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Warnt vor der nächsten Krise und der Hilflosigkeit der Staaten: Berthold Huber.

© ddp

Interview: "Wieder zahlen die Bürger, nicht die Banken"

IG-Metall-Chef Berthold Huber über Lehren aus der Finanzkrise, Griechenland und die SPD.

Herr Huber, Sie wollen die Deutsche Bank zerschlagen?

Keine Sorge. Ich habe nicht vor die Deutsche Bank zu zerschlagen.

In Ihrem Buch heißt es, Geldkonzerne, die durch ihre schiere Größe so machtvoll sind, werden zerschlagen.

Das ist richtig. Denn man darf nicht zulassen, dass diese Banken aufgrund ihrer schieren Größe alles machen können, zum Beispiel Gemeinwesen erpressen, verantwortungslos spekulieren und dann am Ende die Allgemeinheit dafür geradestehen lassen. Eine demokratische Gesellschaft kann das nicht akzeptieren.

Ist die Deutsche Bank nun zu groß?

Herrn Ackermann zufolge nicht. Für Deutschland hat sie eine kritische Größe. Es geht mir um die systemische Bedeutung der Banken. Erst können Politik und Gesellschaft die Banken nicht kontrollieren oder auch nur überblicken, was sie treiben, und wenn das schiefgeht, hat der Staat keine andere Wahl, als diese Banken zu retten.

Die Deutsche Bank ist ganz gut durch die Krise gekommen und hat keine Staatshilfen in Anspruch genommen.

Am Beispiel der Deutschen Bank wird aber der Irrsinn überzogener Renditen deutlich. Selbst in der Krise wird eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent angestrebt. Dazu kann ich nur sagen: Entweder hat man ein Monopol oder man agiert wie ein Hasardeur, anders sind solche Renditen kaum möglich.

Haben nicht auch die deutschen Maschinenbauer in den goldenen Jahren 2007/2008 zweistellige Renditen erreicht?

Das gilt nur für wenige Ausnahmen. In der Industrie hat in den letzten Jahren nur Porsche zweistellige Renditen erzielt. Die Maschinenbauer landen in guten Jahren bei fünf Prozent, in Ausnahmen auch mal bei sieben Prozent. Das ist weit entfernt von der Maßlosigkeit der Banken.

Gut anderthalb Jahre nach der Lehman-Pleite haben sich Industrie und Banken gut erholt, die Arbeitslosenzahlen sind viel niedriger als befürchtet. Die Krise scheint vorbei. Und einen relevanten Politiker, der die Zerschlagung systemischer Banken fordert, haben wir auch schon lange nicht mehr gehört.

Aus der amerikanischen Regierung unter Obama hört man sehr wohl solche Töne. Auf jeden Fall sehr viel deutlicher als aus der deutschen Regierung. Ich finde es erstaunlich, wie das amerikanische System mit den Verursachern der Krise umgeht, etwa die Börsenaufsicht SEC gegen die Wall Street, zuletzt gegen Goldman Sachs. In Deutschland gibt es solche Bestrebungen nicht. Was ist mit denen, die beispielsweise mit den Milliarden der irischen Tochter der Depfa ein großes Rad gedreht haben. Ist dafür irgendjemand zur Verantwortung gezogen worden oder ist wenigstens in der Öffentlichkeit darüber diskutiert worden?

Sie wollen Banker vor Gericht sehen?

Im Kern geht es mir nicht um Bestrafung, sondern um Veränderung. Dazu müssen die Ursachen und Folgen aus der Krise aufgearbeitet werden: Was für eine Gesellschaft wollen wir? Wollen wir dasselbe System haben wie vor der Krise?

Offenbar ja.

Und da sage ich, das sollte die Gesellschaft nicht akzeptieren.

Sie sind der Rufer in der Wüste.

Nein, es gibt weitere Rufer. In anderen Teilen der Gesellschaft, den Kirchen, den Gewerkschaften und auch in der Politik.

Sie kommen mit vielen wichtigen Leuten zusammen, neulich waren Sie anlässlich Ihres 60. Geburtstags zum Abendessen bei der Bundeskanzlerin. Wird da nicht über Konsequenzen aus der Krise geredet?

Selbstverständlich. Unsere Vorschläge sind ja auch aufgegriffen worden in den vergangenen Jahren, beispielsweise bei der Förderung der Kurzarbeit und der Umweltprämie.

Sie sagen, die Krise sei eine „Zeitenwende“. Läuft das Leben in Deutschland nicht weiter wie gehabt?

Das ist ein schwerer Irrtum. Die relative Ruhe erkaufen wir mit enormen Haushaltsdefiziten, die uns in den kommenden Jahren noch schwer belasten werden. Und wenn wir weitermachen wie bisher, dann kommt die nächste Krise so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber dann haben die Staaten keine Mittel mehr, um zu helfen.

Gab es zu den staatlichen Hilfen eine Alternative?

Nein. Im Falle Griechenlands sehen wir wieder die dramatischen Folgen von Finanzkrise und Spekulation, die ja ungehemmt weitergeht. Und schon wieder sollen die Steuerzahler anstelle der Banken die Zeche zahlen. Das hat uns der wirtschaftspolitische Mainstream der vergangenen Jahrzehnte eingebrockt. Geld arbeitet nicht, auch wenn uns das die Marktradikalen seit Jahren einreden wollen.

Und so richtig steht dieser Mainstream nicht zur Debatte.

Das hat verschiedene Ursachen. Das hängt auch mit mangelnder politischer Kritik daran zusammen. Es ist erstaunlich und bedauerlich zugleich, dass die SPD durch die Hartz-Gesetze und die Steuerpolitik Kompetenz beim Thema Gerechtigkeit eingebüßt hat. Warum hat sich die Sozialdemokratie nicht gegen die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozent, Sozialkürzungen und den massiven Ausbau des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit gewandt? Und warum hat sie die Deregulierung der Finanzmärkte vorangetrieben? Aus dieser falschen Politik beginnt sich die SPD langsam zu befreien.

Sie sind noch in der SPD?

Ja.

Andere IG Metaller sind zur Linken gewechselt, wie Klaus Ernst, demnächst Parteivorsitzender.

Ich ziehe es vor, meine Energie in die Veränderung der Sozialdemokratie zu investieren. Ich frage mich, warum die SPD erst heute Konsequenzen aus dem massiven Verlust an Mitgliedern zieht.

Wie viele Mitglieder verliert denn die IG Metall in diesen Krisenjahren?

Wir sind relativ stabil. Aber selbstverständlich machen wir uns permanent Gedanken um die Zukunft unserer Mitglieder und der Industrien, in denen sie arbeiten. Wenn wir nicht auf ökologische Produktion und ökologische Produkte setzten, dann geraten wir ins Hintertreffen. Damit wären dann auch Beschäftigung und Arbeitsplätze gefährdet. Wir haben hochqualifizierte Fachkräfte und Ingenieure – die brauchen wir für die ökologische Transformation.

Ist unsere Industrie bei der Elektromobilität auf der Höhe der Zeit?

Die deutschen Ingenieure müssen beachten, dass es dabei um dynamische Prozesse geht. Wenn das Öl knapper wird, dann bekommen wir ziemlich schnell einen Schub in Richtung Elektromobilität. Zwar gibt es bis dahin auch einen größeren Anteil regenerativer Energieträger, zum Beispiel mit Biosprit. Dennoch wird der Übergang zu mehr Elektromobile schneller gehen, als viele glauben. Und dieser Übergang hat weitreichende Konsequenzen für die Wertschöpfungsketten und die Beschäftigung. Das gilt es sozial zu gestalten.

Sie reklamieren eine neue Balance zwischen Binnen- und Exportwirtschaft – hat die französische Wirtschaftsministerin also Recht mit ihrer Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen?

Wir haben einen enormen Spezialisierungsgrad zum Beispiel im Maschinenbau und sind da so stark, dass wir gewissermaßen die Maschinenbauer der Welt sind. So eine Spitzenstellung sollte man nicht preisgeben. Die Frage ist vielmehr, was mit den Exportüberschüssen passiert, wie viel davon im eigenen Land investiert wird. Zum Beispiel in die soziale Infrastruktur, in Bildung, Pflege, Erziehung, Gesundheit. Bei der Weiterbildung liegen wir auf einem der hinteren Plätze in der EU – das kann so nicht bleiben.

Hat die IG Metall in den letzten Jahren genug getan für die Binnenkaufkraft?

Bei den Nominallöhnen sind wir in Europa ganz vorn. Viele hätten gerne die Löhne und Gehälter, die es in unserer Metallindustrie gibt. Aber wir sind offensichtlich signifikant produktiver als andere und haben deshalb wegen der vergleichsweise langsamer gestiegenen Lohnstückkosten unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesteigert. Das Hauptproblem der Binnennachfrage ist der politisch gewollte Ausbau von Leiharbeit und Niedriglohnsektor. Hier ist der Hund begraben.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

Zur Person:

KARRIERE

Berthold Huber (60) lernte nach dem Abitur Werkzeugmacher. Beim Bushersteller Kässbohrer wurde er in jungen Jahren Betriebsratschef. IG Metall-Chef Franz Steinkühler holte Huber, der ein paar Jahre Geschichte, Philosophie und Politik studierte, 1990 in die IG-Metall-Zentrale. Seit 2007 ist Huber erster Vorsitzender.

IG METALL

Mit gut 2,2 Millionen Mitgliedern ist die IG Metall die größte deutsche Gewerkschaft vor Verdi. Huber bemüht sich um eine Stärkung der Gewerkschaft in den Betrieben und will verstärkt Mittel für die Werbung von Mitgliedern einsetzen.

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