zum Hauptinhalt
Hans Heinrich Driftmann.

© Thilo Rückeis

Interview: "Steuern senken – zur Not auf Kredit"

"Man muss den Kollaps des Eurosystems vermeiden." DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann über die Finanzpolitik der Deutschen und der Griechen.

Herr Driftmann, die Finanzlage Griechenlands wird immer dramatischer. War es ein Fehler, Athen Hilfe zuzusagen?
Was die Griechen gemacht haben, ist nicht zu verantworten. Allerdings haben auch andere Länder gegen die Regeln der Währungsunion verstoßen. Es geht nun darum, den Kollaps des Eurosystems zu vermeiden, jetzt und in Zukunft. Zugleich dürfen wir niemanden dazu verleiten, sich auf die Hilfe der europäischen Staaten blind zu verlassen. Das ist ein schwer zu lösender Zielkonflikt.

Wir haben also die Wahl zwischen der Transferunion und dem Ende des Euro?

Ich kann solche Befürchtungen verstehen.

Was ist so schlimm daran, Griechenland, Spanien oder Portugal nicht mehr in der Währungsunion zu haben?

Die Währungsunion hat nicht nur eine wirtschaftspolitische Bedeutung. Ausgrenzung ist keine Option, das Drohpotenzial gegenüber vertragsbrüchigen Ländern daher begrenzt. So unorthodox die Lösungen der Politik nun sein mögen, mehr ist derzeit nicht drin. Allerdings müssen Regierungen verstehen, dass sie nicht auf Kosten ihres Nachbarn wirtschaften dürfen und sie voneinander abhängig sind.

Müssen wir in Zukunft wählen zwischen der Rentenerhöhung und Hilfe für Griechenland oder Spanien?

Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird. Die EU muss mit politischem Druck dafür sorgen, dass nicht nur die Staatshaushalte konsolidiert werden, sondern dass derart hohe Defizite gar nicht erst entstehen. Dazu muss die Kommission mehr Sanktionsmöglichkeiten bekommen.

Die FDP will die Steuern senken, Sie auch. Zugleich soll es für Griechenland Geld geben und die Schulden sollen sinken. Klingt nach einem Konflikt mit Adam Riese.

Nein. Wirtschaft ist zum großen Teil Psychologie. In dieser Gesellschaft gibt es nur noch Grenzen und Strafen. Wo sind die Belohnungen? Es gibt zwar hier und da Boni, aber wir müssen auch andere Anreize schaffen.

Anreize für wen?

Für die Arbeitnehmer. Und für die Unternehmen, die neue Prozesse und Produkte entwickeln, in neue Technik investieren. Nötig ist ein Signal, mehr ist ja nicht drin mit 16 Milliarden Steuererleichterungen. Die Leistungsträger sollen sehen: Es lohnt sich, die Ärmel hochzukrempeln. Und es muss parallel zur Haushaltssanierung weitere Steuerentlastungen geben.

Wo soll das Geld herkommen?

Der Staat gibt 1200 Milliarden Euro im Jahr aus. 16 Milliarden entsprechen 1,3 Prozent. Wenn bei mir in einem Jahr das Geschäft nicht so doll läuft, sage ich meinen Mitarbeitern, wir müssen fünf Prozent sparen, das ist dann kein Problem.

Damit machen Sie es sich einfach. Wo wollen Sie kürzen?

Wir sind überverwaltet, allein durch Bürokratieabbau ließe sich eine Menge herausholen. Und die Subventionen können sinken. Damit tun sich viele Unternehmen nicht leicht. Aber solche Vergünstigungen schaden der Marktwirtschaft.

Also weg mit Steuergeschenken bei Dienstwagen, dem subventionierten Flugbenzin, der Förderung der Landwirtschaft?

Landwirtschaftssubventionen sind ein gutes Stichwort. Darüber muss man verhandeln. Wenn wir überall bescheidener werden, kommt Erhebliches heraus. Aber selbst wenn wir zunächst einen Teil der 16 Milliarden als Kredit aufnehmen müssten, wären sie ein wichtiger Wachstumsimpuls, den wir dringend brauchen.

Wenn man die Konsolidierung immer wieder aufschiebt, wird alles noch schlimmer, schreiben die Wirtschaftsinstitute im Frühjahrsgutachten.

Das muss parallel laufen. Im Bundeshaushalt kann man viel sparen, nehmen Sie allein die großen Posten.

Sie meinen den Sozialetat.

Auch, siehe etwa die falsche Rentengarantie. Aber auch sonst höre ich vom Staat immer nur, dass die Kosten an allen Ecken und Enden steigen. Das geht so nicht.

Die Banken haben uns in die Krise gezockt, trotzdem sind Sie gegen eine Bankenabgabe. Warum?

Wenn die Banken zahlen müssen, sinkt die Chance, an günstige Kredite heranzukommen. Denn eine Bankenabgabe ginge ja zulasten des Eigenkapitals der Banken. Eine Verknappung von Krediten aber können wir im Moment nicht gebrauchen.

Die Bankenabgabe würde weniger kosten als die Summe der zuletzt gezahlten Boni.

Ich stelle den Banken keine Blankovollmacht aus. Es gibt Entgleisungen und ausgesprochen ärgerliche Entwicklungen. Aber es geht nicht um Rechthaberei, sondern um die Zukunft vieler Firmen.

Löst der Aufschwung das Problem?

Im Moment sieht es gut aus. Die Banken geben zu, dass es bei der Kreditvergabe hakt, und sie reagieren darauf. Wir haben mit den Instituten verabredet, dass sie vorhandene Spielräume bei der Kreditvergabe besser nutzen. Und der Kreditmediator, der zwischen Firmen und Finanzwirtschaft vermittelt, ist auch hilfreich.

Eine Kreditklemme gibt es also nicht?

Vollständige Entwarnung kann ich nicht geben. Man weiß nie, was noch kommt. Aber die Wahrscheinlichkeit einer Kreditklemme, etwa im dritten Quartal, wie wir befürchtet haben, ist geringer geworden.

Die Krise ist also vorbei?

Abwarten. Sie wirkt sicher noch eine ganze Zeit nach. Wir haben etwa ein Drittel des Rückschlags wieder aufgeholt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir wieder auf dem Niveau von 2008 sind.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

ZUR PERSON

DER MÜSLI-MANN

Hans Heinrich Driftmann (62) ist Chef des Familienunternehmens Peter Kölln aus Elmshorn, das die gleichnamigen Haferflocken herstellt. Es besteht in der sechsten Generation seit 1820. Regelmäßig bekommt er nach eigenen Worten ein Übernahmeangebot von einem großen Konkurrenten. „Ich wundere mich schon, wenn das mal in einem Quartal nicht so ist.“

DER LOBBYIST

Driftmann ist seit 2009 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), des mit 3,6 Millionen Firmen größten Wirtschaftsverbandes, in dem die 80 IHKs des Landes organisiert sind.

Zur Startseite