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Wirtschaft: IWF-Tagung: Amerikaner und Europäer im Clinch

Allem Anschein nach werden sich die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der sieben führenden Industrieländer, Wim Duisenberg, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) und Horst Köhler, der geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) am kommenden Wochenende in Washington nicht mit den Konsequenzen niedrigerer Leitzinsen in Europa befassen. Die derzeitigen Signale aus Frankfurt sprechen nicht für eine Zinssenkung durch den Rat der EZB am kommenden Donnerstag.

Allem Anschein nach werden sich die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der sieben führenden Industrieländer, Wim Duisenberg, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) und Horst Köhler, der geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) am kommenden Wochenende in Washington nicht mit den Konsequenzen niedrigerer Leitzinsen in Europa befassen. Die derzeitigen Signale aus Frankfurt sprechen nicht für eine Zinssenkung durch den Rat der EZB am kommenden Donnerstag. Zwar laufe die Konjunktur in den USA und auch in Europa deutlich langsamer, aber es gebe keinen Grund für Pessimismus und für "hektische Aktionen", sagte ein hochrangiger Beobachter. Besonders restriktiv sei die europäische Zinspolitik ohnehin nicht. "Wir sind im Gegenteil sehr dran an dem, was man als neutrale Geldpolitik bezeichnen kann."

Das könnte Zündstoff für die Diskussionen der Finanzminister und Notenbank-Präsident liefern und vermutlich auch IWF-Chef Horst Köhler wenig gefallen. Der hat die EZB in den vergangenen Tagen mehrfach zu einer Lockerung der Zinspolitik aufgerufen. Der Druck auf den Eurotower ist zudem durch die überraschende Zinssenkung der US-Notenbank in der vergangenen Woche größer geworden. Erst am Wochenende kamen aus dem Kreis der europäischen Finanzminister neue Rufe nach niedrigeren Leitzinsen. Aber Duisenberg und Co lassen sich bislang nicht beirren.

Möglicherweise also stehen die Europäer in Washington am Pranger. Aber das werden sie sich kaum gefallen lassen, sondern Gegenfragen stellen. Zum Beispiel mit Blick auf die US-Notenbank Fed: Hat sie während des starken Wachstums in den USA in den vergangenen Jahren die Zinsen möglicherweise zu zögerlich erhöht, dadurch zu viel Geld in Wirtschaft und Aktienmarkt gepumpt und die US-Konjunktur letztlich an den Rand der Überhitzung gebracht? Legt sie mit ihren raschen Zinssenkungen in diesem Jahr nicht die Basis für die Bildung neuer Blasen an den Börsen?

Auch die neue US-Regierung könnte in der Kritik stehen. Es sei schon erstaunlich, wie Washington die USA in das Zentrum rücke und allem anderen eher geringes Interesse beimesse, lässt sich ein Beobachter zitieren. Aber natürlich sei die neue Regierung in Washington noch in einem Lernprozess. In Europa trifft auch weiter auf Unmut, dass sich die USA weiter jährlich ein Leistungsbilanzdefizit von rund 400 Milliarden Dollar gönnt und zur Finanzierung die Ersparnisse aus anderen Teilen der Welt heranzieht. Zwar will niemand politisch eingreifen. Aber in der Alten Welt hofft man, das die wirtschaftliche Abschwächung in den USA dieses Ungleichgewicht zumindest zum Teil korrigiert. Und damit auch dem Euro ein wenig auf die Sprünge hilft.

Der IWF und die Weltbank selbst werden auf dem Frühjahrstreffen vermutlich nicht im Zentrum der Kritik stehen. Aus europäischer Sicht ist man durchaus erbaut darüber, wie sich die beiden Institutionen seit dem Amtsantritt von Horst Köhler verändert und aufeinander zubewegt haben. Das Verhältnis von Köhler und Weltbank-Präsident James Wolfensohn gilt als sehr gut. Sie seien dabei, Überlappungen zwischen beiden Institutionen abzubauen und ihre Häuser auf die jeweils eigenen Ausgaben zu konzentrieren - den IWF auf die weltweite finanzielle Stabilität und die Weltbank auf die Unterstützung der armen und ärmsten Länder.

Köhler steckt dabei mitten in der Arbeit. Er will die Auflagen für Hilfsprogramme des Fonds straffen und auf wirklich wichtige Konditionen begrenzen. Gleichzeitig versucht er, den Privatsektor und damit die Banken stärker in die Prävention von Finanzkrisen, aber auch stärker in die Bewältigung dieser Krisen einzubinden. Zugleich möchte er den IWF von politischem Druck befreien. Ein Testfall dafür ist die Türkei: Elf Milliarden Dollar hat der IWF dem Land bereits aus seinem regulären Kreditprogramm zur Verfügung gestellt. Das ist die zweitgrößte Summe, die der IWF jemals einem Krisenland aus "normalen" IWF-Mitteln gewährt hat. Jetzt wird über weitere Hilfen diskutiert. Die Sanierung des maroden türkischen Bankensektors, der als Auslöser der Krise gilt, könne nicht Aufgabe des IWF sein. Wenn dies aus politischen Gründen gewollt sei, müssten andere Länder einspringen.

Mehr und mehr betrachtet man in Weltbank- und IWF-Kreisen die Initiative zur Entschuldung der armen und ärmsten Länder als Erfolg. Kritiker dagegen halten Euphorie für nicht angebracht: Die Wirkung sei in den Ländern höchst unterschiedlich. Ohne die Öffnung der Märkte bringe ein Schuldenerlass wenig. 40 Länder sind in die Initiative einbezogen. 22 Ländern seien die Außenstände bislang um die Hälfte oder sogar um zwei Drittel erlassen worden, heißt es in IWF-Kreisen. 18 weitere Länder sollen folgen.

30 Milliarden Dollar hat das Programm bisher gekostet. Jetzt wird angeblich schon um eine Ausweitung des Entschuldungsprogramms auf insgesamt 80 Länder diskutiert. Trotz ihrer offenkundigen Sympathie für die Dritte Welt haben Köhler und Wolfensohn bereits gewarnt. Denn niemand weiß, wo das Geld dafür herkommen soll. Dass sich bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank eine neue Quelle auftut, ist höchst unwahrscheinlich.

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