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Wirtschaft: Jeder Meter zählt

Die Lkw-Maut macht Transporte auf der Straße teurer. Die Bahn wird zunächst kaum profitieren – und die höheren Preise zahlt der Verbraucher

AUF DEM WEG ZUR LKW-MAUT – WAS SIE KOSTET, WAS SIE BRINGT

Von Bernd Hops

und Flora Wisdorff

Ausprobieren ist jetzt erlaubt: An diesem Sonntagmorgen um null Uhr hat der Testbetrieb für die Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen begonnen. Allerdings sind noch längst nicht alle Lkws mit einem für die Maut nötigen Bordcomputer ausgestattet, denn die Teilnahme ist freiwillig. Außerdem ist offen, ob die Maut wie geplant ab dem 2. November tatsächlich bezahlt werden muss. Noch immer gibt es technische Probleme. Es ist bloß eins klar, die Maut kommt in den nächsten Monaten und damit höhere Transportpreise.

Ursprünglich sollten die Autobahngebühren für Lkws bereits ab 31. August erhoben werden. Nach wochenlangen Streitereien des Bundesverkehrsministeriums mit der EU-Kommission und mit dem Betreiberkonsortium Toll Collect wurde der Start nun auf November verlegt, weil das Erfassungssystem noch nicht reibungslos funktioniert. Der finanzielle Druck auf Toll Collect, die technischen Probleme schnell zu beheben, ist zudem gering. Denn nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ entgehen dem Bund zwar 160 Millionen Euro pro Monat, bei weiteren Verzögerungen oder Störungen des Systems würden in den ersten drei Monaten aber noch keine Vertragsstrafen fällig.

Kein Spielraum

Auch ohne festen Termin – die Transportunternehmen protestieren gegen die Maut, weil sie nicht wissen, ob sie die versprochenen Ausgleichszahlungen für die Maut bekommen – und kündigen schon einmal Preiserhöhungen an. „Wir werden die Kosten für die Maut eins zu eins weitergeben“, heißt es beim Bundesverband Spedition und Logistik. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) spricht davon. „Die höheren Preise werden gnadenlos in den Regalen landen“, sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt.

Die Post plant bereits im gewerblichen Express- und Paketversand einen Mautzuschlag von acht Cent je Sendung. Das sagte Peter Kruse, Vorstand Express Europa der Deutschen Post, dem Tagesspiegel. Auch Privatkunden werden wohl nicht lange ungeschoren bleiben. „Für unsere Filialkunden wird die Maut im Rahmen der nächsten Preismaßnahme berücksichtigt.“ Wann das passiert, sagte Kruse allerdings nicht. Entwarnung gab er für das Briefporto: „Hier ist zunächst keine Änderung zu erwarten.“

Die großen Handelsketten wollen noch keine konkreten Aussagen machen, wie sich die Maut auf ihre Preise auswirken wird. „Die Transportkosten werden natürlich steigen“, sagte ein Sprecher der Handelsgruppe Metro. Aber ob und wie die Preise für den Verbraucher erhöht würden, das hänge vom Produkt ab. Ähnlich äußert sich auch Karstadt-Quelle.

Das Umweltbundesamt rechnet damit, dass die Verbraucherpreise im Schnitt zwischen 0,1 und einem Prozent klettern. „Die direkten Transportkosten werden mit der Maut um zehn Prozent steigen“, sagt Axel Friedrich, Leiter der Abteilung Verkehr im Umweltbundesamt. Diese direkten Kosten würden jedoch nur zwei Prozent am Gesamtpreis ausmachen. „Bei sehr transportintensiven Gütern wie Getränken kann man aber schon mit einprozentigen Preiserhöhungen rechnen“, sagte Friedrich.

20 Cent mindestens

Umweltpolitiker stört vor allem die Höhe der Maut. „Mit zwölf Cent pro Kilometer wird sich der Lkw-Verkehr auf den deutschen Straßen höchstens um ein Prozent verringern“, sagt Friedrich vom Umweltbundesamt. Das eigentliche Ziel der Maut, mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen und überflüssige Transporte zu reduzieren, werde dadurch kaum erreicht. Zudem werde der Verkehr auf den Bundesstraßen, wo die Maut noch nicht gilt, um 4,5 Prozent zunehmen, sagt Friedrich. Lkws, die nicht ganz so lange Strecken fahren, würden einfach auf die Gratis-Straßen ausweichen.

„Viele Produkte werden nur per Lkw transportiert, weil es so billig ist“, sagt Friedrich. Krabben werden zum Pulen nach Polen gebracht, Milch aus Schleswig-Holstein nach Bayern, Schweinehälften aus Holland nach Italien, um dort zu Parmaschinken verarbeitet zu werden. Um den Verkehr zum Beispiel um drei Prozent zu verringern, sei eine Maut von mindestens 20 Cent nötig, sagt Friedrich. Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin beim Verkehrsclub Deutschland, ist überzeugt, auch dies sei noch zu wenig. „Eine richtige Lenkungswirkung gibt es erst ab 25 Cent“, sagt sie. Und die Verlagerung sei dringend nötig: Schließlich habe sich der Lkw- Bestand in den vergangenen 30 Jahren auf 2,6 Millionen verdreifacht. Bis 2015 werde der Laster-Verkehr durch Deutschland voraussichtlich um 60 Prozent zunehmen, sagt Tischmann.

Mehr Güterzüge im Angebot

Für eine erfolgreiche Verlagerung braucht man auch eine attraktive Alternative für die Transporte. Die Bahn hat sich auf zusätzliche Nachfrage vorbereitet. „Wir haben 30 Prozent Reserven“, sagt Thomas Altmann, Sprecher der Schienengüterverkehrstochter der Bahn Railion. 13 000 Lkws können täglich auf der Schiene in speziellen Zügen transportiert, bei 1000 weiteren Güterzügen können zusätzlich Wagen für Lkws angehängt werden. Und im kommenden Jahr will die Bahn ihr Angebot „deutlich ausweiten“, sagt Altmann. Einige Strecken seien zwar heute schon stark belastet. Aber zum einen arbeite die Bahn daran, Engpässe zu beheben, zum anderen gebe es vor allem auf der Ost- West-Strecke – etwa von Polen und Tschechien – noch „deutlich Luft“. In den vergangenen Monaten habe die Bahn ein stärkeres Interesse am Transport auf der Schiene festgestellt. Doch die Euphorie hält sich in Grenzen. „Der tatsächliche Zuwachs wird sich bei der aktuellen Höhe der Maut im einstelligen Prozentbereich bewegen“, sagt Altmann. Die Stärke der Bahn liege vor allem darin, große Gütervolumen über lange Strecken zu transportieren. Traditionelle Großkunden der Bahn sind daher zum Beispiel die Stahl- oder Automobilkonzerne. Weniger attraktiv ist die Bahn für Kurier- und Expressdienste. Die Flexibilität habe fast nur ein Lkw, gibt Altmann zu.

Immerhin setzt die Post wieder weniger auf den Lkw und mehr auf die Schiene. Schon heute werden Pakete und Päckchen zwischen Süd- und Norddeutschland gebündelt per Zug transportiert, sagt Post-Vorstand Kruse. Im kommenden Jahr werde das auch auf der Ost-West-Schiene eingeführt. Und weitere Strecken seien in der Planung. Eine vollständige Verlagerung des Güterverkehrs sei aber nicht möglich.

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