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Stille Reserve. Zwei Millionen Frauen könnten wieder zurück in den Arbeitsmarkt – doch oft fehlt das Angebot. Gerade in akademischen Berufen, im Handel und in der Kreativbranche tun sich Arbeitgeber oft schwer mit Modellen für Mütter. Foto: ddp

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Wirtschaft: Jetzt kommt Mutti

Am Ende der Elternzeit stehen viele Fragezeichen. Die Antwort heißt oft: Weiterbildung

Regina Heßler ist stolz und überglücklich: Seit zwei Wochen arbeitet sie in einer Kita in Ludwigsfelde, hatte davor 15 Jahre lang ihre drei Kinder aufgezogen und vergebens versucht, in ihren Beruf zurückzufinden. Vor dem Mutterwerden arbeitete die 49-Jährige als Medizinisch-Technische-Assistentin (MTA), sie ist Diplom-Biologin. Und sie erfüllt all das, was sich Chefs immer wünschen: offen, sympathisch, motiviert und zielstrebig.

Den ersten Versuch startete sie auf einer halben Stelle bei ihrem alten Arbeitgeber, einem Labor. Doch es funktionierte nicht. „Auf der Arbeit versuchte ich, alles zu schaffen und zuhause warteten schon die hungrigen Kinder auf mich.“ Sie erzählt vom Druck, den man sich macht. Vom Tempo, das man nicht mehr gewohnt ist. Vom Zeitmanagement, das ins Schlingern gerät, wenn ein Kind krank wird. Und davon, wie es ist, wenn zuhause alles zusammenbricht. Es folgten ein fast einjähriges Praktikum in der Forschung und unzählige Bewerbungen auf MTA-Jobs. Bis sie sich im Rahmen des Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ in der Zeuthener Akademie für Weiterbildung in Wildau zu einer Wende entschloss, eine Qualifizierung als Erziehungshelferin machte und nun ihre Kita-Stelle hat, bei der sie berufsbegleitend den Erzieher draufsatteln kann.

Von den zurzeit 5,6 Millionen erwerbslosen Frauen in Deutschland könnten zwei Millionen, so eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, nach einer beruflichen Weiterbildung dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen. Auf diese „stille Reserve“ zielt das Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bei dem 30 Millionen Euro in Information, Beratung, Networking und Coaching von wiedereinstiegswilligen Frauen gesteckt werden.

Mehr als 7800 Personen haben sich seit März vergangenen Jahres an zwanzig Modellstandorten beraten lassen, 2800 wurden beim Wiedereinstieg begleitet. Besonders gefragt sind die neuen Medien und Berufe wie Tagesmutter oder Erzieherin, in denen die Mütter automatisch Erfahrung gesammelt haben. „Wenn Unternehmen Fachkräfte suchen“, so Marina Scholz, die Akademieleiterin des ZAK, „dann kommen sie gar nicht mehr daran vorbei, Frauen mit Kindern einzustellen.“ Damit es überhaupt nicht zu der Misere um den Wiedereinstieg kommt, haben sich viele bereits umgestellt. Die Ausstiegszeit hat sich in den letzten Jahren verkürzt, beobachten die Träger des Programms. Frauen wollen heute schnell wieder auf den Arbeitsmarkt, um Nachteile zu vermeiden.

„Es ist ein klarer Bewusstseinswandel und auch eine Veränderung der Rollenbilder zu erkennen“, folgert ein Sprecher des Familienministeriums. Ähnliches berichtet auch Regine Steinhauer, Beraterin bei Kobra (Koordination und Beratung für Frauen und Unternehmen). „Die Elternzeit in Berlin ist immer kurz. Ich hatte bisher keine einzige Frau in der Beratung, die die drei Jahre nimmt.“ Häufig würden Frauen nur noch während des Bezugs von Elterngeld aussteigen – wenn sich Vater und Mutter die Zeit aufteilen, verkürzt sich die Phase sogar noch. Dann entstehe in der Tat noch kein Weiterbildungsbedarf. Es sei denn, man will oder muss sich umorientieren.

Doch auch bei Frauen, die gleich nach einem Kind und einer kurzen Elternzeit wieder in Lohn und Brot stehen wollen, kann sich die Rückkehr schwierig gestalten. Gerade die „Kreativberufe“ verlangen oft ganz selbstverständlich ein Engagement über den Feierabend hinaus. Klassisch familienunfreundlich sind der Handel und Branchen, in denen Schicht gearbeitet wird.

Auch der Wunsch nach einer halben Stelle kann Müttern die Rückkehr in den alten Beruf verbauen. „In vielen akademischen Bereichen ist Teilzeit unüblich, etwa in Naturwissenschaften oder in Betriebswirtschaftslehre, es sei denn man kann seinen Arbeitgeber überzeugen“, so Cornelia Rülke, die Leiterin des LernLadens Am Ostkreuz. Dabei gründet sich ein Weiterbildungswunsch nicht nur auf äußere Zwänge. Die Elternzeit spielt in einer anderen Lebenswelt, die einen zum Nachdenken bringt oder den letzten Schub gibt, wenn einem der Job schon vorher nicht gefallen hat. Wie lässt sich nun eine Weiterbildung finanzieren? Klassisch über den Bildungsgutschein, der von der Agentur für Arbeit ausgegeben wird, und zwar in der Regel an Arbeitslose.

Wer es gar nicht erst so weit kommen lassen will und sich noch innerhalb der Elternzeit qualifizieren möchte, der muss beim Berater gut argumentieren. Etwa damit, dass die Förderung auch demjenigen zusteht, der erst von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Eine Alternative, bei der man allerdings auch nicht kostenfrei wegkommt, ist die Bildungsprämie, die auf Erwerbstätige und damit auch auf Eltern in der Elternzeit zielt. Damit bekommt man 50 Prozent und maximal 500 Euro der Kursgebühren erstattet. „Die Prämiengutscheine sind absolut begehrt“, sagt Mechthild Brockschnieder vom Weiterbildungsanbieter Inpäd in Berlin, und zwar mehrheitlich bei Frauen. Termine bei zuständigen Stellen wie Inpäd oder der Bildungsdatenbank Berlin sind über Wochen ausgebucht. Die Falle: Wer sich schon für einen Kurs angemeldet hat, bevor er den Prämiengutschein in Händen hält, muss ihn voll selbst bezahlen. Zudem gilt eine Einkommensgrenze von 25 600 Euro (51 200 Euro bei gemeinsam Veranlagten). Die Bildungsprämie gibt es bis November diesen Jahres, voraussichtlich auch länger.

Bleibt die Frage, inwieweit sich die Arbeitgeber selbst in der Pflicht fühlen. Generell sind die Chancen in größeren Unternehmen oder sogar im öffentlichen Dienst besser, eine Weiterbildung vom Chef bezahlt zu bekommen. Hier pflegt man bereits häufiger eine familienbewusste Personalpolitik, um Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden, bietet Kontakthalteprogramme und Fortbildungsangebote in der Elternzeit. Da kann manche Mitarbeiterin mittlerer und kleiner Unternehmen nur staunen, die sich sogar eher auf eine potentielle Kündigung denn auf eine Fortbildung einstellen muss. In jedem Fall sollten Weiterbildungsinteressierte das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen, gut vorbereitet versteht sich. Schließlich lassen sich durchaus Vorteile für den Betrieb herausstellen. Mitarbeiter, die sich innerhalb der Elternzeit fit machen wollen, fallen nicht während den Arbeitszeiten aus und die Bildungsprämie reduziert auch für den Betrieb die Kursgebühren um die Hälfte.

 Anja Martin

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