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Wirtschaft: Kabeljau von der Ranch

Eine Aufzuchtstation in Rostock versucht das Aussterben des Fisches in der Ostsee zu verhindern

Rostock - 40 bis 60 Zentimeter kann er groß werden. Ein richtiger Prachtkerl schafft sogar 1,20 Meter. Doch die Tiere, die im Netz des Fischers zappeln, sind oft nur 30 Zentimeter lang. Sie haben noch nicht mal ein laichfähiges Alter erreicht. Die Dorsche werden zu früh gefangen. Der Bestand sinkt seit Jahren.

Und die Lage könnte sich weiter zuspitzen. Eine „Katastrophe“ nennt die Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) die jüngsten Beschlüsse der EU-Fischereiminister. Sie legten am frühen Donnerstagmorgen die Fangquoten für 2006 fest. Die Ressortchefs reduzierten zwar die Quote für den gefährdeten Kabeljau, wie der Dorsch auch genannt wird, um 15 Prozent, die Anzahl der Tage, an denen der Dorsch gefangen werden darf, jedoch nur um fünf Prozent. Für die östliche Ostsee wurde die Quote sogar geringfügig angehoben. Der WWF fürchtet, ebenso wie die schwedische Landwirtschaftsministerin, das Aus für den Dorsch. Den Ostseefischern droht die Grundlage ihrer Arbeit abhanden zu kommen.

In Rostock arbeiten Wissenschaftler seit Jahren an Konzepten, um der Entwicklung Einhalt zu gebieten. Nun ist ein Ansatz gefunden, der den Bestand erhalten und die Fischerei sichern kann. Außerdem hat er das Zeug, zum Exportschlager zu werden.

„Wir nehmen 400 Weibchen und 200 Männchen aus dem Bestand“, sagt Norbert Schulz, Manager des Projekts Fisch und Umwelt in Rostock. „Die laichen dann in der Aufzuchtanlage in Rostock ab.“ Die Brut wird in der Anlage großgezogen und nach rund drei Monaten mit einer Größe von fünf bis zehn Zentimetern ins Meer entlassen. „Sea-Ranching“ nennen das die Experten. „Die hier aufgezogenen Fische sind viel widerstandsfähiger. 50 Prozent überleben. Kommen sie im Meer zur Welt, ist es nur ein Prozent“, sagt Schulz. 20 Millionen Dorsche sollen so jedes Jahr in die Ostsee kommen. „Damit können wir den Bestand erhöhen und eine stabilere Entwicklung bei den Nachwuchsjahrgängen erreichen“, erklärt Cornelius Hammer, Leiter des Instituts für Ostseefischerei.

16 440 Tonnen laichfähiger Dorsch schwimmen derzeit in der westlichen Ostsee. 1997 waren es noch 37 472 Tonnen und im Jahr 1980 gar 57 101 Tonnen. Mit dem Bestand sanken auch die Fangquoten für die Fischer. „Der Dorsch ist der Brotfisch für die Ostseefischer“, sagt Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischereiverbandes. „Drei Viertel der Umsätze erzielen die Fischer mit dem Dorsch. Alleine in der Fischerei hängen da 2000 Arbeitsplätze dran.“

Cornelius Hammer wird mit seinem Institut für Ostseefischerei die ins Meer entlassenen Fische beobachten. Sie alle bekommen eine Markierung, anhand der später festgestellt werden kann, wohin die Dorsche geschwommen sind, ob sie tatsächlich überlebensfähig waren und wie viele in welchem Alter wo gefischt wurden. „Wir können den Erfolg für Fischerei und Meeressystem nicht versprechen, aber in unseren Modellen sieht alles danach aus“, sagt Hammer.

Viele andere Meere auf der Welt haben ähnliche Probleme wie die Ostsee. Da ist das Interesse an erfolgversprechenden Projekten groß. „Wir haben die Chance, uns mit diesem Projekt international an die Spitze zu setzen“, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. „Wir können damit die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Branche sichern.“ Das Ministerium hat die Forschung in diesem Bereich unterstützt.

Die Zuversicht der Wissenschaftler beruht auch auf sehr positiven Erfahrungen beim Schnäpel. Beim Schnäpel ist es mit Sea-Ranching gelungen, den Bestand wieder so zu erhöhen, dass die jährlichen Fänge von 2,5 Tonnen auf 50 Tonnen gesteigert werden konnten.

Geht alles glatt, kann die Anlage in Rostock im Jahr 2007 in Betrieb genommen werden. Fünf Millionen Euro soll ihr Bau kosten, zu einem Viertel von Bund und Land finanziert, zu drei Vierteln von der EU. Bis 2015 ist das Projekt zunächst befristet. Danach soll die Umstellung auf den privaten Betrieb erfolgen. „Die Fischwirtschaft ist ein strategischer Schwerpunkt der Wirtschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Till Backhaus, Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern. „Mit dem Sea-Ranching-Projekt in Rostock können wir der Fischerei eine Perspektive für Jahrzehnte erarbeiten.“ Hat das Projekt Erfolg, werde es Vorbildcharakter für die Fischwirtschaft weltweit haben.

Daniel Mohr

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