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Andreas Schmitz.

© Doris Spiekermann-Klaas

Interview: "Zum Spekulieren gehören immer zwei"

Die Bankenbranche ist besser als ihr Ruf, sagt Andreas Schmitz, Chef von HSBC Trinkaus und Verbandspräsident.

Herr Schmitz, Sie feiern in diesem Jahr das 225-jährige Jubiläum Ihres Bankhauses. Der Gründer handelte zuerst mit Farben, dann mit Währungen. War er einer der ersten Währungsspekulanten?

Christian Jäger war ein ehrbarer Kaufmann, der schon etwas von Kundenorientierung verstand. Im 18. Jahrhundert war Deutschland in viele kleine Fürstentümer mit unzähligen verschiedenen Währungen unterteilt. Die Händler mussten sich mit Währungskontrakten absichern – genau wie heute. Wenn ich etwas für 100 Dollar bestelle und der Wert des Dollar steigt, muss ich darauf morgen möglicherweise nicht 110 Euro aufwenden, sondern 120. Kaufleute sind darauf angewiesen, in festen Wechselkursrelationen zu denken. Das war früher schon so, Jäger hat den Handel also gefördert. Das ist noch immer ein Kerngeschäft der Banken.

Sie sind relativ gut durch die Krise gekommen. Mit welcher Strategie?

Wir sind sogar sehr gut durch die Krise gekommen. 2008 haben wir eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent erzielt, 2009 waren es 17 Prozent. Wir setzen unser Kapital vor allem im Kundengeschäft ein, wir betreiben kaum Eigenhandel und keinerlei synthetisches Kreditgeschäft, das ja zahlreichen Banken zum Verhängnis geworden ist. Wir haben ein sehr konservatives Risikobewusstsein. Unsere Philosophie dabei ist: Wir wachsen mit unseren Kunden, nicht mit unseren Risiken. Das beste Geschäft ist manchmal das Geschäft, das man nicht macht.

Sie gehören zu den Marktführern auf dem Zertifikate-Markt, Sie bewerben zum Beispiel Knock-out-Produkte. Das klingt nicht gerade konservativ.

Knock-out-Produkte sind moderne Finanzprodukte, mit denen Sie heute Ihr Vermögen gegen Veränderungen absichern können. Diese Produkte orientieren sich nicht am Privatanleger, sondern am professionellen Anleger. Das Prinzip geht so: Wenn ich sehe, dass der Markt unter Druck gerät, was nichts mit der Aktie selbst zu tun hat, kann ich mir auch eine Versicherung für diese Aktie kaufen. Das ist eine Möglichkeit für professionelle Anleger, ihr Vermögen abzusichern oder auch zu steigern, ohne immer gleich das ganze Portfolio verkaufen zu müssen.

Also alles nur Versicherungen?

Ich kann natürlich auch einen Optionsschein kaufen, wenn ich glaube, dass der Dollar gegenüber dem Euro steigen wird

Was eine reine Spekulation wäre.

Zur Spekulation gehören immer zwei, einer, der kauft, und einer, der verkauft. Das vergisst man immer, wenn man über dieses Thema redet. Übrigens: Als der Euro von 1,35 auf 1,20 fiel, wurde immer gesagt: Das waren die Spekulanten. Aber als der Euro von 1,35 auf 1,50 ging, war keine Rede von Spekulanten. Das finde ich faszinierend. Uns ist wichtig – bei allen Produkten und Dienstleistungen übrigens –, dass sie zum Kunden und dessen Anlagezielen passen. Bei unserem Ansatz der umfassenden Vermögensbetreuung steht nicht die Renditeorientierung im Vordergrund.

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass viele Banker genau das getan haben. Ihre Branche gilt nicht gerade als wertkonservativ.

Wenn eine gute Idee zu exzessiv gelebt wird, pervertiert die beste Idee, und es kann eine Blase entstehen. Nehmen wir die Immobilienkrise in den USA. Diejenigen, die diese Kredite vergeben haben, haben nicht mehr darauf geachtet, ob die Kunden auch kreditwürdig sind, weil sie wussten: In der nächsten Sekunde kann ich das wieder verkaufen. Das hat mit Bankgeschäft nichts mehr zu tun. Da fühlt sich keiner mehr verantwortlich. Die Themen Entscheidung und Haftung müssen wieder mehr zusammenrücken. Einige Banken haben Fehler gemacht, keine Frage. Aber eine Verteufelung der ganzen Branche ist definitiv nicht richtig.

Welche Fehler haben Sie denn gemacht?

Wir hätten vielleicht früher erkennen müssen, dass etwas schiefläuft, und Alarm schlagen müssen. Die Finanzkrise hat viele Ursachen. Die Politik des leichten Geldes, der günstigen Zinsen, die die Notenbanken anbieten, hat letztendlich dazu geführt, dass Risiken nicht mehr ordentlich bepreist wurden. Das war auch politisch so gewollt. Risiko muss seinen Preis haben. Und wir alle, kollektiv, haben diesen Preis nicht mehr gefordert. Das Ergebnis sehen wir jetzt und müssen es teuer bezahlen.

Warum sollte sich daran etwas ändern?

Banken sind Teil unserer Gesellschaft und sie sind nicht nur dem Gewinn, sondern auch der Gesellschaft verpflichtet. Das ist selbstverständlich. Zu dieser Verantwortung stehen wir auch. Auch wenn es Ausreißer gegeben hat, die überwiegende Mehrheit der Bankangestellten macht ihre Arbeit verantwortungsvoll. Man könnte sich jetzt irgendwelchen Demutsgesten unterwerfen, aber darauf kommt es nicht an. Die Frage ist, ob man sich im aktuellen Geschäft daran hält. Ich glaube, da sind die HSBC weltweit und wir hier in Deutschland auf dem richtigen Pfad.

Die Steuerzahler mussten für die Krise mit Milliardensummen aufkommen. Heißt Verantwortung nicht auch, dass die Banken davon etwas zurückgeben sollten?

Wir privaten Banken haben uns ja auch für eine Bankenabgabe ausgesprochen. Und dass die Konjunktur einen Rückgang erlitten hat, hat nicht nur etwas mit der Bankenkrise zu tun. Es hätte in jedem Fall eine Rezession gegeben. Wir müssen dafür sorgen, dass solche Krisen nicht noch mal entstehen. Wir müssen unser System sicherer machen, dafür bedarf es einer besseren Regulierung. Banken brauchen mehr Eigenkapital und höhere Liquiditätspuffer, ohne Wenn und Aber. Systemrelevante Banken müssen geordnet abgewickelt werden können, ohne dass sie dem Steuerzahler zur Last fallen. Die Regierungen sollten sich jetzt darauf konzentrieren, das in den Griff zu bekommen.

Ist Gerechtigkeit ein Wert, der bei Ihnen eine Rolle spielt?

Gerechtigkeit ist immer ein Wert, nicht nur in der Bank, sondern in unser aller Leben.

Finden Sie es gerecht, dass das Sparpaket vor allem die sozial Schwachen trifft, während die Banken mit einer Abgabe von 1,2 Milliarden Euro davonkommen?

Wie stark die Banken belastet werden, steht heute überhaupt noch nicht fest. Natürlich müssen wir so sparen, dass wir alle Gesellschaftsschichten mit einbeziehen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn die, die etwas mehr haben, auch mehr belastet werden. Aber Sie müssen auch sehen: Wenn Sie Banken belasten, belasten Sie damit die Wirtschaft insgesamt und damit letztlich alle Bürger. Wo ist da der Mehrwert?

Fänden Sie es gerecht, wenn Spitzenverdiener stärker belastet würden?

Wenn der Staat sparen muss, kann man nicht nur einseitig bei einer Gruppe sparen. Ein Paket muss sauber und ausgewogen sein, damit es auch in der Bevölkerung zu verkaufen ist. Natürlich müssen wir an die Sozialabgaben ran. Aber möglicherweise müssen die, die mehr haben, auch stärker besteuert werden. Da hätte ich persönlich kein Problem mit.

Zurück zu Ihrer Bank: Sie führen eine Kapitalerhöhung durch und wollen vor allem bei den Firmenkunden wachsen. Ist das die Rückkehr zum guten alten Bankgeschäft?

Wir haben immer schon vier Säulen, die klassisches Bankgeschäft darstellen: Firmenkunden, vermögende Privatkunden, institutionelle Kunden und den Handel für unsere Kunden. Damit haben wir ein stabiles und diversifiziertes Geschäftsmodell, das uns ein Wachstum aus Stärke ermöglicht. Wir sehen Chancen im Markt, die wir nutzen wollen, um neue Kunden zu akquirieren und Marktanteile zu steigern. Zum Beispiel im Firmenkundengeschäft: Da sich zahlreiche Banken, vor allem Auslandsbanken, aus dem internationalen Geschäft zurückgezogen haben, sind wir mit der global vernetzten HSBC- Gruppe eine der wenigen verbliebenen Adressen für den gehobenen Mittelstand. Auch im Privatkundenbereich wollen wir einer der bedeutendsten Anbieter in Deutschland werden.

Wie wichtig ist der Standort Berlin für Sie?

Berlin ist für uns ein wichtiger Standort. Gerade sind wir mit unserer Niederlassung umgezogen, schräg gegenüber dem Café Kranzler in das Concord-Haus am Kurfürstendamm. Wir mussten uns vergrößern, weil wir auch neue Mitarbeiter einstellen. Von hier aus betreuen wir unser Kundengeschäft bis nach Thüringen und Sachsen. Da sehen wir viel Potenzial, gerade bei mittelständischen Unternehmen ab 25 Millionen Euro Jahresumsatz.

Das Interview führte Miriam Schröder.

ZUR PERSON

DIE BANK

1785 gründet Christian Gottfried Jäger das Geschäft und übergibt es später an seinen Neffen Christian Gottfried Trinkaus. 1972 fusioniert das Bankhaus mit der

Essener Burkhardt & Co und heißt von da an Trinkaus & Burkhardt. Seit 1992 gehört die Bank zur englischen HSBC und seit 2007 heißt sie HSBC Trinkaus.

DER CHEF

Andreas Schmitz (50) stammt aus Nordrhein-Westfalen. Nach einer Lehre bei der Deutschen Bank studiert er Jura und Volkswirtschaft. 1989 geht er zu Trinkaus & Burkhard, seit 2006 ist er Vorstandssprecher und seit 2009 Präsident des Bundesverbands deutscher Banken. Er ist verheiratet und hat drei Söhne.

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