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Thomas Krupke

© Kai-Uwe Heinrich

Interview: "Wir sind noch nicht in der Marktwirtschaft angekommen"

Thomas Krupke, Chef des Berliner Solarmodulherstellers Solon, über schwankende Aktienkurse, längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und Adlershof.

Herr Krupke, vor einigen Wochen hat die Bundesregierung beschlossen, auch die Solarenergie weiter stark zu fördern. Die CDU hätte sie am liebsten um 30 Prozent gekürzt. Sind Sie mit einem blauen Auge davongekommen?

Schon seit fünf Jahren senken wir die Kosten um durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr. Als Industrie sollen wir außerdem Forschung und Entwicklung vorantreiben, heftig investieren, international aktiv sein und weiter Kostensenkungsprogramme fahren. Das heißt: Wir müssen weiter viele Dinge auf einmal tun. Die 30 Prozent, die da im Raum standen, kamen speziell von dem CDU-Flügel um Laurenz Meyer. Und wir wissen, wo der hingehört, zu RWE. Außerdem ist schon merkwürdig, wenn sich unsere Kanzlerin Angela Merkel vor die Welt stellt, wie jetzt wieder beim G8-Gipfel, und erklärt: Wir müssen stärker erneuerbare Energien fördern, ihre Partei aber das ganze in Deutschland zugleich reduzieren will.

Die Förderung der Solarenergie zahlen alle Stromkunden. Wie lange muss das noch sein?

Umweltminister Sigmar Gabriel hat vorgerechnet, dass eine vierköpfige Familie heute pro Kopf im Monat rund einen Euro für erneuerbare Energien ausgibt. Das finde ich nicht zu viel. Von 1995 bis 2005 sind die Kosten für Photovoltaik-Strom von einem Euro pro Kilowattstunde auf 50 Cent gesunken. Wir haben uns verpflichtet, die Kosten bis 2015 weiter bis auf 25 Cent zu senken. Wir dürfen auf keinen Fall glauben, dass fossile Energien noch mal billiger werden.

Solon wächst und wächst. Der Kurs der Aktie gab den Anlegern in diesem Jahr aber selten Grund zur Freude. Die Spitze war im November bei 94 Euro, jetzt liegt sie bei 42. Was ist da los?

Die Einschätzung von Analysten ändert sich von heute auf morgen. Im April sah die Bank UBS das Kursziel bei 80 Euro, jetzt bei 39 Euro – innerhalb von vier Monaten. Es gibt natürlich Themen, die dem zugrunde liegen. Aber die sind seit September letzten Jahres bekannt: die Diskussion über das deutsche Einspeisegesetz, über das spanische Einspeisegesetz und dann die Frage, wie die Förderung in Amerika weitergeht.

Schwanken die Solarwerte deshalb so stark?

Wer schnell steigt, fällt schneller. Und wer schneller fällt, steigt auch wieder schneller. Wir sind relativ kleine Aktienwerte. Mit Solarwerten kann man auch schön spielen, würde man im Finanzbereich sagen. Letztlich leben Finanzakteure davon, dass sich etwas bewegt.

Und wann ist Solon kein Zockerpapier mehr?

Wir sind kein Zockerpapier. Aber die Volatilität ist logisch: Wir sind schnell wachsende Unternehmen. Und wir sind auch – das ist uns bewusst – weiterhin in einem politisch geförderten Markt aktiv. Wir sind noch nicht in der Marktwirtschaft angekommen. Und natürlich werden dann Dinge wie Diskussionen um Fördergesetze besonders aufmerksam beobachtet.

Bosch kauft Ersol aus Erfurt, Blackstone investiert rund eine Milliarde Euro in einen Offshore-Windpark eines kleinen Berliner Planungsbüros. Was bedeuten solche Riesendeals für die Branche?

Es ist die logische Weiterentwicklung für eine junge Branche, deren Unternehmen in kalifornischen Garagen oder, wie wir, in einem Kreuzberger Hinterhof gegründet wurden: Irgendwann zieht sie natürlich etablierte Player an. Qimonda kümmert sich plötzlich darum, Intel kooperiert mit uns. Etablierte große Firmen besetzen neue Geschäftsfelder, wenn sie diese als chancenreich erachten. Und der Einstieg gerade auch von Bosch zeigt doch, dass die Industrie den Photovoltaikbereich als einen sehr ernstzunehmenden Industriebereich der Zukunft bewertet. Ich empfinde dies als Auszeichnung.

Setzt damit die Konsolidierung der Branche ein?

Es gibt doch immer wieder Neugründungen. Auf der Messe Intersolar vor drei Jahren in Freiburg waren rund 250 Aussteller vertreten, in München, in diesem Jahr, waren es 1100. Ist das eine Konsolidierung? Ich glaube nicht. Übernahmen darf es trotzdem geben. Ich finde den Gedanken, dass Solon künftig von einer Bosch-Tochter und einer Intel-Tochter beliefert wird, eigentlich ziemlich cool. Da machen wir doch was richtig.

Wie weit ist die Branche überhaupt in der technologischen Entwicklung?

Wenn ich das mit der Halbleiterindustrie vergleiche, die im Jahr 30 ist, sind wir erst im Jahr drei. Das heißt: Es kommt noch sehr sehr viel, was Kosten senken kann. Wir haben gesehen, wie die Kosten bei Computern oder Speichermedien gefallen sind. Heute bekommt man einen Speicher von zwei Gigabyte im Elektrohandel für acht oder zehn Euro – für den Endkunden. Das hätten wir auch nie gedacht.

Bei der jetzt gegründeten Mittelmeer- Union liegen große Hoffnungen auf der Solarwirtschaft. Wann fliegen Sie nach Afrika?

Solon hatte mal von 1998 bis 2003 in Marokko eine Gesellschaft. Da ist kein Markt zustande gekommen, weil die Module am laufenden Band geklaut wurden. Sie können so etwas in Ländern installieren, in denen es eine vernünftige Gesellschaftsordnung gibt, und wo die Menschen nicht so arm sind. Wenn man sich überlegt, dass ein 200-Watt-Modul heute über 600 Euro kostet, dann sind das für manche Familien mehrere Monatseinkommen. Das heißt: es ist zu früh.

Zum Energiemix gehört auch die Atomkraft. Wie stehen Sie zur Laufzeitverlängerung der Akw?

Atomkraft ist nichts, was meiner Ansicht nach forciert werden sollte, weil es gefährlich ist. Die Verlängerung der Atomkraftwerke kann aber eine Zwischenlösung sein. Das gilt aber nur für die modernen Werke der zweiten Generation. Da kann man gerne drei bis fünf Jahre drauflegen. Wenn man die alten, voll abgeschriebenen Atomkraftwerke länger laufen lässt, ist das nur eine Lizenz zum Gelddrucken.

Die Absicht ist doch legitim.

Ja, das ist legitim. Auch wir sagen ja, dass bei einer Solaranlage nach 20 Jahren der Spaß erst richtig anfängt. Trotzdem müssen die alten gefährlichen Atomanlagen abgeschaltet werden, wenn die neuen länger laufen sollen.

Und wenn der Atomausstieg in der nächsten Legislatur ganz kassiert wird?

Dann ist das sehr bedenklich und heißt, dass die Atomlobby mit ihrem Geld gut gearbeitet hat. Wir dürfen nicht vergessen: Uran ist ein fossiler Energieträger.

Sie bauen gerade ihre neue Zentrale im Forschungspark Berlin-Adlershof? Was bedeutet der Standort für Sie?

Bisher haben wir immer gemietet. In Neukölln damals war das die Wäscherei des Krankenhauses, also Hallen aus den 70er Jahren. Und wann immer jemand vorbeikam sagte der, was ist das denn hier? Ich persönlich hätte kein Problem damit gehabt, dort zu bleiben. Glamour ist nicht meine Sache. Aber jetzt tun wir was für die Unternehmenskultur. Wir müssen den Mitarbeitern der Tochterunternehmen in aller Welt auch einen Identifikationspunkt geben. Wir wollen mit dem Bürogebäude hier in Adlershof auch zeigen, dass wir ein Low-Energy-Haus bauen können. Wir werden nur rund ein Viertel der Energie eines normalen Bürogebäudes verbrauchen. Adlershof hatte freie Flächen. Außerdem sitzen hier einige Institute, mit denen wir zusammenarbeiten, zum Beispiel das Hahn-Meitner-Institut.

Der Berliner Senat hat die Solarindustrie zum sechsten Kompetenzfeld erklärt, auf das die Politik besondere Hoffnungen setzt? Was bringt das?

Der Senat erklärt Schwerpunkte für Themen, von denen er denkt, dass sie gefördert werden müssen, weil sie wichtig sind und damit auch Industrie anziehen. Letztendlich geht es doch darum, Berlin als Standort für junge Firmen, die Wachstumspotenzial haben, aufzubauen. Und da kann ich nur alles begrüßen, was hilft.

Entsteht in Berlin irgendwann ein Solar-Valley?

In Berlin nicht. Es ist hier nicht wie in Thalheim in Sachsen-Anhalt, wo der Bürgermeister schon vor Jahren erklärt hat, er habe mehr Arbeitsplätze als Einwohner. In solchen Regionen kann man ein Solar-Valley ausrufen und sagen, wir haben hier 4000 Arbeitsplätze. Berlin hat fast dreieinhalb Millionen Einwohner das ist einfach eine andere Größenordnung. Das merken Sie schon, wenn Sie hier etwas feierlich präsentieren wollen. Dann haben sie am gleichen Abend 100 Konkurrenzveranstaltungen. Von daher ist es in einer Metropole wie Berlin sehr schwierig, sich etwa zum Solar-Valley zu erklären.

Fühlen sie sich von der Berliner Politik gut betreut?

Ja, das hat sich in den vergangenen drei Jahren enorm verbessert. Das liegt auch an der gewachsenen Bedeutung Solons. Wir sind quasi das letzte Index-Unternehmen der Stadt, nachdem Schering an Bayer gefallen ist. 2004 hatten wir 200 Mitarbeiter und 100 Millionen Umsatz, letztes Jahr waren es 500 Millionen und am Standort hier 300 Mitarbeiter – 800 weltweit. Generell wichtig ist auch die Bestandsbetreuung einmal angesiedelter Unternehmen.

Das Gespräch führte Kevin Hoffman

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