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Munich Re-Chef Nikolaus von Bomhard leitet seit über 13 Jahren den weltgrößten Rückversicherer.

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Interview mit Munich Re-Chef Nikolaus von Bomhard: "Ich würde meinen Bonus nicht behalten"

Der Chef des Dax-Konzerns über Geld, Moral, Trump, die Probleme bei der Tochter Ergo und den Wunsch der Versicherer, Autobahnen zu betreiben.

Nikolaus von Bomhard (60) leitet seit Januar 2004 den weltgrößten Rückversicherer Munich Re, einst Münchener Rück. Bomhard gilt als sehr besonnener Unternehmenslenker. Im Ton stets freundlich, scheut er aber in der Sache Kontroversen nicht. So hatte Bomhard auf dem Höhepunkt der Finanzkrise die Zerschlagung der Großbanken gefordert. Sein Unternehmen, die Munich Re, steht gut da. Sie versichert große Risiken, etwa Gefahren durch Naturkatastrophen, und engagiert sich daher seit langem im Bereich der Klimaforschung. Bomhard wird das Unternehmen altersbedingt im nächsten Frühling verlassen. Man spekuliert, dass er nach einer zweijährigen Abkühlungsphase in den Aufsichtsrat einziehen wird, möglicherweise sogar als Vorsitzender des Gremiums.

Herr von Bomhard, viele rechnen damit, dass die US-Notenbank Fed im Dezember die Zinsen erhöht. Was ist schlimmer für die Welt: Niedrige Zinsen oder steigende Zinsen?

Das hängt von der Perspektive ab. Für einen Staat, der hohe Schulden hat, ist ein Zinsanstieg schlecht. Für die Versicherer wäre es dagegen gut, wenn die Zinsen endlich anziehen. Der jetzige Zustand ist jedenfalls in hohem Maße ungesund, weil sich auf den Anleihemärkten bereits Blasen bilden und notwendige politische Reformen verschoben werden.

Was passiert, wenn die Fed die Zinsen erhöht?

An den Kapitalmärkten wird nicht viel passieren, das ist bereits eingepreist. Die spannendere Frage ist, was die Europäische Zentralbank machen wird.

Was erwarten Sie?

Ich glaube nicht, dass die EZB die Zinsen erhöht. Ich hoffe aber, dass das massive Anleihenkaufprogramm zurückgefahren wird. Und was ganz wichtig ist: EZB-Chef Draghi sollte von seiner „Whatever-it-takes“-Haltung abrücken.

Sie meinen, das Versprechen, alles zu tun, um den Euro zu retten ...

Genau. Vor vier Jahren war das Versprechen richtig, um Vertrauen zu schaffen, heute verkehrt sich das ins Gegenteil. 

Investieren Sie mehr in den USA, wenn die Fed die Zinsen erhöht?

Wir sind jetzt schon sehr stark in den USA engagiert. Rund ein Drittel unseres Umsatzes in der Rückversicherung erwirtschaften wir in den USA, unsere Reserven spiegeln das wider und ein großer Teil unserer Kapitalanlagen ist daher in Dollar angelegt.

Munich Re ist eine Vorreiterin beim Klimaschutz, der designierte US-Präsident Donald Trump findet das Klima aber bekanntlich nicht so wichtig. Was heißt das für Ihre Geschäfte dort?

Insgesamt glaube ich nicht, dass der Regierungswechsel unmittelbar großen Einfluss auf unser dortiges Geschäft haben wird. Die Menschen und Unternehmen in den USA werden sich auch künftig gegen Hurrikans und Tornados versichern, ob ihr Präsident an den Klimawandel glaubt oder nicht. Wir sammeln seit Jahrzehnten Daten zu wetterbedingten Schadenereignissen und sehen, dass  solche Naturkatastrophen zunehmen. Daran hat der menschengemachte Klimawandel einen Anteil, was aber nicht heißt, dass man jedes Sturmereignis mit dem Klimawandel begründen kann.

Naturkatastrophen - das Kerngeschäft der Munich Re. Um die Treffsicherheit zu verbessern, betreibt das Unternehmen seit Jahrzehnten eine detaillierte Klimaforschung.
Naturkatastrophen - das Kerngeschäft der Munich Re. Um die Treffsicherheit zu verbessern, betreibt das Unternehmen seit Jahrzehnten eine detaillierte Klimaforschung.

© AFP

Ihr Geschäft ist es, Risiken einzuschätzen. Wie groß ist das Risiko Trump?

Trump löst extreme Reaktionen aus, bis hin zum jüngsten Kursanstieg an der Börse. Wenn man sich seine wirtschaftspolitischen Pläne anschaut, sind die Bewegungen am Aktienmarkt aber überzogen. Sollte Trump verhindern, dass das transpazifische Handelsabkommen TPP ratifiziert wird, dann schadet das den USA mittelfristig. Wenn er die Infrastruktur ausbauen und gleichzeitig die Steuern senken will, dann treibt das Schulden und Inflation. Wenn Trump dann noch die Zuwanderung beschränkt, die einer der größten Konsum- und damit Wachstumstreiber ist, verschärft das den Abwärtstrend. Die Ernüchterung wird kommen.

"Warum soll der Staat Autobahnen bauen?"

Wie stabil ist die Finanzindustrie? Sie haben nach der Finanzkrise die Zerschlagung der Großbanken gefordert. Wenn man sich die Deutsche Bank oder die Commerzbank heute anschaut, so scheinen die Institute das jetzt quasi selbst zu erledigen.

Sagen wir mal so: Man hat nach der Finanzkrise in den USA alle großen Banken gezwungen, ihr Eigenkapital massiv aufzustocken, in Europa ist das nicht im gleichen Tempo und nicht so rigide passiert. Die europäischen Banken schlagen sich immer noch mit alten Problemen herum, bei einigen kommen sogar neue hinzu. Dennoch ist auch die europäische Finanzwirtschaft heute stabiler als früher. Die Bilanzen sind solider, die Aufsicht  ist viel näher dran an den Banken. Das ist gut so, denn die EZB hat ja ihr Pulver weitgehend verschossen, sie kann bei einem Wiederaufleben der Krise nicht mehr viel helfen.

Die Zerschlagung der Großbanken hatte von Bomhard vor Jahren gefordert. Heute steht die Bank wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die drohende Strafe in den USA, der Streit um die Boni beschäftigen die Bank und die Öffentlichkeit.
Die Zerschlagung der Großbanken hatte von Bomhard vor Jahren gefordert. Heute steht die Bank wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die drohende Strafe in den USA, der Streit um die Boni beschäftigen die Bank und die Öffentlichkeit.

© dpa

Wie sieht es in Ihrer Branche aus?

Wir haben einen großen Vorteil: Versicherer haben generell, geschäftsmodellbedingt, kaum ein Liquiditätsrisiko. Bei uns entscheidet sich nicht an einem Wochenende, ob wir überleben oder nicht.

Wie lösen Sie das Problem, dass Sie sichere, langfristige Anlagen brauchen, diese  aber derzeit keine Rendite abwerfen?

Wir suchen Alternativen und würden daher zum Beispiel gern mehr in Infrastruktur investieren. Das läge im Interesse unserer Versicherten, aber es wäre auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Ein Beispiel: Warum soll der Staat neue Schulden machen, die zu Lasten der nächsten Generation gehen, wenn wir Versicherer neue Autobahnen finanzieren und betreiben könnten? Private können solche Projekte in der Regel auch effizienter managen als die öffentliche Hand. Man muss sich viel öfter fragen, an welcher Stelle der Daseinsvorsorge man wirklich Steuergelder einsetzen will oder muss, Autobahnen gehören, auch mit Blick auf deren Nutzer, nicht zwingend dazu.

Haben Sie Angst vor den jungen Start-up, den Fintechs?

Man sollte nicht zu schnell nervös werden. Wir beschäftigen uns seit mindestens drei Jahren mit diesen Veränderungen. Inzwischen haben wir überall auf der Welt Entwicklungseinheiten und Labs, hier in Berlin sogar gleich zwei. Wir sehen Chancen, Chancen, Chancen – ich kann sogar sagen, bei uns herrscht Euphorie.

Was versprechen Sie sich?

Einiges. Das geht mit neuen Produkten los, etwa Policen gegen Risiken aus der Cyberwelt,  ein Riesenthema. Weltweit liegen die Schäden durch Cyberangriffe bei jährlich 400 bis 500 Milliarden Dollar, davon ist derzeit nur ein Promille versichert. Wir sind bei diesem jungen Geschäft vorn mit dabei, tasten uns selektiv und vorsichtig voran. Unsere Beitragseinnahmen im Cyberbereich liegen derzeit bei 190 Millionen Dollar im Jahr, aber wir erwarten, dass sich diese Beiträge in den nächsten fünf Jahren verdreifachen.

Und sonst?

Die Digitalisierung erweitert unser Geschäftsmodell. Prävention und Beratung werden wichtiger, damit es gar nicht erst zu Schäden kommt.

Zum Beispiel?

Ein kleines aber anschauliches Beispiel aus den USA: Dort arbeitet unsere Tochter Hartford Steamboiler mit Kirchengemeinden zusammen. Wir installieren Sensoren in Kirchengebäude, die vor Wasserschäden durch Frost warnen. Hierdurch können wir Schäden in Millionenhöhe verhindern, das geringere Restrisiko kann dann entsprechend günstiger versichert werden. Außerdem gewinnen wir neue Kunden über Partner wie Simplesurance. Das Prinzip: Internethändler verkaufen Produkte, und zusammen mit dem Produkt kann der Käufer auch direkt und papierlos online eine passende Versicherung kaufen. Die Beispiele zeigen: die Digitalisierung ist für uns eine Riesenchance.

"Wir investieren über eine Milliarde Euro in die Ergo"

Ihre Tochter Ergo scheint die allerdings verschlafen zu haben.

Nein. Ergo hatte ein Problem mit der existierenden, der „alten“ IT, nicht mit der Digitalisierung. Wir überholen die IT derzeit fundamental und investieren über eine Milliarde Euro. Was die Digitalisierung angeht, ist die Ergo früh gestartet. Mit Ergo Digital Ventures haben wir ein weiteres Kapitel aufgeschlagen und eine eigenes Geschäftsfeld für Innovation und Digitalisierung geschaffen, das gleichberechtigt neben den Einheiten für das Deutschlandgeschäft und für das internationale Geschäft steht. Das gibt es in dieser Form bei keinem anderen Versicherer. Da sehen Sie, wie ernst wir das Thema Digitalisierung nehmen. Wir haben gerade auch einen neuen Versicherer namens Nexible gegründet, ein reiner Online-Versicherer, der 2017 auf den Markt kommt.

Ihre Aktionäre bekommen eine hohe Dividende. Fällt Ihnen nichts Besseres ein, wie Sie Ihr Geld ausgeben können?

Sie haben sogar noch etwas vergessen: Wir kaufen gerade auch wieder für eine Milliarde Euro Aktien zurück.

Als Schutz vor einer feindlichen Übernahme?

Nein. Wir haben gut verdient und es ist nicht so leicht, das Kapital auf diesem Rentabilitätsniveau in neue Geschäfte zu bringen. Übrigens auch eine Folge der Niedrigzinspolitik. Wir haben genug Eigenkapital, und wir wollen kein Kapital horten. Deshalb verwenden wir nahezu unseren gesamten Gewinn, um Dividenden zu zahlen oder Aktien zurückzukaufen. Wir haben 46 Jahre lang unsere Dividende nicht kürzen müssen. Das ist ein Rekord, auf den wir stolz sind. Das soll sich nicht ändern. Und ich finde, eine Dividende von etwa fünf Prozent kann sich sehen lassen.

Warren Buffett, dem Staranleger, scheint das nicht zu reichen. Der hatte mal zwölf Prozent an Ihrem Unternehmen, jetzt sind es unter drei Prozent.

Wir hatten ihn gern als Aktionär, ja. Seine Portfoliopolitik kann ich nicht kommentieren, aber sein Ausstieg hat unseren Aktienkurs jedenfalls nicht belastet.

"Ich verdiene genug"

Profitieren Sie und Ihre Vorstandskollegen auch persönlich von den Konzerngewinnen? Werden Sie reich mit Ihren Boni?

Ich verdiene genug. Bei Munich Re haben wir schon lange ein am langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtetes Vergütungssystem. 70 Prozent meiner variablen Vergütung bezieht sich auf Mehrjahresziele. Der Vorstand erhält seine Boni also nur, wenn sich das Unternehmen auch tatsächlich über eine Reihe von Jahren gut entwickelt. Ein Teil der Boni muss auch in Aktien des Unternehmens investiert werden, mit Mindesthaltefristen. Diese finanziellen Anreize sollen eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmenspolitik belohnen.

Es gibt Forderungen, dass VW-Manager und Ex-Chefs der Deutschen Bank Boni zurückzahlen sollen, weil sich ihre Leistung im nachhinein entzaubert hat. Sollte man so etwas gesetzlich regeln?

Der Gesetzgeber kann Rahmenbedingungen setzen. Aber maßgeblich sind die privatrechtlichen Verträge mit den Vorstandsmitgliedern. Neben dieser rechtlichen Perspektive gibt es dann noch die Frage, ob man eine moralische Verpflichtung zur Rückzahlung von Boni bejaht oder nicht.

Sollten die Eliten, also Ex-Vorstandschefs,  Boni zurückzahlen, auch wenn sie dazu vielleicht rechtlich nicht verpflichtet sind?

Das muss jeder mit sich und seinem Gewissen ausmachen, ich kann nur für mich sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, Bonuszahlungen zu behalten, wenn das Unternehmen durch meine Entscheidungen in ernsthaft schwieriges Fahrwasser gekommen ist.

Sie scheiden im Frühling nach über 13 Jahren an der Spitze aus. Was tun Sie dann?

Ich möchte mich in neue Themen einarbeiten. So bin ich seit Mai Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Post und lerne sehr viel über die Logistikbranche. Auch bin ich zunehmend in wissenschaftlichen Institutionen und Stiftungen aktiv. Aber ich möchte mir die Tage nicht mehr so voll packen, möchte mehr lesen und reisen. Vielleicht leben wir auch mal ein paar Wochen in Rom, das ist ein lang gehegter Wunsch von meiner Frau und mir.

Und dann? Werden Sie nach der zweijährigen Abkühlungsperiode Aufsichtsratsvorsitzender?

Das ist jetzt völlig offen. Das muss sich das Unternehmen zu gegebener Zeit überlegen und ich auch. Die Zwei-Jahres-Frist finde ich gut für beide Seiten. Man gewinnt den nötigen Abstand.

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