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Wirtschaftsförderung Berlin und Brandenburg

© Mike Wolff

Interview mit den Wirtschaftsförderern Berlins und Brandenburgs: „Unsere Mitarbeiter agieren wie die Trüffelschweine“

René Gurka und Detlef Stronk im Gespräch: Die Chefs der Wirtschaftsfördergesellschaften von Berlin und Brandenburg wollen gemeinsam erfolgreich sein.

Herr Stronk, Herr Gurka, wie läuft das Geschäft? Erreichen Sie beide das versprochene Rekordjahr bei Ansiedlungen und Arbeitsplätzen?

STRONK: Brandenburg wird zunehmend als Chancenregion wahrgenommen und nicht mehr als Problemregion. Das Ansiedlungsinteresse ist groß, aber auch die Investitionstätigkeit der heimischen Wirtschaft. Wir haben ein Industriewachstum von 13 Prozent und ein Exportwachstum von 28 Prozent. Wichtiger als diese Zahlen ist aber die Imageveränderung. Man erkennt inzwischen unsere Vorteile: gute Kostenstruktur, qualifizierte Mitarbeiter und hohe Produktivität. Möglicherweise legen wir in diesem Jahr das beste Ergebnis unserer Geschichte vor.

Dann müssen Sie mehr als 3568 zusätzliche Arbeitsplätze erreichen, das ist die Zahl des vergangenen Jahres.

STRONK: Bisher sind wir bei über 2000, und die Erfahrung zeigt, dass im letzten Vierteljahr noch viele Projekte kommen. Es sieht sehr gut aus.

Bei Ihnen auch, Herr Gurka? Im letzten Jahre waren es rund 4800 neue Arbeitsplätze in Berlin.

GURKA: Bei uns läuft es auch gut. Berlin hat international einen ausgezeichneten Ruf. Im Prinzip profitieren wir beide von der Konjunktur, insbesondere was Erweiterungsinvestitionen betrifft. Aber wir haben beide auch Erfolge bei Neuansiedlungen zum Beispiel in den Bereichen Solar und Medien erreicht.

Versucht da nicht der eine, dem anderen eine Ansiedlung abzujagen?

GURKA: Nein, wir kooperieren. Das Solarprojekt Inventux, das Berlin mindestens 120 Arbeitsplätze bringt, haben wir gemeinsam in die Region geholt, aber genauso auch den Gesundheitsdienstleister Healthways, der mit ebenso vielen Jobs nach Hennigsdorf bei Berlin kommt.

STRONK: Bei uns haben die Ansiedlungen in der Solarindustrie den Imagewandel bewirkt. Es begann mit First Solar in Frankfurt (Oder), es folgten Johanna Solar in der Stadt Brandenburg und schließlich Conergy in Frankfurt, in der ehemaligen Chipfabrik. Und unser Erfolg springt natürlich auch auf Berlin über. Deshalb freut mich auch für den Kollegen Gurka, dass er seinerseits so erfolgreich ist mit der Ansiedlung von Solarfirmen.

GURKA: Despatch, ein großes amerikanisches Unternehmen, Zulieferer der Solarindustrie, kommt mit dem Vertriebsbüro für Europa nach Berlin. Von hier aus erreicht es 70 Prozent seiner Kunden in Deutschland binnen zwei Stunden. Auch daran sieht man, wie Berlin und Brandenburg voneinander profitieren.

Und trotzdem macht jeder seins.

STRONK: In der Vergangenheit sind wir nebeneinander gelaufen. Dabei haben wir uns zwar fair behandelt, aber eben nicht die Kräfte gebündelt. Zum Beispiel beim Wettbewerb um das BMW-Werk: Berlin hat sich beworben und Brandenburg auch. Das hat uns geschadet. Mit einem gemeinsamen Angebot hätten wir eine Chance gegen Leipzig gehabt.

Wie läuft derzeit die Zusammenarbeit?

STRONK: Wir haben inzwischen sieben gemeinsame Ansiedlungsteams, diese Art der Zusammenarbeit ist einzigartig in Deutschland. Dadurch ändert sich auch das Denken der Mitarbeiter.

GURKA: Es geht schon lange nicht mehr darum, ob Brandenburg oder wir eine Ansiedlung bekommen. Es geht um die Region insgesamt. Aktuell beschäftigen wir uns mit der Aufstellung gemeinsamer Teams und der paritätischen Finanzierung dieser Teams. Im Vordergrund steht derzeit das gemeinsame Team, das sich um Ansiedlungen rund um den Flughafen kümmern wird.

Sie beide haben jeweils sechs Millionen Euro im Jahr an Steuermitteln zur Verfügung. Wenn beide Fördergesellschaften fusionierten, könnten Steuermittel gespart und die Zusammenarbeit effizienter werden.

STRONK: Ich bin ja seit vielen Jahren ein Verfechter der Fusion sowohl der Wirtschaftsfördergesellschaften als auch der Länder. In absehbarer Zeit kommt aber die Länderfusion nicht. Was die Zusammenführung von Gesellschaften oder von Teilen anbelangt, wird ja gegenwärtig beraten. Das Thema ist nicht vom Tisch.

GURKA: Ich konzentriere mich auf die gemeinsame Entwicklung der Region. Die Fördergesellschaften haben unterschiedliche Strukturen. Die ZAB ist näher an der Verwaltung, wir sind näher an der Wirtschaft. Die ZAB hat den Bereich Technologietransfer bereits integriert, wir nicht. Und schließlich macht der Kollege Stronk Bestandspflege, wir nicht.

Wäre es nicht sinnvoll, die Technologiestiftung bei den Berlin Partnern zu integrieren?

GURKA: Es steht außer Frage, dass das für unsere Arbeit wichtig ist. Wir arbeiten bereits eng mit der Technologiestiftung zusammen, haben aber keine direkte, institutionelle Verbindung. Dabei gibt es hier natürliche Überschneidungen. Denn unsere Mitarbeiter, die in der Welt unterwegs sind, agieren wie die Trüffelschweine, können technologische Trends im Markt sehr früh erkennen. Deshalb wäre eine stärkere Verzahnung mit der Technologiestiftung sehr sinnvoll.

STRONK: Wir sind besser dran, weil wir Ansiedlung machen, Innovationsförderung, Bestandspflege, Existenzgründung, Außenwirtschaftsförderung, Energieberatung und Standortmarketing. Bei Berlin Partner gibt es nur drei von diesen Funktionen. Die Synergieeffekte zwischen Ansiedlungen und Technologiepolitik haben uns stärker gemacht, weil man Spezialisten in den Märkten braucht. Es geht eben auch zunehmend um technologisch anspruchsvolle Projekte bei der Ansiedlung.

GURKA: Unsere Arbeit verändert sich. Wir müssen uns als Wirtschaftsförderung anschauen, in welchem Lebenszyklus sich ein Unternehmen und eine Technologie befinden. Dann kommen wir und sagen: „Wir haben dieses und jenes, was dich bei deiner nächsten Entwicklungsstufe unterstützt.“

Wollen Sie Marktforschung machen?

GURKA: Wenn ein Unternehmen, das eine bestimmte Stufe erreicht hat, von uns rechtzeitig informiert wird – zum Beispiel über Forschungsressourcen in Berlin, die für die Firma wichtig sind –, dann kommen wir als Standort in Betracht.

STRONK: Das Know-how der Technologiestiftung und das ihrer Töchter könnten uns Impulse geben für unsere Arbeit als Trüffelschweine. Deshalb begrüße ich es, wenn es in Berlin solche Pläne gibt.

Wie oft stimmen Sie beide sich ab?

GURKA: Mehrmals die Woche. Vor kurzem erst haben wir die Basis für unser gemeinsames Flughafenteam „Take off“ gelegt und die Jahresplanung für die übrigen Teams gemacht.

Wann startet das Flughafenteam?

STRONK: Das Team wird in Schönefeld sitzen und ist jetzt erst mal mit vier Mitarbeitern ausgestattet. Dazu werden Assistenten eingestellt und ein Gutachten für eine Marketing- und Akquisitionsstrategie in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten wird dann 2008 umgesetzt.

Gibt es bereits Anfragen?

STRONK: Ja, und es gibt bereits die ersten Ansiedlungsentscheidungen. In Brandenburg haben wir 25 und in Berlin 17 Standorte für Ansiedlungen definiert. In Brandenburg sind bislang 200 Hektar entscheidungsreif. Und laufend werden weitere Flächen planungsrechtlich vorbereitet. Insgesamt, also mit Berlin, kommen wir auf rund 1000 Hektar. Damit bis 2012 wie erwartet 40 000 Arbeitsplätze entstehen können, brauchen wir die entsprechenden Flächen.

GURKA: Für die kommenden Jahre ist das ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit. Das Take-off-Team werden wir deshalb bei Bedarf deutlich erweitern.

Was steht neben dem Flughafen im Mittelpunkt des kommenden Jahres?

GURKA: Wir müssen uns mehr über Image und Marketing definieren. Da haben wir mit dem Projekt „City of Change“ eine Großkampagne vor uns, mit der wir auch nach innen wirken werden. Wir wollen den Berlinern mehr Stolz auf ihre Stadt und Mut einhauchen.

STRONK: Bei uns greift der Imagewandel, und wir freuen uns vor allem auch über das große Interesse an der Oder/Neiße-Region. Das ist völlig neu. Die Nähe zu Polen wird zu einem Standortvorteil und entsprechend von uns vermarktet. Jetzt profitieren wir von der Osterweiterung der EU.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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