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Wirtschaft: Kampf gegen die Schattenwirtschaft: Der alte Wettlauf zwischen Hase und Igel

An dieser Baustelle stimmt etwas nicht. Sie wirkt menschenleer.

An dieser Baustelle stimmt etwas nicht. Sie wirkt menschenleer. Vom Gerüst vor dem Altbau dudelt laute Popmusik aus einem Radio, Arbeiter sind nicht zu sehen. Der Mörtel aber ist noch frisch, das sieht der Einsatzleiter sofort. Aus vier Kleinbussen springen die 21 Schwarzarbeitsermittler des Arbeitsamtes. Schon bei der vorangegangenen Dienstbesprechung hat Einsatzleiter P. die Devise ausgegeben: "Die schnellsten Leute gleich nach oben." P., seit acht Jahren im Außendienst, kennt diese Art Baustelle - eine Altbau-Sanierung. Da arbeiten oft Leute am Dach, die schnell verschwinden möchten.

Nur wenige Sekunden dauert es, dann sind alle Einsatzkräfte richtig in und vor dem Haus postiert, die schnellsten Mitarbeiter sind - wie besprochen - die Treppen hoch geeilt. Ohne persönliche Kontrolle darf nun niemand mehr die Baustelle verlassen. Wer überprüft worden ist, erhält ein blaues Plastikband um den Arm. Viele Arbeiter befinden sich nicht im Gebäude. In einem Raum des Hinterhauses sitzen einige von ihnen beim Frühstück, essen Brote, spielen Skat. Die Ermittler fragen nach Personalpapieren und dem Sozialversicherungsausweis. Auf einem Fragebogen halten sie persönliche und berufliche Daten fest sowie Angaben über das Einkommen. "1700 Mark netto", sagt ein junger Hilfsarbeiter auf die Frage nach seinem Lohn. Dies ist wichtig, denn auf Berliner Baustellen gilt ein Mindestlohn von 18,87 Mark für das Bauhaupt- und von 16,90 Mark für das Nebengewerbe.

Ein kleines, verkramtes Büro befindet sich nebenan. Ein junger Mann gibt sich als Chef der Arbeiter zu erkennen; über eine Visitenkarte seines Unternehmens verfügt er nicht. Seine Firma wird überprüft, denn Stuck- und Rigipsarbeiten, die seine Leute als Tätigkeitsfeld angegeben haben, gehören nicht zu seinem Gewerbe. Die Arbeitsamtsleute müssen die Hilfe der Kriminalpolizei anfordern: Ein türkischer Arbeiter hat lediglich seinen Sozialversicherungsausweis, aber keine weiteren Papiere dabei. Die Beamten überprüfen die Angaben zum Wohnsitz in Berlin; den ausländerrechtlichen Status des Mannes können sie nicht direkt klären. Sie fahren mit dem Mann zu seiner Mutter, dort soll der Pass liegen.

Die 21 Schwarzarbeitsermittler gehören zu der zentralen Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung für Berlin, die seit Oktober 2000 beim Arbeitsamt Berlin-Südwest angesiedelt ist. 195 Mitarbeiter zählt die Abteilung, die sich um alle Bereiche illegaler Beschäftigung - nicht nur auf dem Bau - kümmert. Im ersten Halbjahr 1999 haben sie bei rund 1500 Einsätzen 6,34 Millionen Mark an Bußgeldern verhängt. Die meisten richteten sich gegen Arbeitgeber, etwa weil die weniger als den Mindestlohn zahlten, illegal Ausländer beschäftigten oder illegal Arbeitnehmer überließen. "Die Bußgelder gegen die Arbeitgeber kriegen wir aber nur schwer rein", sagt Klaus Pohl vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg. Sie werden oft gegen ausländische Subunternehmen verhängt und können außerhalb Deutschlands nicht vollstreckt werden. Ein Rechtshilfeabkommen existiert nur mit Österreich.

Aber auch gegen Arbeitnehmer, die schwarz gearbeitet haben und nebenher Leistungen vom Arbeitsamt beziehen, werden Bußgelder verhängt. 1,25 Millionen Mark waren es in Berlin in den ersten sechs Monaten des Jahres 2000. Der Verdacht auf Leistungsmissbrauch liegt bei dieser Baustelle in drei Fällen vor. In sieben Fällen wird wegen eventueller Unterschreitung des Mindestlohns ermittelt werden, in zwei Fällen wegen Verstößen gegen die Gewerbeordnung. Insgesamt vier Einsätze haben die Ermittler an diesem Tag. Anschließend wartet auf sie eine Menge Papierarbeit.

Einsatzleiter P. glaubt nicht, dass an diesem Tag alle an der Sanierung des Altbaus arbeitenden Männer erfasst werden konnten. Denn als die Busse vom Arbeitsamt anrückten, fuhren schnell fünf Männer in einem Auto mit polnischem Kennzeichen davon. Während der Kontrolle haben die Fahnder den Eindruck, dass das Vorgehen in dem Haus von der Straße aus genau beobachtet wird. Unternehmen können sie da nichts. "Wir können nur was machen, wenn wir die Leute auf der Baustelle in Arbeitszeug antreffen", sagt P.. Auch dann ist es schwer nachzuweisen, dass mancher vielleicht schon Wochen dort schwarz gearbeitet hat. P. kennt die Ausreden: "Ich hab gerade eben hier angefangen." Oder: "Ich habe nur meinem Bruder das Frühstück gebracht."

Undichte Stellen bei den Ermittlern darf es nicht geben. Deswegen wird der Personenkreis klein gehalten, der Ort und Zeitpunkt der Überprüfung kennt. Die Baustellen werden oft nach anonymen Hinweisen und eigener Observation ausgewählt. Erst am Treffpunkt nahe dem Einsatzort erfahren alle Mitarbeiter, welches Objekt geprüft wird. Nach einer Dienstbesprechung und einer Einweisung in die räumlichen Gegebenheiten geht es zügig in den Dienstbussen zur Baustelle. Aber manchmal eben nicht unauffällig genug, als dass nicht noch schnell ein Auto voller Arbeiter verschwinden könnte.

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