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Wirtschaft: Japan in der Krise: Die Schulden wachsen dem Land über den Kopf

Mit Japans Wirtschaft geht es abwärts. Schon vor einer Woche ließ die Tokioter Börse nichts Gutes erahnen.

Mit Japans Wirtschaft geht es abwärts. Schon vor einer Woche ließ die Tokioter Börse nichts Gutes erahnen. Fünfmal in Folge sackten die Kurse am Kabuto-Cho nach unten - auf das niedrigste Niveau seit 15 Jahren. Diese Woche sieht sich der Finanzminister zum Offenbarungseid und die Regierung zu einem Notprogramm gezwungen. Der Haushalt droht aus den Fugen zu geraten. Finanzminister Kiichi Miyazawa spricht von Zusammenbruch.

Es muss schlimm stehen um die Japan AG, wenn selbst die Regierung keine Alternative mehr erkennt und zur Wahrheit Zuflucht nimmt. Hinter der für japanische Verhältnisse verblüffenden Offenheit mag die Hoffnung stecken, dass es der politisch angeschlagenen Regierung Yoshiro Mori gelingen mag, neue Forderungen der Öffentlichkeit nach staatlichen Konjunkturprogrammen wirksam abzuschmettern und den strukturellen Umbau der Wirtschaft wieder stärker voranzutreiben - die einzige, ernstzunehmende Chance zur Sanierung.

Seit zehn Jahren, nachdem sich der Boom an der Börse und auf dem Immobilienmarkt als reine Spekulation entpuppte und in sich zusammenbrach, steckt Japan in der Krise. Und seit zehn Jahren pumpt die Regierung unermüdlich Unsummen in die dahindümpelnde Wirtschaft - stets in der Hoffnung, die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt werde endlich wieder Tritt fassen. Ohne Erfolg. Nach dem "verlorenen Jahrzehnt" macht sich Angst vor der Rezession breit.

Kein noch so teures, mit Steuergeldern und immer neuen Schulden finanziertes Konjunkturprogramm vermochte Japans Wirtschaft bislang wieder aufzurichten. Selbst Geld zum Nulltarif brachte den Konjunkturmotor nicht zum Laufen. Dass die Lage gleichwohl nicht eskalierte, Schieflagen bei Banken und Brokern zu keinem Dominoeffekt führten, ist der starken Hand des Staates zu verdanken. Und doch reicht der lange Arm der Regierung nicht, um auf Dauer alles unter Kontrolle zu halten. Einen unbefristeten Blankoscheck für die Banken beispielsweise, um die Kundschaft bei der Stange zu halten, kann sich Tokio schlicht nicht länger leisten.

Die kostspieligen Sanierungsversuche haben Spuren hinterlassen. Langsam, aber sicher wachsen die Schulden dem Land über den Kopf. Immer schneller dreht sich die Schuldenspirale. Mit 130 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) stehen die Japaner im eigenen Land in der Kreide. Vor zehn Jahren waren es erst 60 Prozent. Zunehmend sind dem Finanzminister die Hände gebunden. Der Schuldendienst blockiert den Gestaltungsspielraum. Bereits jeder vierte Yen des Staatshaushaltes geht auf das Konto von Zinsen und Tilgung. Das Defizit im Staatshaushalt liegt weit über sechs Prozent des BIP. Tendenz steigend.

Anders als beispielsweise die Italiener, die 1999 mit zehn Prozent Defizitquote und über 100 Prozent Staatsverschuldung nominelle Wachstumsraten von rund sieben Prozent verzeichnen konnten, fehlen in Japan jegliche zusätzlichen wirtschaftliche Impulse. Stagnation und Deflation kennzeichnen die Szene. Die ausgewiesene Arbeitslosenquote von knapp fünf Prozent liegt nach einhelliger Schätzung von Fachleuten in Wahrheit etwa doppelt so hoch.

Ohne eine konsequente Haushaltssanierung wird der Weg aus der Krise nicht gelingen. Was aber tun? Weil noch mehr Schulden zu höheren Zinsen führen und höhere Steuern Gift für das Wirtschaftswachstum wären und mithin nicht in Frage kommen, bleibt nur ein radikales Sparprogramm. Und Umstrukturierungen. In der Hoffnung auf bessere Zeiten sind die Reformansätze bislang stets auf der Strecke geblieben. Zuletzt im vergangenen Jahr, als das Wirtschaftswachstum mit anderthalb Prozent zu Buche schlug und der Reformeifer im Sande verlief.

Die Stabilisierung Japans ist umso wichtiger, da das Land als Stabilitätsanker im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum gilt. 70 Prozent der asiatischen Wirtschaftskraft ist "Made in Japan", Tokio Hauptkunde für High-Tech-Ware aus Taiwan, Malaysia, Korea und China. Für die angeschlagenen asiatischen Volkswirtschaften steht und fällt mit dem Erfolg der Japan AG die Hoffnung, wieder Anschluss an die guten Zeiten vor der Asienkrise 1997 zu finden. Bleibt der schwache Trost, dass Japan - anders als viele asiastische Länder oder auch die Türkei - nicht auch noch im Ausland extrem verschuldet ist, sondern dort über Vermögen verfügt. Andernfalls nämlich würde sich auch die akute Schwäche des Yen noch drastischer bemerkbar machen und das Land in eine zusätzliche Schuldenfalle treiben.

Martina Ohm

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