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Wirtschaft: Jeden Tag ein bisschen besser

Das Gedächtnis leidet unter Stress und einer immensen Informationsflut. Mit einfachen Merktechniken lässt sich das Erinnerungsvermögen um ein Vielfaches verbessern. Fünf Minuten Übung pro Tag reichen schon aus.

Wie war noch mal gleich der Name des Kollegen aus der Marketingabteilung, der morgens immer so nett grüßt? Oder das Geburtsdatum vom Chef? Ob bei Namen, Zahlen oder den Stichpunkten für die Präsentation am Nachmittag – wenn es darauf ankommt, ist im Kopf nur Leere.

Schuld an einem schlechten Erinnerungsvermögen ist zum einen Stress, sagen Experten. Dazu kommen in der heutigen Zeit eine ungeheure Informationsflut und Medienlast. „Das Gedächtnis ist gar nicht in der Lage diese Massen zu verarbeiten. Außerdem nutzen wir immer mehr technische Mittel, die uns die Denkleistung abnehmen, wie das Navigationssystem oder Suchmaschinen“, sagt Carsten Brandenberg, Vize-Vorsitzender des Bundesverbands Gedächtnistraining (BVGT) und Gedächtnistrainer an der Memory Clinic in Essen. Dadurch werde das Gehirn natürlich irgendwann denkfaul.

Die gute Nachricht: Jeder kann sein Erinnerungsvermögen trainieren. „Man muss sich das Gedächtnis vorstellen wie einen Muskel“, erklärt Brandenberg. Werde dieser gefordert und regelmäßig trainiert, erziele man automatisch bessere Leistungen. Eine Möglichkeit dazu sei das so genannte ganzheitliche Gedächtnistraining, wie es auch der Bundesverband Gedächtnistraining anbietet.

Der Trick dabei ist, verschiedene Sinneswahrnehmungen einzusetzen. Die Methode hilft zum Beispiel, sich Namen besser merken zu können. „Man gibt sich die Hand – dadurch hat man ein haptisches Erlebnis. Man spricht den Namen einmal aus, so wird der Hörsinn angesprochen. Und zusätzlich kann man sich den Namen auch als Bild vorstellen“, beschreibt Brandenberg.



AUF KREATIVITÄT KOMMT ES AN

Mit Bildern arbeitet auch der Berliner Gedächtnistrainer Michael Gloschewski. „Bei Namen geht das besonders einfach, wenn sie gleichzeitig für einen Beruf stehen wie Bäcker oder Müller. Da kann man sich dann den Mann mit Mehlsack auf dem Rücken vorstellen. Andere Namen wie mein eigener sind da schon schwieriger, aber auch hier klappt die Methode. Gloschewski kann man in drei Bilder aufteilen: „Glo“ wie glow aus dem Englischen für glühen, „schew“ wie Chef und „ski“ für Ski. Daraus wird dann: Der glühende Chef fährt Ski.“

Warum man sich mithilfe von Bildern leichter an Dinge erinnern kann, hat einen wissenschaftlichen Hintergrund: Das Gehirn ist in zwei Hälften aufgeteilt, wobei die linke eher für rationales Denken und Logik verantwortlich ist. Die rechte dagegen Kreativität, Intuition und Gefühle steuert. Beim Gedächtnistraining kommt es darauf an, beide Gehirnhälften gleichermaßen anzusprechen.

Um sich etwas zu merken, benutzten die meisten Leute allerdings nur die linke Gehirnhälfte, weiß Gloschewski. „Sie wiederholen stumpf, sagen es immer wieder auf. Aktivieren sie dazu aber auch die rechte Gehirnhälfte, lassen sie sich etwa eine kleine Geschichte zum Lernstoff einfallen oder singen sich den Stoff in einer kleinen Melodie vor, klappt es mit dem Erinnern gleich viel besser.“



DIE LOCI-METHODE

Diese Erkenntnis macht sich auch die Mnemotechnik zunutze, die als eine der bekanntesten Merkmethoden gilt. Ihr Ursprung liegt im Altgriechischen, „Mneme“ bedeutet dabei Gedächtnis, Erinnerung. „Techne“ steht für Technik, Kunst. Stichworte für Vorträge, tausende Vokabeln, unzählige Namen und vielstellige Zahlen soll man damit problemlos behalten können.

Eine Variante dabei ist die Loci-Methode. „Dazu legt man sich im Kopf zunächst eine bekannte Route bereit, zum Beispiel den Weg von der Haustür bis zum Bäcker, oder in einem Zimmer die Reihenfolge der Möbel“, beschreibt Gloschewski den ersten Schritt. Dann lege man auf jedem markanten Routenpunkt in entsprechender Reihenfolge einen Begriff als lebendiges Bild ab. „Stellen Sie sich Ihr Bett vor, dort setzen Sie zum Beispiel ein Huhn rein, das gackert und ein Ei legt, eventuell pickt es auch noch Federn aus Ihrem Kopfkissen.“ Das könne für Eier oder Hühnerfleisch kaufen stehen, ginge es um den nächsten Einkauf. „Will man das Gelernte dann wiedergeben, läuft man einfach im Kopf diese Route ab.“



FÜNF MINUTEN TRAINING PRO TAG

Allerdings: Obwohl diese Assoziationstechnik in den meisten Fällen sehr erfolgreich funktioniert, fällt es gerade Erwachsenen schwer, damit zu arbeiten. „Viele trauen sich nicht, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und hemmen sich dadurch“, so der Gedächtnistrainer. Dabei würden schon fünf Minuten Training pro Tag ausreichen, um sein Erinnerungsvermögen um ein Vielfaches zu verbessern – egal ob bei einem Vier- oder 89-Jährigen.

Um sich mit der Technik vertraut zu machen und ins Gedächtnistraining einzusteigen, gibt es neben Fachliteratur und einer Reihe von Computer-Anwendungen auch die Möglichkeit, einen Kurs zu besuchen. Entsprechende Angebote machen etwa die Volkshochschulen Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf. Zudem bieten mehrere selbstständige Gedächtnistrainer wie Michael Gloschewski Kurse und Seminare für Gruppen an.

„Wenn man in einer Gruppe trainiert, hat das meist einen höheren Effekt und man lernt schneller, als wenn man zuhause alleine mit Büchern oder am PC lernt. Wobei das natürlich auch funktioniert“, sagt Carsten Brandenberg vom BGVT. Grundvoraussetzung für das Training sei, dass es Spaß macht. Entscheide man sich für einen Kurs, sollte dieser auf jeden Fall auf einer wissenschaftlichen Grundlage basieren und der Trainer ein Ausbildungszertifikat vorweisen können.



TÄGLICHES GEHIRNJOGGING

Neben einem gezielten Gedächtnistraining sollte man seine grauen Zellen aber auch regelmäßig in Schwung bringen. Der Gedächtnistrainer Markus Hofmann, auch bekannt aus verschiedenen Fernsehshows, empfiehlt täglich ein paar „Neuronenklimmzüge“. „Der Trick ist, sich selbst aus der Routine heraus zu locken und seinem Gehirn neue Reize zu geben und zu neuen Denkmustern zu führen“, sagt er. Zum Beispiel mit der linken Hand Zähne putzen, ohne Navi in den Urlaub fahren oder die Tageszeitung einmal auf dem Kopf verkehrt herum lesen.

Mit regelmäßigem Gehirnjogging könne man Demenzprozesse im Alter um etliche Jährchen verzögern, so Hofmann. Dabei gelte: Je schwieriger die Aufgaben werden, umso mehr „Gedankenbahnen“ würden produziert. „Und je mehr Gedankenbahnen, desto leichter kann man mit neuen Aufgaben umgehen.“

Lara Sogorski

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