zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Karl-Heinz Riggers im Gespräch: "Ostdeutschland muss sich besser vermarkten"

Karl-Heinz Riggers (43) ist Vorstandsvorsitzender der Biotechnologie-Firma Plasma-Select. Der gelernte Kaufmann führte 17 Jahre lang einen eigenen Betrieb für medizintechnische Produkte, bevor er 1998 zusammen mit seinem Bruder Plasma-Select gründete.

Karl-Heinz Riggers (43) ist Vorstandsvorsitzender der Biotechnologie-Firma Plasma-Select. Der gelernte Kaufmann führte 17 Jahre lang einen eigenen Betrieb für medizintechnische Produkte, bevor er 1998 zusammen mit seinem Bruder Plasma-Select gründete., einen Spezialisten für Blutreinigung. Im Herbst 1999 zog das Unternehmen von seinem Gründungssitz München nach in die 11 000-Einwohner-Stadt Teterow in Mecklenburg-Vorpommern. Familie Riggers ist mit 50,1 Prozent Mehrheitseigner der Plasma-Select AG, die am Neuen Markt notiert ist. Die Analysten wunderten sich, die Bewohner Teterows waren hocherfreut, denn die Ansiedlung brachte rund 130 neue Arbeitsplätze. Seit einem halben Jahr ist Plasma Select am Neuen Markt notiert.

Herr Riggers, gerade hat Sie der Bundeskanzler als Vorzeigeinvestor in Teterow gelobt. Warum haben Sie ihm verschwiegen, dass Sie zum Jahresende nach Hamburg flüchten?

Es stimmt überhaupt nicht, dass wir aus Mecklenburg-Vorpommern wegziehen.

Sie wollen ein Büro in Hamburg eröffnen, um das Unternehmen von dort aus zu managen.

Auch das stimmt so nicht. Alles, was wir gesagt haben, ist, dass wir darüber nachdenken, in Hamburg ein Büro anzumieten, um vielleicht das Business Development oder die Rechtsabteilung in Hamburg anzusiedeln. Alles andere ist ein Missverständnis.

Wie haben Ihre Mitarbeiter auf diese Nachricht reagiert?

Mit völligem Unverständnis, Unruhe. Und dem Gefühl, vom Management allein gelassen zu werden. Eine verständliche Reaktion.

Und was ist richtig?

Natürlich bleiben wir hier. Ein Vorstandsmitglied hat sich ein Haus in Rostock gebaut, ein anderer sich gerade in Teterow niedergelassen. Es gibt keinen von uns, der darüber nachdenkt, den Standort zu verlassen.

Was hat Sie überhaupt von München in die Provinz verschlagen?

Vor drei Jahren mussten wir raus aus unseren angemieteten Räumen in München. Wir hatten bereits ein marktreifes Produkt und haben uns überlegt, wo wir das am besten produzieren können.

Und da ist Ihnen natürlich gleich Teterow eingefallen.

Zuerst haben wir uns in München umgesehen. Dort war man sehr entgegenkommend und hat uns ein Grundstück zum Vorzugspreis von zehn Millionen Mark angeboten. In Teterow haben wir das Baugrundstück quasi umsonst bekommen, und auch die Baukosten waren erheblich niedriger. Zusammen mit der Investitionsförderung haben wir unter dem Strich rund 50 Millionen Mark gespart. In München hätten wir das Projekt, das uns 70 Millionen Mark gekostet hat, vermutlich nicht realisieren können, zumindest nicht in dieser Größe.

Wie sind Sie ausgerechnet auf diese beschauliche Kleinstadt gekommen?

Wir hatten Kontakte zu einem renommierten Forscher, Horst Klinkmann, der uns hier die Türen geöffnet hat. Bei den Politikern ist der Funke schnell übergesprungen.

Jetzt sitzen Sie hier im Grünen, ein gutes Stück von der Autobahn entfernt. Ist die fehlende Infrastruktur nicht ein Nachteil?

Die Subventionen, die wir bekommen haben, sollen dieses Nicht-Vorhandensein der Infrastruktur ausgleichen. Wenn wir diese Fördermittel nehmen, um unsere Projekte zu realisieren, können wir nicht auf der anderen Seite darüber lamentieren, dass es hier keine Infrastruktur gibt.

Wie lange werden Sie noch auf attraktivere Infrastruktur-Bedingungen warten müssen?

Das sind langfristige Planungen. Der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern hat sich in diesem Monat zwar deutlich für den Ausbau des Flughafens in Rostock-Laage ausgesprochen, aber die Erwartung, in einem halben Jahr eine Fluglinie zu haben, wäre sicher falsch. Andererseits: Wenn BMW darüber entscheidet, ob es den neuen Produktionsstandort in Mecklenburg-Vorpommern bauen soll, dann werden solche Dinge eine große Rolle spielen.

Was haben denn Ihre finanzierenden Banken, Wettbewerber und Geschäftsfreunde über Ihren Umzug in die Provinz gesagt?

Wir haben uns natürlich viele Negativ-Reaktionen anhören müssen. Andererseits gibt es eine ganze Reihe von Pluspunkten. Dazu zählt auch die große Auswahl an hochmotivierten Mitarbeitern. Auf jede wissenschaftliche Stelle, die wir ausschreiben, erhalten wir 50 bis 60 Bewerbungen. In München ist das umgekehrt, da können die Bewerber zwischen den Unternehmen auswählen.

Gilt das auch für Führungskräfte?

Leider nicht. Einen erfahrenen Mitarbeiter für Investor Relations haben wir hier nicht gefunden. Und einen Kandidaten zu motivieren, aus Hamburg oder München nach Teterow zu kommen, ist fast unmöglich.

Wie schaffen Sie es trotzdem?

Das funktioniert zum Teil im Pendelverkehr. Wir finanzieren in den ersten Wochen die Kosten. Außerdem bilden wir selbst aus, was natürlich zu einer Zeitverzögerung führt.

Das alles zeigt, dass es auch zehn Jahre nach dem Mauerfall noch nicht selbstverständlich ist, in Ostdeutschland zu investieren.

Das stimmt. Und wenn man es doch macht, können viele das nur sehr schwer nachvollziehen. Und dann kommen noch Zeitungen, die schreiben, die Firma hat ihre Fördermittel eingestrichen und jetzt flüchtet das Management, weil Hamburg viel schöner ist. Natürlich ist Hamburg schöner. Auf der anderen Seite: Wir haben eine Story, und an dieser Story halten wir fest.

In Hamburg oder München hätten Sie es einfacher gehabt.

Stimmt, aber niemand hätte über Plasma-Select berichtet. Dort wären wir irgendein Unternehmen gewesen. Hier sind wir etwas Besonderes.

Lohnt es, nach Ostdeutschland zu gehen, weil die Löhne hier niedriger sind?

Völlig falsch. Als die Entscheidung gefallen war, nach Teterow zu gehen, haben wir Mitarbeiter nur noch in Mecklenburg-Vorpommern gesucht, sie nach München geholt und dort ausgebildet. Sie bekommen genauso viel Lohn wie ihre Kollegen in München.

Warum haben Sie den Standortvorteil nicht genutzt?

Wenn Ost-Mitarbeiter weniger Lohn bekommen als West-Kollegen, haben sie das Gefühl, zweitklassig zu sein. Das wirkt sich negativ auf die Motivation aus.

Es sind viele Fördergelder in die neuen Länder gepumpt worden, der große Durchbruch lässt auf sich warten. Was läuft falsch?

Subventionen sind immer ein schwieriges Thema. Erst recht, wenn man versucht, damit ein operatives Geschäft zu fördern. Nehmen Sie die Werftindustrie, die angeblich mit einer Million Mark pro Arbeitspatz gefördert wird. Das ist sicher der falsche Weg. Man muss in Zukunftstechnologien investieren und jungen Unternehmern die Möglichkeit geben, ihre Ideen zu realisieren. Plasma-Select beschäftigt hier zurzeit 150 Leute, in zwei Jahren werden es voraussichtlich 300 sein. Jede Stelle ist mit 100 000 Mark subventioniert. Wenn wir davon ausgehen, dass 60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter Akademiker sind, die zwei bis drei Leute im Umfeld des Unternehmens beschäftigen, dann ist das ein kleiner Betrag.

Den Aufschwung Ost haben zehn Jahre nach der Wiedervereinigung viele schon abgehakt. Ist das ein Trugschluss?

Ich glaube, ja. Nehmen Sie die Biotechnologie. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es heute knapp 70 Biotech-Unternehmen, die 700 Wissenschaftler beschäftigen. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl sind das mehr als in Bayern. Man muss diesem Land nur die Chance und die Zeit geben, es zu entwickeln. Der Osten ist eine Story. Wenn es gelingt, diese Story am Leben zu erhalten, dann wird es auch Nachahmer geben.

Warum ist die Entwicklung im Osten hinter den Erwartungen zurückgeblieben?

Man muss Erfolgsstorys kommunizieren. Und dadurch ein Bewusstsein für die Möglichkeiten schaffen, die Unternehmer hier haben. Und das war in den letzten Jahren bestimmt nicht der Fall. Der Osten muss lernen, sich besser zu vermarkten.

Wenn Sie heute noch einmal entscheiden müssten: Würden Sie wieder herkommen?

Für uns war das der richtige Schritt. Wenn man die Forschungsphase hinter sich hat und anfängt, zu produzieren, gibt es keinen besseren Standort. Die Politik unterstützt uns, so gut sie kann. Die Mitarbeiter sind ganz anderes motiviert als in München. Natürlich ist es nicht optimal, dass wir hier keinen richtigen Flughafen haben, und nicht alles ist so, wie wir es gerne hätten. Aber wir sind zuversichtlich, dass sich das ändert.

Herr Riggers[gerade hat Sie der B], eskanzler als

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false