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Wirtschaft: Kampf um die Betriebsrente

Arbeitgeber, Gewerkschafter und Politiker wollen das deutsche System gegen Reformpläne aus Brüssel verteidigen.

Berlin - Selten waren sich alle so einig. Gewerkschaften, Arbeitgeber, Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und selbst die sonst so zerstrittenen schwarz-gelben Koalitionsfraktionen machen gemeinsam Front gegen Europa. Sie alle wollen die deutschen Betriebsrenten gegen vermeintliche Angriffe aus Brüssel verteidigen.

Die Deutschen befürchten, dass die EU-Kommission im Zuge strengerer Haftungsregeln für die Versicherungsunternehmen („Solvabilität II“) auch den Pensionskassen vorschreiben will, ihre Geldreserven deutlich zu erhöhen. Von derzeit rund vier Prozent soll das nötige Eigenkapital auf 30 bis 40 Prozent erhöht werden. Das Bundesarbeitsministerium sieht für die Pensionskassen einen Mehrbedarf von 30 bis 40 Milliarden Euro. „Die Betriebsrenten würden damit stark an Attraktivität verlieren“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. „Das Ergebnis wäre nicht der allseits angestrebte weitere Auf- und Ausbau, sondern vermutlich ein erheblicher Abbau der betrieblichen Altersversorgung.“

Die Fraktionen von Union und FDP forderten daher am Donnerstag im Bundestag die Regierung auf, eine Schwächung der betrieblichen Altersversorgung durch die EU zu verhindern. Bei von der Leyen (CDU) rennen sie damit offene Türen ein. Die Ministerin hat nämlich bereits öffentlich erklärt, sie wolle verhindern, dass die Brüsseler Pläne den Arbeitgebern Milliardenkosten aufbürden.

Die Wirtschaft droht damit, bei den Betriebsrentnern zu sparen. Wenn die EU-Kommission zusätzliches Eigenkapital vorschreibe, wären viele Unternehmen gezwungen, künftig geringere Betriebsrenten zuzusagen oder sogar ihre Versorgungswerke zu schließen, warnt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.

Für acht Millionen Versicherte würde die betriebliche Altersvorsorge dann weniger attraktiv, fürchtet man beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die geplante Neuregelung könne die Pensionskassen überfordern und die „ausgesprochen gut funktionierende betriebliche Altersvorsorge kaputt machen“, mahnt Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Dabei ist eine zusätzliche Absicherung nach Meinung des DGB gar nicht nötig, weil in Deutschland die Unternehmen für die versprochenen Renten haften und im Fall einer Firmeninsolvenz der Pensionssicherungsverein einspringe.

In Brüssel hält man die Aufregung für übertrieben. „Ich warne davor, voreilig irgendwelche Zahlen in den Raum zu stellen“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier dem Tagesspiegel. „Wir haben ja noch gar keinen Vorschlag vorgelegt.“ Tatsächlich dürfte sich das noch bis Ende des Jahres hinziehen. Er habe niemals gesagt, dass für Pensionsfonds genau dieselben Vorschriften gelten könnten oder sollten wie bei Solvabilität II, kontert Barnier und verspricht: „Es kann in keinem Fall darum gehen, Systeme infrage zu stellen, die gut funktionieren.“ An europäischen Regeln will die EU-Kommission aber trotz der Kritik aus Deutschland festhalten. „Ein echter europäischer Binnenmarkt für die betriebliche Altersversorgung führt zu Kostensenkungen für die Arbeitgeber und schafft mehr Wahlmöglichkeiten und eine bessere Absicherung für die Arbeitnehmer“, meint Barnier. Heike Jahberg

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