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Wirtschaft: IWF-Direktor attackiert Egoismus der reichen Länder

In ungewöhnlich scharfer Form hat der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, den Protektionismus in den Industrieländern verurteilt. "Die Gesellschaft in den reichen Ländern ist zu egoistisch, um Vorteile aufzugeben", sagte Köhler am Sonnabend beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in New York.

In ungewöhnlich scharfer Form hat der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, den Protektionismus in den Industrieländern verurteilt. "Die Gesellschaft in den reichen Ländern ist zu egoistisch, um Vorteile aufzugeben", sagte Köhler am Sonnabend beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in New York. "Die Leute müssen aber einsehen: sie können nicht so weiter machen wie bisher."

Die Strukturreformen in den hoch entwickelten Ländern gingen zu langsam voran, sagte der deutsche IWF-Chef. Er forderte die reichen Länder auf, Subventionen abzubauen, besonders für Baumwolle, Textilien und Agrarprodukte. "Die USA sind hier auch ein Sünder, ich hoffe, dass sie eine führende Rolle beim umfassenden Abbau dieser Subventionen spielen", sagte Köhler. Die Entwicklung der internationalen Beziehungen könne nicht dahin gehen, dass "die großen Elefanten, die USA und die EU, Absprachen treffen und die Entwicklungsländer das Nachsehen" haben. Köhlers Äußerungen vor mehreren hundert Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums wurden spontan mit Beifall bedacht.

Köhler räumte ein, dass der IWF in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. In Einzelfällen habe die Organisation zu viel Wert auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen gelegt, sagte Köhler, ohne Länder beim Namen zu nennen. Der IWF habe nicht genügend Wert auf den Aufbau von Institutionen wie Regulierungsbehörden für den Bankensektor gelegt, um die verlangte Marktöffnung abzusichern. "Im Großen und Ganzen ist die Richtung der IWF-Empfehlungen aber richtig", sagte Köhler.

Kritik gab es am Rande des Weltwirtschaftsforums auch für Deutschland. Die deutsche Wirtschaft krankt nach Ansicht des angesehenen Harvard-Professors Jeffrey Sachs an zu viel staatlicher Regulierung. Besonders die Universitäten seien zu wenig dynamisch und flexibel, sagte Sachs in New York. "Deutschland ist nicht so dynamisch wie es sein könnte. Das liegt an der Starre des Steuersystems, der Arbeitsmärkte und des allgemeinen regulatorischen Umfelds", sagte Sachs. Unternehmensgründungen seien schwieriger als nötig und die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Universitäten im Hochtechnologie-Sektor lasse zu wünschen übrig.

"Rund um die Universitäten fehlen die HighTech-Zentren, wie sie etwa in den USA existieren", sagte Sachs. "Die Universitäten sind unter derart rigider staatlicher Kontrolle, dass sie derartige dynamische und flexible Partnerschaften nicht schließen." Deutschland habe das Potenzial zu sehr viel besserem Wirtschaftswachstum. "Die Wirtschaft ist stark, aber nicht so stark, wie sie sein könnte."

Deutschland sei nach wie vor eine sehr reiche und hoch entwickelte Volkswirtschaft, räumte Sachs ein. Er wolle das Problem nicht überdramatisieren. "Ich bin kein Verfechter der reinen Lehre der in den USA propagierten freien Marktwirtschaft, die die sozialen Einrichtungen ins Chaos stürzt. Aber Deutschland sollte mehr Unternehmertum fördern und den Privatsektor stärken, um Technologie und Innovation freizusetzen."

Bei einer Protestdemonstration gegen das in New York stattfindende Weltwirtschaftsforum mit 3000 Politikern und Wirtschaftsführern ist es am Freitagabend in Zürich zu Ausschreitungen gekommen. Früher fand das WEF regelmäßig im Schweizer Davos statt. Rund 600 Demonstranten versammelten sich im Stadtzentrum, wovon später ein Teil randalierte. Nach Angaben der Zürcher Polizei vom Samstag wurden 54 Personen festgenommen. Es entstand ein Sachschaden von rund 200 000 Euro.

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