zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Kabelfirma will Walt Disney schlucken

US-Netzbetreiber Comcast bietet 66 Milliarden Dollar für den angeschlagenen Unterhaltungskonzern

Washington (DeT). Der größte amerikanische Kabelbetreiber Comcast hat am Mittwoch eine feindliche Übernahme des traditionsreichen Medienkonzerns Walt Disney angekündigt. Der Megadeal im Wert von 66 Milliarden Dollar soll über einen Aktientausch finanziert werden und würde für die DisneyAnteilseigner eine Prämie von fünf Milliarden Dollar bedeuten. Der umstrittene Disney-Chef Michael Eisner erklärte, das Übernahmeangebot „mit Sorgfalt“ zu prüfen. Nachdem die Aktie des Konzerns in den ersten Handelsminuten um 15 Prozent stieg, wurde das Papier zeitweise vom Handel ausgesetzt.

Comcasts Vorstandsvorsitzender Brian Roberts sprach von einer „einmaligen Gelegenheit für Aktionäre beider Unternehmen, einen der führenden Konzerne der Unterhaltungsindustrie zu gründen“. Der in Philadelphia ansässige Konzern ist mit 23 Millionen Abonnenten in 35 US-Bundesstaaten das größte Kabelfernsehunternehmen in den USA. Im abgelaufenen Geschäftsjahr fuhr Comcast einen Konzernumsatz von 18,3 Milliarden Dollar ein. Roberts hatte den Übernahmevorschlag Anfang der Woche Disney-Chef Michael Eisner in einer Unterredung unterbreitet. Es sei bedauernswert, dass Eisner nicht darauf eingegangen sei.

Ziel der Übernahme sei es, Disneys breite Palette an Unterhaltungsprodukten in Comcasts weitreichendes Kabelverteilernetz zu integrieren. Disney gehören neben den weltweit bekannten Themenparks mehrere Filmstudios, das größte US-Fernsehnetzwerk ABC Television sowie der populäre Sportsender ESPN und dessen Tochterstationen. Comcast bietet seinen Kunden über den gebührenpflichtigen Service „Video auf Abruf“ aktuelle Kinofilme, Sportereignisse und weitere Videoproduktionen an. Durch die Übernahme von Disney will Comcast die gebührenpflichtigen Angebote massiv erweitern. Die möglichen Einsparungen bezifferte Comcast mit 300 bis 400 Millionen Dollar pro Jahr.

Die geplante Megafusion geht auf den unbändigen Ehrgeiz von Comcast-Chef Brian Roberts zurück. Der 43-Jährige zählt zu den aggressivsten Managern in der amerikanischen Medienindustrie und hat die zunehmend schwache Position des umstrittenen Disney-Vorsitzenden Michael Eisner schonungslos ausgenutzt. Im vergangenen Dezember hatte bereits der frühere Vizedirektor Roy Disney, ein Neffe des legendären Konzerngründers, das Unternehmen verlassen. Er versucht seitdem, durch eine öffentlich geführte Kampagne den Vorstand und insbesondere Eisner zu diskreditieren und zum Rücktritt zu zwingen.

Eisner wird vorgeworfen, den Konzern während der letzten zehn Jahre schlecht geführt zu haben. In jüngster Zeit wird er für die Aufkündigung der lukrativen Partnerschaft mit dem Trickfilmstudio Pixar verantwortlich gemacht, das weltweite Kassenschlager wie „Toy Story“ und „Findet Nemo“ produzierte. Der von Disney in Eigenregie erstellte Trickfilm „Der Schatzplanet“ floppte indes. Disney reagierte auf die drohende Übernahme am Mittwoch mit der vorgezogenen Veröffentlichung der Quartalszahlen. Im vierten Quartal 2003 stieg der Umsatz um 19 Prozent auf 8,5 Milliarden Dollar im Vergleich zum Vorjahresquartal. Der Gewinn legte von 36 Millionen auf 688 Millionen Dollar zu.

Analysten sehen die Megafusion skeptisch. „Die Prämie von fünf Milliarden Dollar, das sind neun Prozent, reicht nicht aus“, sagte George Smith vom Wertpapierhaus Davenport and Co. „Der Zuschlag sollte mindestens dreißig Prozent betragen.“ Ansonsten könnte es zu einer brutal geführten Übernahmeschlacht kommen, in die auch Branchengiganten wie General Electric einsteigen, dem unter anderem der einflussreiche Fernsehsender NBC gehört. Auch weisen Beobachter auf die Gefahr eines ähnlichen Desasters wie bei der Fusion von AOL und Time Warner hin. Vor vier Jahren wurde die Elefantenhochzeit als Medienfusion des Jahrhunderts gefeiert, hat sich aber wegen überzogener Erwartungen und der unterschiedlichen Führungsstile als kompletter Flop erwiesen.

-

Zur Startseite