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Wirtschaft: Kampf gegen Wucherzinsen: Schwere Zeiten für Italiens Geldverleiher

Geht es nach der Associazione banche italiane (ABI), so steht Italines Geldverleihersystem unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Über 50 Milliarden Mark sollen die Kredit- und Hypothekengeber ihren Kunden zurückerstatten.

Geht es nach der Associazione banche italiane (ABI), so steht Italines Geldverleihersystem unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Über 50 Milliarden Mark sollen die Kredit- und Hypothekengeber ihren Kunden zurückerstatten. Es kann aber auch das Doppelte oder das Dreifache sein - und dann geht es "ans Eingemachte". Schuld am "Katzenjammer des Jahrhunderts" ("la Repubblica") sind Urteile, in denen der oberste italienische Gerichtshof, die Kassation, so massiv in die bisherige Beziehung Bank-Kunde eingegriffen hat wie keine andere staatliche Institution in Europa.

Begonnen hatte die Malaise vor zwei Monaten, als das Gericht den Banken "ungleiches Verhalten bei Soll- und Habenzinsen" vorwarf: Es gehe nicht an, dass die Banken zwar Überziehungszinsen sofort und Kreditzinsen monatlich oder vierteljährlich berechnen, die Habenzinsen auf die offenen Konten allenfalls jährlich oder halbjährlich zahlen. Eine Flut von Zinsrückforderungen hatte dieses Urteil zur Folge - mehr als umgerechnet zwei Milliarden Mark mussten die Institute berappen.

Das jedoch war, obwohl auch damals beim ABI schon großer Verdruss herrschte, eher ein Klacks. Nun hat die Kassation erneut zugeschlagen und bestimmt, dass ein 1996 erlassenes Gesetz zum Kampf gegen Wucherzinsen auch rückwirkende Geltung hat. Das Gesetz hatte festgelegt, dass Wucher dann vorliegt, wenn die Zinsen mehr als 20 Prozent über dem europäischen Mittelwert liegen. Der hält sich seither ungefähr bei 9,5 Prozent, und die Banken haben dies bei Neuabschlüssen in der Regel auch eingehalten. Doch nun werden durch die Rechtssprechung Millionen von Hypothekenverträgen von vor 1996 gesetzwidrig - teilweise noch aus den achtziger Jahren. Und schon in den wenigen Tagen seit Urteilsverkündung sind an die hunderttausend Zinsrückforderungen von Hypotheken- oder Kreditnehmern bei den Banken eingegangen. Die Banken verlangen nun eine Gesetzesnovelle.

Zur Verteidigung der bis Mitte der 90er Jahre nicht selten auf 25 bis 30 Prozent festgelegten Hypothekenzinsen bringen die Banken vor, dass seinerzeit die Inflationsrate zeitweise noch über zehn Prozent gelegen habe und die Zinsen in ganz Europa weitaus höher waren als bei Verabschiedung des Gesetzes 1996. Doch die Kassation hat dies beachtet und sieht für die Zeit vor 1996 ebenfalls nur das als Wucher an, was mehr als ein Fünftel den jeweils aktuellen europäischen Durchschnittswert übersteigt. Das aber trifft in der übergroßen Mehrzahl der Fälle zu.

Nun hofft die Kreditwirtschaft, dass sie sich auf das Argument "Rechtsstaatswidrigkeit der rückwirkenden Geltung" zurückziehen kann. Doch dieser Einwand hilft den Geldverleihern auch nicht viel: Dann nämlich, hat die Verbaucherschutzorganisation Codacons bereits verlauten lassen, werden die Kunden die Hypotheken- und Kreditzinsen nicht mehr einfach als gesetzeswidrig hoch anfechten, sondern die Banker selbst strafrechtlich wegen Wuchers belangen - landen die Prozesse letztinstanzlich aber wieder bei der Kassation, wird diese wohl bei der Feststellung, ob da halsabschneiderische Zinsen verlangt wurden, genau jene Kriterien anwenden, die sie nun bei ihrem Urteil benutzt hat.

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