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Wirtschaft: Kampf um Kopf und Herz der Telekom-Kunden

Ron Sommer will noch vor der Marktöffnung das Image-Problem der Deutschen Telekom vom Tisch habenVON MATT MARSHALLSchlechte Presse und rebellische Kunden: Die Deutsche Telekom leidet unter einem Image-Problem, das einfach nicht verschwinden will.Dazu kommt, daß dem Telefongiganten nicht mehr viel Zeit bleibt, um für die Sünden der Vergangenheit Abbitte zu leisten.

Ron Sommer will noch vor der Marktöffnung das Image-Problem der Deutschen Telekom vom Tisch habenVON MATT MARSHALL

Schlechte Presse und rebellische Kunden: Die Deutsche Telekom leidet unter einem Image-Problem, das einfach nicht verschwinden will.Dazu kommt, daß dem Telefongiganten nicht mehr viel Zeit bleibt, um für die Sünden der Vergangenheit Abbitte zu leisten.Aggressive Konkurrenten stehen bereits Schlange, um der Telekom nach der Marktliberalisierung am 1.Januar einen guten Teil ihres 25-Milliarden-Monopols wegzuschnappen. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yankee Group Europe glauben nur 15 Prozent der Deutschen, daß die Telekom die Loyalität der Kunden verdient.Zum Vergleich: 58 Prozent der Franzosen und 40 Prozent der Briten erklärten, sie hielten jeweils France- oder British Telecom die Stange.Telekom-Chef Ron Sommer und seine Vorstände schalten in ihrer Charme-Offensive einen Gang höher, um aus den Negativ-Schlagzeilen zu kommen.Ihr Versuch, die Herzen und Köpfe der Telefon-Kundschaft wiederzugewinnen, erschöpft sich allerdings oft in gespielter Empörung und Oberlehrerhaftigkeit in Wirtschaftsfragen. "Ich weiß überhaupt nicht, welchen Sinn die ganze Einprügelei auf die Telekom haben soll, sagte Sommer kürzlich vor Journalisten, die bei einem Mittagessen zu einer etwas positiveren Berichterstattung ermutigt werden sollten."Wenn die Telekom leidet, wird sofort wieder Angst vor Stellenabbau hochkommen.Die Medien ignorieren immer leicht die langfristigen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft." Ein Gutteil des negativen Image stammt aus der 50jährigen Monopol-Zeit, in der die Deutsche Telekom in ihren zahlreichen bürokratischen Auswüchsen nicht gerade ein Vorbild in Sachen Kundenorientierung und technischer Innovation war.Zu Beginn letzten Jahres, mitten in einer Modernisierungskampagne anläßlich der ersten Teilprivatisierung, mußte die Telekom zugeben, daß sie aus Versehen drei Millionen Kunden zu hohe Telefongebühren berechnet hatte.Die Panne passierte genau zu der Zeit, als das Unternehmen den umstrittenen Schritt unternahm, Ferngespräche billiger und Ortsgespräche teurer zu machen. Die deutschen Medien explodierten: "Hass-Wort der Woche: Telekom", schrieb die Süddeutsche Zeitung.Telefon-Häuschen wurden in Brand gesteckt oder zerstört, die Fensterscheiben von Telekom-Filialen eingeschlagen, Ron Sommer und andere Mitarbeiter erhielten Bombendrohungen.Ein Telekom-Mitarbeiter wachte eines Morgens auf und sah, daß sein Gartenhaus lichterloh in Flammen stand. "Es war eine nationale Hysterie", sagt Jürgen Kindervater, Kommunikationsdirektor der Telekom und Organisator von Ron Sommers Medien-Offensive.Seiner Ansicht nach sollten die Medien den Konzern als größten lokalen Anbieter im bevorstehenden Wettbewerbs mehr unterstützen. Kindervater nutzt in seiner Kampagne zunehmend den Hinweis auf nationale Interessen. Vor allem, nachdem im September der Regulierungsrat festgelegt hatte, daß die Telekom von ihren Konkurrenten sehr viel geringere Durchleitungsgebühren verlangen darf, als sie selbst für angemessen gehalten hatte.Die Bötsch-Entscheidung wurde von den Konkurrenten weithin begrüßt.Analysten gingen jedoch davon aus, daß die Deutsche Telekom unter dem Wettbewerb leiden wird: Der Aktienkurs sackte zwischenzeitlich deutlich von seinem ursprünglichen Ausgabepreis von 33,20 DM unter 30 DM, bevor erst kürzlich wieder eine Kurserholung einsetzte. Seitdem beklagen Sommer und Kindervater lauthals unfaires Verhalten gegenüber der Telekom: "Wenn ein Regulierer sagt, daß er gegen die Deutsche Telekom kämpft, dann bekämpft er Deutschlands Zukunft", sagte Sommer kürzlich in einem Interview mit der "Welt".Oder umgekehrt: Was gut ist für die Telekom, ist auch gut für Deutschland. Starke Konkurrenz schickt sich allerdings an, das Gegenteil zu beweisen.Die meisten Herausforderer im Kampf um den größten europäischen Telefonmarkt haben bereits eine tragfähige Infrastruktur geschaffen.Die US-Konzerne AT & T und Airtouch Communications haben zusammen mit der Mannesmann AG ein Konsortium gebildet, in dem auch Unisourc Mitglied ist: Ein Zusammenschluß von niederländischen, schweizerischen und schwedischen Telekom-Anbietern.Ebenfalls dürften British Telecom und der norwegische Partner Telenor eine Gefahr darstellen, die zusammen mit dem süddeutschen Viag-Konzern die Telekom herausfordern wollen. Das Schwenken der nationalen Flagge durch die Telekom wird von Analysten kritisch gesehen: Umso mehr, als daß sich ausländische Anbieter als genauso innovativ erwiesen haben, wie deutsche Firmen - und darüberhinaus sogar mehr Arbeitsplätze als diese geschaffen haben.Deutsche Telekom hat schneller Stellen abgebaut als jedes andere deutsche Unternehmen und hat erklärt, daß in den nächsten Jahren im Saldo keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.Wie die Telekom im Juni mitteilte, stehen im Vergleich zu 1994 rund 34 000 Mitarbeiter weniger auf den Gehaltslisten.Geplant ist der weitere Abbau von 23 000 Stellen bis zum Jahr 2000. "Sommer versucht mit einer Logik zu argumentieren, die einfach nicht existiert", sagt Klaus Repges von der Trinkaus Capital Management in Düsseldorf.Tatsächlich, so der Sprecher von AT &T Deutschland, Lutz Leinert, ist das Gegenteil des Telekom-Argumentes wahr: "Was gut ist für den Wettbewerb, ist gut für Deutschland." Nur Wettbewerb werde zu niedrigeren Preisen führen, die Nachfrage nach besserem und ausgefeilteren Service erhöhen und damit neue Arbeitsplätze schaffen. Die Image-Offensive der Deutschen Telekom - die eine massive Anzeigenkampagne beinhaltet - nimmt andere Formen an und Kindervater kann größere Erfolge verbuchen.So etwa die Entscheidung, Deutschlands Rennrad-Elite mit rund zehn Mill.DM zu unterstützen.Welches große Los Kindervater damit gezogen hatte, zeigte sich, als Jan Ullrich als erster Deutscher die prestigeträchtige Tour de France gewann. Doch jenseits des Gefechtslärms an der Marketingfront gibt es Hinweise darauf, daß die Deutschen immer noch darauf warten, überzeugt zu werden: "Klar, die Telekom wurde privatisiert, aber das hat nicht viel geändert", sagt Boris Zlender, 38, ein Teppich-Händler aus Düsseldorf."Man wird nur dann sehen, wer besser ist, wenn die anderern Anbieter da sind." Keith Mallinson von der Yankee Group, demselben Marktforschungsunternehmen, dessen Erkenntnisse Kindervater so alarmiert hatten, gibt zu, daß die Telekom-Kampagne positive Auswirkungen auf das öffentliche Erscheinungsbild der Firma hatte.Es sei eine einigermaßen mutige Taktik, an den Patriotismus zu appellieren: "Dieselbe Art von Patriotismus würden sie in England nicht finden."Übersetzungen von Joachim Hofer und Daniel Wetzel.

MATT MARSHALL

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