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Wirtschaft: Jetzt auch die EU im Internet: Beim Sondergipfel wurden lauter richtige Beschlüsse gefasst - unverbindlich (Kommentar)

Zugegeben, der Streit der 14 Regierungschefs mit den Österreichern hat vom Lissaboner EU-Gipfel die besseren Bilder geliefert. Gegen die telegene österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner und die Polit-Satire um das "Familienfoto" der 15, das aus diplomatischen Gründen flugs zum "Gruppenfoto" mutierte, hatte das eigentliche Thema des Sondergipfels in den Telejournalen kaum eine Chance.

Zugegeben, der Streit der 14 Regierungschefs mit den Österreichern hat vom Lissaboner EU-Gipfel die besseren Bilder geliefert. Gegen die telegene österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner und die Polit-Satire um das "Familienfoto" der 15, das aus diplomatischen Gründen flugs zum "Gruppenfoto" mutierte, hatte das eigentliche Thema des Sondergipfels in den Telejournalen kaum eine Chance. Die Beschäftigungspolitik, die Modernisierung der europäischen Wirtschaft, die schöne "Neue Wirtschaft" des Internet sind sperrige Themen. Und doch geht es hier um die Zukunft Europas. Hier wird sich entscheiden, ob sich die europäische Wirtschaft gegenüber ihren Konkurrenten aus den USA behaupten kann.

In den USA ist die elektronische Revolution jedoch radikaler und schneller als in Europa. Chip, Computer und Internet sprechen amerikanisch. Die Dynamik der US-Wirtschaft ist ungebrochen, der US-Dollar steht auf Rekordhöhe. Und während jenseits des Atlantiks praktisch Vollbeschäftigung herrscht, sind in den 15 Ländern der EU fast 15 Millionen Menschen arbeitslos. Europa und der Euro, daran kann kein Zweifel bestehen, hinken hinterher.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben jetzt in der portugiesischen Hauptstadt das Startsignal für eine beispiellose Aufholjagd gegeben. Bis zum Jahr 2010 sollen die Europäer den transatlantischen, verbündeten Konkurrenten überholt haben - ein überaus ehrgeiziges Ziel. Die Orientierung der Europäer am amerikanischen Modell birgt jedoch auch Gefahren in sich. Denn der wilde Neoliberalismus der Amerikaner hat auch Schattenseiten. In Darwins Welt der High-Tech-Unternehmen und der Börsen-Renner machen die Starken, die technisch Intelligenten, die Cleveren zwar rasche Gewinne. Es bleiben aber auch viele Schwache, die sich in der neuen Welt der Computer nicht zurechtfinden, auf der Strecke. Hinter dem schönen Schein der Erfolg-Reichen, der unser Amerika-Bild in rosiges Licht taucht, werden die gnadenlosen Seiten der amerikanischen Gesellschaft allzu oft vergessen.

Die Europäer tun deshalb gut daran, ihren eigenen Weg zu suchen. Bei aller Technik-Euphorie haben die Staats- und Regierungschefs deshalb in Lissabon versucht, die Modernisierung der Wirtschaft mit dem europäischen Sozialmodell in Einklang zu bringen. Die hohe Arbeitslosigkeit in Europa und damit die drohende soziale Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung kann jedoch nur überwunden werden, wenn es den Europäern gelingt, den Übergang zur Neuen Wirtschaft zu beschleunigen und den notwendigen Strukturwandel anzutreiben.

Die Staats- und Regierungschefs sind deshalb mit ihrer Initiative für die wirtschaftliche und soziale Erneuerung Europas auf dem richtigen Weg. Allerdings wäre es eine Illusion zu glauben, die 15 Regierungen könnten Wachstum und Beschäftigung per Gipfelbeschluss erzwingen. Anders als bei der Vorbereitung der Währungsunion, wo sie mit der Knute der verbindlichen Euro-Stabilitätskriterien die Regierungen zur Haushaltsdisziplin gezwungen und die Inflation tatsächlich auf ein Minimum gedrückt hatten, konnten sie in Lissabon nur Ziele setzen, die letztlich wohlfeil und unverbindlich sind.

Der Europäische Rat hat jetzt beim Lissaboner Sondergipfel die Aufmerksamkeit der Politik und der europäischen Öffentlichkeit auf ein Ziel gelenkt, auf den Strukturwandel, auf die "Wissensgesellschaft" und die Bedeutung der Ausbildung. Das ist zweifellos richtig. Zuständig dafür ist jedoch nicht die EU, sondern jeder einzelne Mitgliedsstaat. In Deutschland haben bei der Bildungspolitik vor allem die Bundesländer das Sagen. Der Europäische Rat musste sich so in Lissabon darauf beschränken, die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen zu umschreiben - von den Regeln für den elektronischen Handel über die verbesserte Ausbildung von Computer-Fachleuten bis zur Verbilligung des Internet-Zugangs.

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