungefähr genauso viele kommen bei den Zulieferern hinzu, weitere im Einzelhandel und anderen Branchen.

Ist das Werk voll ausgelastet?

Nein. Die Auslastung liegt aktuell bei etwa 75 Prozent.

GM will an dem Werk im spanischen Saragossa, wo der Kleinwagen Corsa hergestellt wird, auf lange Sicht festhalten. Der Corsa wird auch in Eisenach produziert. Kleinwagen kann GM preiswert in Korea bei Daewoo bauen. Das sind keine besonders guten Aussichten für Eisenach.

Genau diesen Wettlauf um Standorte sollten wir vermeiden. Klar ist, wenn GM in Deutschland öffentliche Hilfe in Anspruch nehmen will, dann müssen klare Ziele vereinbart werden: Standort- und Beschäftigungssicherheit, eine mittelfristige Perspektive für Opel insgesamt, mehr Autonomie für das Opel-Management.

GM will mit innovativen Autos wie dem elektrischen Opel Ampera neue Kunden gewinnen. Kann Eisenach davon profitieren?

GM muss auf Produktinnovationen setzen, eine davon ist das Elektroauto. 2012 soll es als Opel Ampera auf den Markt kommen. Ich hoffe, dass Eisenach eingebunden wird in ein Kompetenzzentrum für Elektromobilität bei Opel, wo Zukunftskonzepte für veränderte Märkte erarbeitet werden.

Auf dem Automarkt gibt es weltweit riesige Überkapazitäten. Wäre es nicht ehrlicher, den Leuten zu sagen, dass es zu viele Autofabriken gibt, auch in Deutschland?

Es gibt nur eine Antwort auf diese Überkapazitäten: Produktinnovationen. Die Automärkte wandeln sich radikal, es werden in Zukunft hocheffiziente Fahrzeuge gebraucht. Die größten Überkapazitäten hat im übrigen GM selbst. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit bei Opel das Management und die Produktpolitik ständig ausgewechselt wurden. Es gab keine klare Linie. Wir brauchen künftig mehr Kontinuität und Klarheit, dann kann Opel auf den Märkten bestehen. Die Debatte schadet dem Absatz.

Werden nicht mit deutschen Steuersubventionen Arbeitsplätze erhalten, die an anderen Standorten gestrichen werden müssen?

Ich glaube, dass alle deutschen Opel- Standorte eine gute Chance haben. Sie können sich im Wettbewerb behaupten. Deshalb gibt es für Bund und Länder eigentlich keine Alternative, sich für den Erhalt dieser Innovationszentren einzusetzen.

Kann der drohende Verlust deutscher Arbeitsplätze der einzige Grund für ein öffentliches Engagement sein?

Wir haben im Bund und in den Ländern eine Verantwortung für die Standorte. Und wir müssen gegenüber den Parlamenten begründen, wofür wir mögliche Steuergelder einsetzen.

Aber die EU-Kommission hat klar gemacht, dass eine Bevorzugung inländischer Opel-Standorte gegen europäisches Recht verstößt.

Wenn das Zukunftskonzept von GM überzeugend ist und nachvollziehbare Ziele hat, sehe ich keine wettbewerbsrechtlichen Probleme, wenn wir Opel helfen.

GM verfügt nach eigenen Angaben in Europa über Liquidität von zwei Milliarden Euro. Braucht der Konzern überhaupt Hilfe?

Ich höre jeden Tag andere Zahlen. Das würde ich gerne schwarz auf weiß sehen. GM schreibt nach wie vor rote Zahlen, rund 800 Millionen Euro, und hat den Trend zu effizienten, kompakten Fahrzeugen verschlafen. Es geht jetzt darum, eine konsistente Strategie zu finden, umzusetzen und wenn nötig, zu unterstützen.

3,3 Milliarden Euro soll die Sanierung von Opel kosten, zwei Milliarden will GM selbst aufbringen. Wird Opel in der GM- Regie für den Steuerzahler billiger als unter der Führung von Magna?

Es wabern viele Zahlen und Annahmen, falsche oder richtige. Die Ratingagentur Moody’s zum Beispiel rechnet mit Sanierungskosten von sieben Milliarden Euro. Ich weiß es nicht, niemand weiß es. Wir brauchen endlich Klarheit von GM.

Sie sind erst seit einigen Wochen Wirtschaftsminister in Thüringen. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Thüringen hat eine innovative, mittelständisch geprägte Wirtschaft. Aber das Land hat auch ein demographisches Problem. 400 000 Menschen haben Thüringen in den vergangenen Jahren verlassen, es gibt 130 000 Pendler. Das heißt, wir müssen den Lebens- und Qualifizierungsstandort Thüringen verbessern, damit die Leute bleiben oder nach Thüringen kommen. Dazu brauchen wir attraktivere Lebensverhältnisse und auch eine veränderte Lohnpolitik. Die Niedriglohnstrategie der letzten Jahre war nicht gut für den Wirtschaftsstandort Thüringen.

Wen sähen Sie gerne als Opel-Chef?

Da mische ich mich nicht ein. Jeder Name, den man jetzt nennt, wird es mit Sicherheit nicht.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

Zur Person

DER MINISTER Matthias Machnig (49) ist seit drei Wochen Wirtschaftsminister in der schwarz-roten Landesregierung von Thüringen. Zuvor war der SPD-Politiker, der Soziologie, Geschichte und Anglistik studiert hat, bei Sigmar Gabriel Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Berlin.

DER MANAGER
Einen Namen machte sich Machnig als Wahlkampfmanager. 1998 und 2002 koordinierte er mit Erfolg den Bundestagswahlkampf der SPD. Von 1999 bis 2002 war er Bundesgeschäftsführer der Partei. Anschließend zog er sich vorübergehend aus der Politik zurück und war bis 2005 Unternehmensberater, unter anderem bei Booz Allen Hamilton. Tsp

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