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Thomas Richter

© Kitty Kleist-Heinrich

Interview: "Die Finanztransaktionssteuer zahlen die privaten Anleger"

Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI, über die Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf die privaten Anlagen, Riester- und Immobilien-Fonds.

In der EU wird darüber diskutiert, den Kauf und Verkauf von Finanzprodukten zu besteuern. Wie sehr würde eine solche Finanztransaktionssteuer den durchschnittlichen Fondsanleger belasten?

Die Steuer trifft jeden einzelnen Fonds und damit die Fondsanleger direkt. Da müssen die Finanzinstitute noch nicht einmal etwas weiterreichen. Die Anleger sind zu einem großen Teil Privatleute. Deshalb ist die Steuer verbraucherfeindlich.

Und: wie wirkt sich das aus?

Eine Fondsgesellschaft hat eine Musterrechnung anhand eines repräsentativen Fonds aufgestellt: Ein Anleger, der 40 Jahre lang jeden Monat 100 Euro in einen Aktienfonds einzahlt, bekommt wenn der Fonds jedes Jahr fünf Prozent im Wert steigt, am Ende statt 148 000 Euro nur 134 000 Euro ausgezahlt. Die Differenz wird von der Steuer aufgefressen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Finanzindustrie die Steuer zahlt. Hauptbetroffene werden Privatpersonen und Unternehmen sein.

Vor allem diejenigen, die Anteile an Aktienfonds haben?

Nein, es sollen ja auch Anleihen besteuert werden, das würde die Rentenfonds treffen. Oder nehmen Sie die Geldmarktfonds. Die sind gesetzlich dazu verpflichtet, das Geld in sehr kurzfristige Finanzinstrumente zu investieren. Das heißt, die Fonds müssen ständig umschichten, weil die Papiere auslaufen. Und sie müssten ständig Steuern bezahlen. Bei einem Sparbuch oder bei einem Festgeld fallen solche Steuern nicht an. Das ist Wettbewerbsverzerrung.

Werden auch Riester-Fonds besteuert?

Für die staatlich geförderte Altersvorsorge muss es Ausnahmen geben. Die Politik will die Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf die Altersversorgung bewerten und negative Folgen vermeiden. Das ist gut so. Denn es kann doch nicht sein, dass der Staat mit viel Geld über Zulagen oder den Sonderausgabenabzug bei der Steuer das Riester-Sparen subventioniert und dann gleichzeitig die Altersvorsorge besteuert. Und es darf nicht zu Kaskadeneffekten und Doppelbesteuerungen kommen.

Was meinen Sie?

Sie kaufen einen Fondsanteil, das unterliegt der Steuer. Innerhalb des Fonds werden Transaktionen noch einmal besteuert. Sie geben den Fondsanteil zurück und zahlen wieder Steuern. Und wenn Sie einen Dachfonds haben, kommen noch mehr Steuern hinzu.

Mit welchen Verlusten müssen die Anleger dieser Fonds rechnen?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will eine Koalition der Willigen schmieden - Länder, die die Steuer vor allen anderen einführen. Darunter soll auch Deutschland sein. Werden deutsche Fonds dann nach Luxemburg abwandern?

Das kann schon sein. Luxemburg wird die neue Steuer nämlich bestimmt nicht einführen. Wenn ausländische Fonds nicht besteuert werden, deutsche aber schon, dann ist das eine Benachteiligung der deutschen Fonds und eine Schwächung des Standorts Deutschland.

Wie viel Geld steckt derzeit in deutschen Investmentfonds?

Über 1,8 Billionen Euro, davon 700 Milliarden Euro in Publikumsfonds, die überwiegend von Privatanlegern gekauft werden. Davon sind 320 Milliarden Euro in deutschen und der Rest in ausländischen, vor allem luxemburgischen Fonds.

Wirkt sich die Euro-Krise auf die Geldanlage Ihrer Kunden aus?

Ja, wir hatten zwei Jahre, in denen es unter dem Strich Abflüsse aus Publikumsfonds gab – 2008 nach der Pleite von Lehman und 2011. Letztes Jahr haben Privatanleger fast 17 Milliarden Euro abgezogen, weil sie das Vertrauen in die Finanzmärkte verloren haben. Dafür haben aber institutionelle Anleger über 45 Milliarden Euro zusätzlich in Investmentfonds investiert.

Viele Fondsanleger haben auch das Vertrauen in Immobilienfonds verloren. Die Fonds galten als sichere Geldanlage, jetzt werden zwei der Großen, der SEB Immoinvest und der CS Euroreal, abgewickelt. Wie viele Immofonds wird es noch erwischen?

Wir sind jetzt aus dem Gröbsten raus. Zumal die Anleger wieder Vertrauen fassen und das Produkt nachfragen. Sie haben im laufenden Jahr per saldo für rund 1,5 Milliarden Euro offene Immobilienfonds gekauft. Die neuen gesetzlichen Vorgaben sehen Kündigungsfristen vor. Das ist ein deutlicher Fortschritt, denn damit werden die institutionellen Anleger aus den Fonds rausgehalten. Das ist gut. Das Problem der Fonds, die eingefroren werden mussten, war ja, dass Großanleger sehr schnell sehr viel Geld abzogen, das hatte die Fonds überfordert.

Mit welchen Verlusten müssen die Anleger dieser Fonds rechnen?

Das lässt sich nicht voraussagen. Die Wertentwicklung hängt davon ab, wie sich der Immobilienmarkt entwickelt. Die genannten Fonds haben fünf Jahre Zeit, ihre Immobilien zu veräußern. Sie müssen also nicht übereilt und zu jedem Preis verkaufen.

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