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Wall

© Doris Spiekermann-Klaas

Interview: „Ein Bonbon für Berlin“

Daniel Wall, Chef des Außenwerbers Wall AG, über digitale Werbung im Bahnhof Friedrichstraße, Wachstum in der Türkei und die guten Aussichten für 2009.

Herr Wall, Sie haben 2009 als das „Jahr des Vertriebs“ ausgerufen. Haben Sie zuletzt den Verkauf vernachlässigt?



Der Vertrieb steht natürlich immer bei uns im Fokus. Aber in diesem Jahr müssen wir uns besonders anstrengen. Es geht um eine optimale Vermarktung unserer Flächen und weniger um Expansionen und Akquisitionen wie in den vergangenen Jahren.

Wall wächst nicht mehr?


Wir haben im letzten Jahr mit Münster und der türkischen Stadt Konya zwei neue Städte gewonnen. Damit hängen Investitionen in neue Produkte in Höhe von zwölf Millionen in Münster und rund acht Millionen in der Türkei zusammen. Die neuen Projekte lasten uns also ganz gut aus. Die Expansion werden wir in der kommenden Zeit konsolidieren und dann geht es weiter.

Haben Sie genügend Geld?


Natürlich, meine Wachstumsentscheidungen basieren auf verlässlichen Kalkulationen.

Keine Kreditklemme?

Die Finanzkrise spüren wir auch, die Banken sind sehr vorsichtig. Derzeit muss man um jeden Euro kämpfen. Vermutlich hängt das auch damit zusammen, dass vielerorts Horrorszenarien an die Wand gemalt und damit die Banken noch zurückhaltender werden.

Mit welchen Folgen für Ihr Geschäft?

Wir haben viele Chancen und Projekte im Auge und werden jetzt durch die Finanzkrise etwas ausgebremst. Im Verlauf des Jahres, nach weiteren Senkungen der Leitzinsen, wird sich das hoffentlich wieder ändern. Fremdkapital muss zu vernünftigen Konditionen zu bekommen sein.

Der Zentralverband der Werbewirtschaft erwartet für dieses Jahr bestenfalls eine Stagnation, teilen Sie die Einschätzung?

Wir sind hoffentlich eine Ausnahme, denn Onlinemarketing und Außenwerbung sind die Bereiche, die auf einem stagnierenden Werbemarkt noch wachsen. Wir haben ja in unserem Geschäft kein verändertes Nutzungsverhalten, wie zum Beispiel andere Medien, deren Nutzer ins Internet abwandern. Unsere Rezipienten sind die urbanen Menschen in den Städten, und von denen gibt es immer mehr.

Und die können vor der Wall-Werbung nicht fliehen.


Die wollen auch nicht fliehen. Sie sind mobil und nehmen auf den täglichen Wegen zur Arbeit, ins Restaurant, Kino oder Theater die Außenwerbung wahr – bewusst und unbewusst. Gegenüber anderen Werbemedien genießt Außenwerbung die höchsten Akzeptanzwerte.

Dann sind Sie auch für das Krisenjahr 2009 optimistisch?

Dieses Jahr kann niemand wirklich voraussagen. Es gibt große Unsicherheiten, aber wir glauben, dass für uns 2009 nicht schlechter wird als 2008. Das merken wir jetzt auch schon, einen Rieseneinbruch gibt es nicht.

Wie war denn 2008?


Das war schon ein schwieriges Jahr, und wir haben einen leichten Umsatzrückgang zu verkraften.

2007 hatte der Umsatz 152 Millionen Euro betragen und das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreiben gut 32 Millionen. Ist der Gewinn 2008 auch gesunken?

Beide Kennziffern waren zum ersten Mal leicht rückläufig. Aber das hält sich in Grenzen. Im Übrigen auch deshalb, weil wir in der Türkei stark gewachsen sind. Die schwierige Situation in Deutschland konnten wir also dort fast ausgleichen.

Mit welchen Maßnahmen stellen Sie sich denn auf die Situation in Deutschland ein?

Verkauf und Marketing werden künftig wieder von mir verantwortet und mit weiteren Personalentscheidungen haben wir den Vertriebsbereich wesentlich gestärkt. Bereits im vergangenen Jahr haben wir Kosten reduziert, indem wir alle Tätigkeiten auf den Prüfstand gestellt und uns auf die Kernaufgaben konzentriert haben.

Was haben Sie genau gemacht?

Zum Beispiel ein Barcode-System für die Reinigungsabläufe eingeführt. Die Plakatierung der Werbeflächen sowie ihre Reinigung und technische Wartung wird in Einzelschritten über Barcode-Lesegeräte erfasst. Die Ergebnisse fließen in unserer Leitstelle zusammen, die entsprechend der zentralen Steuerung die Touren der Service-Mitarbeiter plant. Wir sind also effizienter geworden, ohne Arbeitskräfte einzusparen. Im Gegenteil.

Wie groß ist die Belegschaft?

Inzwischen beschäftigen wir mehr als 700 Mitarbeiter, gut 50 mehr als vor einem Jahr. Und in diesem Jahr wachsen wir weiter, da wir natürlich Mitarbeiter für Konya und Münster benötigen. Konya hat eine Million Einwohner, dahinter können Werbeumsätze bis zu fünf oder sechs Millionen Euro im Jahr stehen, in Münster bis zu vier Millionen Euro. Über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren sind das also große Projekte mit entsprechendem Aufwand.

Woher kommt die Stärke in der Türkei?

Wir haben dort seit 1996 eine eigene Tochter und präsentieren unsere Produkte inzwischen in 52 Städten. Vergangene Woche war ich zu Gesprächen über weitere Unternehmensengagements in Ankara, im Februar eröffnen wir eine neue Niederlassung in Istanbul. Mit einem Anteil von rund 20 Prozent ist die Türkei unser zweitgrößter Markt.

Was passiert denn in diesem Jahr auf dem Heimatmarkt, also in Deutschland und vor allem Berlin?

In Berlin werden wir bis Mitte des Jahres die Werbung auf dem Bahnhof Friedrichstraße völlig umstellen. Digital Signage ist das Schlagwort: Alle Plakatwände werden durch digitale Screens ersetzt. Das wird also der erste Bahnhof, auf dem es keine Plakate mehr gibt, nur noch vollelektronische Werbung beziehungsweise ein Content-Mix: Werbung, Information und Unterhaltung. Dieses Engagement ist ein Bonbon und ein Bekenntnis für die Hauptstadt. Und dann haben wir uns gerade mit 25,1 Prozent an einem Fahrradverleiher in Leipzig beteiligt, der nextbike GmbH.

Wozu das?

Leihfahrräder werden in den Städten immer stärker nachgefragt. Gerade europäische Städte wünschen nachhaltige Verkehrslösungen, und wir können das in Ausschreibungen zusätzlich anbieten.

Welche Ausschreibungen laufen derzeit mit Ihrer Beteiligung?

Die Verfahren in Bielefeld, München und Stuttgart sind am Laufen, Bremen und Frankfurt am Main kommen in absehbarer Zeit dazu. In diesem Jahr rechne ich mit einer Entscheidung in Bielefeld und Stuttgart.

Wie sind denn die Chancen für den Bau der Infobox am Schlossplatz, der so genannten Humboldt-Box?


Ende der vergangenen Woche endete die Abgabefrist für die Ausschreibung, an der wir uns beteiligen. Aber vor einem Jahr war die Perspektive für ein derartiges Projekt sicher noch besser als jetzt. Im Moment ist niemand bereit, für solche Einzelprojekte ein großes Investitionsrisiko einzugehen, zumal noch nicht klar ist, wo und in welcher Größe die Werbeflächen zur Refinanzierung angebracht werden dürfen.

Haben sich eigentlich Ihre Stationen mit Tüten für Hundekot in einigen Berliner Bezirken bewährt?


Auf jeden Fall. Diesen Dog Service wollen wir weiter ausbauen. Bislang haben wir gut 50 Stationen in Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg aufgestellt. Mit weiteren Bezirken sind wir im Gespräch. Wenn dieses System insgesamt erfolgreich ist, wollen wir dem Senat in Kooperation mit den Berliner Stadtreinigungsbetrieben ein flächendeckendes Angebot machen. Also was Projekte und Aufträge anbelangt, gehen wir guter Dinge in dieses Jahr. Ich erwarte ein leichtes Plus gegenüber 2008.


DER CHEF

Daniel Wall (42), lernt nach dem Fachabitur im Unternehmens seines Vaters Hans Industriekaufmann. Anschließend arbeitet er in diversen Bereichen der Firma, unter anderem betreut er den Aufbau des Werks in Velten. 1999 steigt er zum Vorstand für Marketing und Vertrieb auf, 2007 übernimmt er den Chefposten. Vater Hans wechselt in den Aufsichtsrat.

DIE FIRMA

1976 gründet Hans Wall in Ettlingen den gleichnamigen Außenwerber. Heute kommt das Unternehmen mit mehr als 700 Mitarbeitern auf rund 150 Millionen Umsatz und einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 30 Millionen Euro. Die so genannten Stadtmöbel werden im brandenburgischen Velten hergestellt.

Interview von Alfons Frese

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