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Auf der Gamescom in Köln treffen sich jedes Jahr Hersteller und Fans von Computerspielen.

© dpa

Interview zur Gamescom 2014: "Berlin hat weltweit einen guten Ruf"

In Köln läuft die Gamescom, und in Berlin entwickelt Yager als eines der größten Studios Computerspiele. Mit Timo Ullmann, Chef der Kreuzberger, spricht der Tagesspiegel über neue Projekte und den Standort Berlin.

Die Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1999: Fünf jünge Berliner gründeten damals die Firma Yager Development. Sie alle waren in der Computerclub-Szene Ostberlins groß geworden waren, liebten Computerspiele und wollten es selbst einmal mit der Spieleproduktion versuchen. Auf Technikmessen wie der Cebit Home stellten sie ihren ersten Prototypen vor, ein Flugkampfspiel namens „Yager“. Schließlich landeten die Fünf aber bei einem US-Publisher, der ihre Idee so gut fand, dass er das Spiel finanzierte. Das Team mietete Büroräume in der Gubener Straße.

Das Spiel „Yager“ erschien 2003 für Xbox und PC. Die Absatzzahlen waren mäßig, doch dank der guten Produktionsqualität konnte sich das Studio für weitere Projekte empfehlen. Es folgten Auftragsarbeiten für die Industrie und einige nicht fertiggestellte Eigenprojekte.

2006 nahm Ullmann Kontakt zum US-Publisher Take-Two auf – das sollte die Unternehmensgeschichte nachhaltig beeinflussen. Yager erhielt den Auftrag für das Action-Spiel „Spec Ops: The Line“, zog in die Kreuzberger Pfuelstraße um und beschäftigte nun mehr als 100 Mitarbeiter. 2012 kam „Spec Ops: The Line“ nach langer Entwicklungszeit auf den Markt: ein nachdenklich machendes Werk, das an Filme wie „Apocalypse Now“ erinnert und von der Kritik als „Anti-Kriegsspiel“ gelobt wurde.

Herr Ullmann, welche Spiele entwickelt Yager derzeit?

Seit 2012 arbeiten wir parallel an zwei großen Projekten. An "Dead Island 2", das nächstes Jahr für Playstation 4, Xbox One und PC erscheint, und an dem PC-Spiel "Dreadnought". Auf der Gamescom wird "Dead Island 2" zum ersten Mal anspielbar sein.

Worum geht es in "Dead Island 2"?

Teil 1 spielte auf einer fiktiven Urlaubsinsel, die von einer Zombie-Apokalypse heimgesucht wird. In "Dead Island 2" überrennen die Untoten Kalifornien, die Spieler müssen ums Überleben kämpfen. Um die Zombies in Schach zu halten, wird Kalifornien vom Rest der USA abgeschirmt - insofern kann man auch hier von einer Insel sprechen. "Dead Island 2" ist ein Open-World-Game, die Spieler können sich innerhalb der Quarantäne-Zone frei bewegen. Sich können sich auch mit anderen Spielern zusammenschließen, denn bestimmte Aufgaben lassen sich gemeinsam leichter bewältigen.

Klingt nach einem sehr düsteren Spiel...

"Dead Island 2" ist keineswegs so düster wie die meisten Filme und TV-Serien, in denen es um Zombies geht. In unserem Spiel ist die Zombie-Apokalypse auch eine Chance auf Veränderung: Leute, die vorher jeden Tag ins Büro gegangen sind, haben die Chance, sich in diesen extremen Umständen als Helden zu bewähren. "Dead Island 2" ist unter anderem vom Film "Zombieland" mit Woody Harrelson inspiriert: Es geht ähnlich leichtfüßig und ironisch mit der Zombie-Bedrohung um.

Für wen ist das Spiel gedacht?

Wir produzieren "Dead Island 2" für eine erwachsene Zielgruppe, das heißt für Spieler ab 18 Jahren. Nach oben ist die Zielgruppe offen, denn Zombies sind ja über verschiedene Altersgruppen hinweg ein populäres Thema.

Das erste "Dead Island", das die Firma Techland produzierte, wurde gar nicht erst in Deutschland veröffentlicht. Publisher Deep Silver rechnete mit einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), die dann auch tatsächlich stattfand. Droht "Dead Island 2" ebenfalls eine Indizierung?

Wir wollen, dass "Dead Island 2" in Deutschland veröffentlicht wird. "Spec Ops" war ja auch ein Ab-18-Titel, von daher haben wir eine Menge Erfahrung mit den gesetzlichen Vorgaben.

TV-Serien wie "The Walking Dead" zeigen Gewalt sehr explizit, werden aber als spannende Erwachsenenunterhaltung gefeiert. Zombie-Computerspiele haben es schon schwerer, ihre Existenz zu rechtfertigen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Wer mit dem Medium Computerspiel aufgewachsen ist - also meine und alle jüngeren Generationen - der sieht keinen qualitativen Unterschied zu Medien wie Film und Literatur. Ich glaube, dass sich die Diskussion um den Wert der Computerspiele irgendwann erschöpft - und dass dann Übereinstimmung herrscht, dass Computerspiele - genau wie Filme, Bücher und Musik - ein kulturelles Medium darstellen. Wobei man Games ja keineswegs mögen muss. Aber das gilt auch für Filme oder Musik.

Worum geht es im zweiten großen Yager-Projekt, "Dreadnought"?

Mit "Dreadnought" kehren wir zu unseren Wurzeln zurück, es ähnelt unserem allerersten Spiel "Yager". "Dreadnought" ist ein Koop-Spiel, in dem Raumschiff-Flotten von je fünf Spielern gegeneinander kämpfen. Die Schlachten finden aber nicht im Weltraum statt, sondern über einer Planetenoberfläche - das dient der Orientierung. Besonders viel Spaß macht die Suche nach dem optimalen Raumschiff: Man rüstet es immer weiter auf und probiert in den Team-Matches aus, welche Kombination unterschiedlicher Schiffe am wirkungsvollsten ist.

Welche Zielgruppe hat "Dreadnought"?

In "Dreadnought" geht es nicht in erster Linie um schnelle Reaktionen - auch die etwas älteren Spielefans kommen hier auf ihre Kosten. Im Mittelpunkt stehen Teamplay und epische Schlachten. Man wird auch verschiedene Strategien erproben können, indem man zeitgleich Raumschiffe mit unterschiedlichen Eigenschaften "hochlevelt". In "Dreadnought" wird es aber auch eine Einzelspieler-Kampagne geben, die hilft, das Spiel besser kennenzulernen.

Alle Welt redet von Mobile Games und Browsergames. Warum produzieren Sie weiterhin AAA-Titel für PC und Konsolen?

Als Entwicklerstudio sind wir zunächst einmal plattformunabhängig. Wir prüfen bei jedem Spiel, zu welcher Plattform es am besten passt - und wo wir die meisten unserer potenziellen Kunden treffen. "Dreadnought" beispielsweise war zunächst als Mobile Game für Tablet-Computer geplant. Wir haben dann aber festgestellt, dass der PC als Plattform besser geeignet ist. Zum einen, weil Tablets noch nicht die nötige Grafikleistung besitzen. Und zum anderen, weil Spiele auf Mobilgeräten meist nur wenige Cent kosten. Die Nutzer sind noch nicht daran gewöhnt, dass aufwändig produzierte Spielen auch deutlich mehr kosten.

Sowohl "Dreadnought" als auch "Dead Island 2" werden in Berlin produziert. Wie attraktiv ist die Hauptstadt als Produktionsstandort?

Berlin hat weltweit einen guten Ruf: Das ist ein Pfund, mit dem man als heimisches Studio wirklich wuchern kann. Das große Angebot an Freizeitaktivitäten hilft uns, hochqualifizierte Arbeitskräfte aus aller Welt anzuwerben. Yager hat ein sehr buntes Team, hier arbeiten fast zwanzig verschiedene Nationalitäten zusammen. Derzeit beschäftigen wir etwa 130 Mitarbeiter. An "Dead Island 2" arbeiten rund 80 Leute, an "Dreadnought" knapp 40. Die übrigen Mitarbeiter sind keinem festen Projekt zugeordnet, sondern beispielsweise im Management und in der IT tätig.

Wie ist es um lokale Talente bestellt? Bringt Berlin genügend Nachwuchskräfte hervor?

Berlin ist mit seinen Bildungseinrichtungen ein guter Ort, um Nachwuchs zu akquirieren. Der kommt von der Games Academy, der School for Games oder auch von den Unis, die Informatik-Studiengänge haben. Yager beschäftigt einen Mix aus Newcomern und erfahrenen Leuten - bei Großproduktionen ist es unheimlich wichtig, mit Profis zu arbeiten. Wir holen dafür auch gerne Arbeitskräfte aus den USA, China oder Russland, die schon an ähnlichen Projekten gearbeitet haben. So ist die Lernkurve weniger steil und wir können schneller die gewünschten Ergebnisse erzielen.

In Berlin steigen die Mieten kontinuierlich. Verliert der Standort dadurch an Attraktivität?

Wir schnüren unseren neuen Mitarbeitern ein "Umsiedlungspaket" (relocation package) inklusive Firmenwohnung, damit sie sich erstmal in Ruhe umschauen können. Früher waren die neuen Kollegen oft überrascht, wie günstig der Berliner Mieten im internationalen Vergleich sind. Das hat sich inzwischen aber geändert. Um bezahlbaren Wohnraum zu finden, müssen wir jetzt schon deutlich größere Kreise um das Studio ziehen. Das Studio selbst hat mittlerweile mehr als 2000 Quadratmeter - da merken wir die Mietsteigerungen natürlich auch. Wir sind aber glücklich, hier im Herzen von Berlin zu sein, weil sich das positiv auf die Arbeits- und Lebensqualität auswirkt.

Viele Entwicklerstudios verlagern einen Teil ihrer Produktion ins Ausland...

Auch wir arbeiten stark mit Outsourcing. Andernfalls würden wir durch "Dead Island 2" und "Dreadnought" sehr schnell an unsere Kapazitätsgrenzen stoßen. Wir bräuchten dann vielleicht 200 Leute statt der 130, die wir jetzt haben. So viele Mitarbeiter auf einen Schlag einzustellen, würde der gewachsenen Firmenkultur schaden.

Welche Aufgaben lagern Sie aus?

Das Outsourcing ist auf klare Bereiche begrenzt, zum Beispiel Sprachaufnahmen, Motion-Capture, bestimmte Grafiken und Animationen. Für Motion-Capture beispielsweise gibt es hochspezialisierte Studios in Großbritannien und den USA. Schon bei "Spec Ops" haben wir mit Hollywood-Schauspielern wie Bruce Boxleitner ("Babylon 5") zusammengearbeitet. Auch die englische Synchronisation von "Dead Island 2" lassen wir in Kalifornien einsprechen - dort ist der Kandidatenpool einfach größer als in Berlin. Allerdings ist uns wichtig, dass das Yager-Kernteam konstant in Berlin sitzt - denn es ist unser wertvollstes Kapital.

Das Gespräch führte Achim Fehrenbach.

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