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Jobs for Youth - Arbeit für Junge. Minister aus Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien in Rom trafen sich bei Ministerpräsident Enrico Letta (Mitte), um über Lösungen für das drängende Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu beraten. Mit dabei Fabrizio Saccomanni aus Italien (links) und Wolfgang Schäuble.

© dpa

Jugendarbeitslosigkeit in Europa: Ahnungslos in Berlin

40 Prozent der jungen Italiener sind ohne Job - manche gehen nach Deutschland. In Rom trafen sich Minister aus Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien, um gemeinsam über Lösungen zu beraten. Die deutsche duale Ausbildung gilt als Vorbild.

Chiara und Lucio sind beide Italiener, beide Anfang 30 und beide aus Rom. Chiara hat einen Uniabschluss in Sprachwissenschaften. Lucio ist Fahrradmechaniker. Beide erzählen dieselbe Geschichte: Jahrelang versuchten sie Arbeit zu finden, doch das Beste waren sechsmonatige Anstellungen unter dem Deckmantel der Selbstständigkeit. Sie gehören zur „Verlorenen Generation“, wie sie die italienische Presse nennt.

Insgesamt sechs Millionen junge Menschen finden in Europa keine Arbeit, 41 Prozent der jungen Italiener, 56 der Spanier und sogar 64 der Griechen. Um der „Verlorenen Generation“ Hoffnung zu machen, haben sich Ende vergangener Woche die Arbeits- und Finanzminister Deutschlands, Italiens, Frankreichs und Spaniens in Rom getroffen.

Italien beschließt Infrastrukturprogramm

Italiens Ministerpräsident Enrico Letta begrüßte seine Gäste mit dem Hinweis, dass es keine Zeit mehr gäbe, um zu diskutieren. Schon beim nächsten Treffen des europäischen Rates am 27. Juni sollen Maßnahmen beschlossen werden. Lettas Vorschlag: Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll mithilfe der nationalen Förderbanken ein Hilfsprogramm für mittelständische Unternehmen finanzieren, die junge Arbeitskräfte einstellen.

Parallel dazu hofft Italien immer noch auf eine Lockerung der Haushaltsdisziplin, zumindest im Bezug auf die Notmaßnahmen, die dazu dienen sollen, den Arbeitsmarkt zu beleben. Am Sonnabend verabschiedet das Parlament eine Art Konjunkturprogramm: Mit fünf Milliarden Euro sollen die Firmen unterstützt werden, die ihren Maschinenpark erneuern. Außerdem plant die Regierung ein Infrastrukturprogramm im Volumen von drei Milliarden Euro vor allem im Verkehrsbereich.

Die deutsche Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warb in Rom für Mobilität: „In Deutschland stehen Ausbildungs- und Arbeitsplätze leer, in anderen Staaten suchen Jugendliche dagegen verzweifelt eine Arbeit.“ Deshalb sollten junge, qualifizierte Arbeitskräfte aus Südeuropa nach Deutschland ziehen.

Lucio arbeitet im Callcenter, Chiara als Übersetzerin

So machten es auch Chiara und Lucio. Sie zogen nach Berlin, wo bereits einige Freunde von ihnen leben. Doch der Erfolg blieb bescheiden. Lucio arbeitet in einem Callcenter, und Chiara hat eine befristete Stelle als Übersetzerin bei Sony gefunden. Beide denken darüber nach, wieder wegzuziehen. Die Statistiken der OECD zeigen, wie berichtet, dass zwei Drittel der Griechen und etwa die Hälfte der Italiener und Spanier der Bundesrepublik bald wieder den Rücken kehren.

Als sie nach Deutschland zogen, hatten Chiara und Lucio keine genaue Vorstellung, wo und wie sie nach Arbeit suchen sollten. Sie entschieden sich für Berlin wegen des Charmes der Stadt. „Es überrascht mich sehr, dass so viele junge Italiener nach Berlin ziehen“, sagt der italienische Botschafter in Deutschland, Elio Menzione. Denn in der Hauptstadt sind die Berufschancen geringer als in anderen Bundesländern. „Viele junge Italiener, die nach Berlin kommen“, sagt Menzione, „sind einfach ahnungslos.“

Italien und Deutschland wollen gemeinsam Ausbildungsprogramme entwickeln

Seit einigen Monaten setzen deshalb Italien und Deutschland ein gemeinsames Programm zur Integration junger Einwanderer um. Es soll junge Italiener über die Berufschancen in Deutschland aufklären und gleichzeitig gemeinsame Projekte für die Berufsausbildung entwickeln. Dazu gehört der Versuch, in Italien das duale Ausbildungssystem einzuführen. „Es ist ein grundsätzliches Problem des italienischen Bildungssystem, dass es den jungen Menschen keine Berufserfahrung anbietet“, sagt Floro Ernesto Caroleo, Professor für Arbeitspolitik in Neapel. „Die meisten Italiener machen ihren Schul- oder Studiumabschluss und wissen dann nicht weiter. Denn bis zu dem Zeitpunkt hatten sie keine Erfahrung in der Berufswelt. So verlassen sie sich meistens auf ihre Familie oder auf Bekanntschaften, um eine Arbeitstelle zu finden.“ Die duale Ausbildung dagegen gebe den deutschen Jugendlichen die Möglichkeit, sich früh zu orientieren. „Dadurch würde man die Verschwendung eines enormen Bildungskapitals vermeiden“, glaubt Caroleo.

Dass vor allem junge Menschen von der Krise betroffen sind, erklärt der Arbeitsexperte mit deren prekärer Beschäftigung in befristeten Jobs. Doch die Arbeitslosigkeit habe inzwischen auch die Alten erreicht. „Im Moment gibt es in Italien wegen der Rezession überhaupt keine Arbeitstellen“, sagt Caroleo, „das ist das Hauptproblem.“

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