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Interview: „Man überwindet die Barrieren“

Der 52-jährige Kemal Sahin ist Textilfabrikant und Gründer der Sahinler Group bei Aachen. Weltweit beschäftigt die Gruppe 12.500 Mitarbeiter.

Herr Sahin, was ist der größte Unterschied zwischen einem türkischen und einem deutschen Unternehmer?

Die größten Unterschiede gibt es in Bezug auf die Mentalität. Türkische Unternehmer nehmen vieles nicht so genau. Das macht sie flexibler. Oft sind sie kreativer und kontaktfreudiger als deutsche Unternehmer. Die Deutschen zeichnen sich wiederum durch ihre Disziplin aus. Die erfolgreichsten türkischen Geschäftsmänner sind die, die diese beiden Kulturen beherrschen, sich also perfekt anpassen.

Schaut man sich die klassischen türkischen Händler an, hat man jedoch den Eindruck, dass sie wenig Kontakt zur deutschen Kultur haben und unter sich bleiben.

Es gibt Unternehmen, die in sogenannten ethnischen Geschäftszweigen tätig sind. Das sind etwa Vertriebe von türkischer Musik, die an türkische Musikläden verkaufen. Aber das sind die wenigsten. Die meisten Türken arbeiten sehr eng mit Türken und Deutschen zusammen.

Sind solche ethnischen Branchen nicht Beispiele für eine türkische Parallelwirtschaft?

Bestimmt nicht. Selbst ein Dönerhersteller kauft seine Geräte bei Deutschen. Und auch ein türkischer Obstverkäufer braucht deutsche Kunden. Sonst kann sein Geschäft doch nicht gut laufen. In der Wirtschaft ist die Zusammenarbeit sehr eng. Die üblichen Probleme der Integration gibt es hier nicht.

Wie kommt das?

In der Wirtschaft arbeitet man unabhängig von der Religion, der Muttersprache oder dem kulturellen Hintergrund. Es geht darum, gute Geschäfte zu machen. Dabei überwindet man übliche Barrieren.

Was hat sich geändert seit dem Anfang der 80er Jahre, als Sie starteten?

Damals hatten es Türken extrem schwer. Es gab viele Vorurteile gegenüber türkischen Selbstständigen. Die Behörden glaubten nicht, dass Türken erfolgreiche Geschäftsleute sein können. Auch bei der deutschen Bevölkerung waren die Vorurteile ausgeprägt – es war schwer, deutsches Fachpersonal für sich zu gewinnen. Das hat sich inzwischen gelegt. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden und der Bevölkerung ist sehr viel besser geworden.

Was muss sich noch ändern, um die Beziehungen zu vertiefen?

Es gibt auf beiden Seiten nach wie vor Vorurteile, die abgebaut werden müssten. Das könnte man auch durch eine stärkere Zusammenarbeit über die Wirtschaftsverbände hinbekommen. Diese haben viele Beratungsangebote, die viele Türken nicht kennen. Sie müssten sie aber auch publik machen. Wenn sich da nichts ändert, lassen sowohl türkische als auch deutsche Unternehmen viel Potenzial ungenutzt.

Mit dem Unternehmer sprach

Yasmin El-Sharif

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