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© EPA

Karlheinz Schreiber: Der Strippenzieher

Nach jahrelangem Kampf wurde Karlheinz Schreiber im Sommer ausgeliefert. Mit dem Waffenlobbyisten steht ab Januar auch eine politische Ära vor Gericht

An einem heißen Augusttag vor gut zehn Jahren klicken die Handschellen zum ersten Mal. Kanadische Polizeibeamte haben Karlheinz Schreiber im Restaurant eines Hotels in Toronto ausfindig gemacht. „Sie sind aufgrund eines deutschen Haftbefehls festgenommen“, sagt einer der Polizisten. „Das kann ich nicht glauben“, entgegnet der Rüstungslobbyist, der seit 1997 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gesucht wird und sich nach Kanada abgesetzt hat. „Sie verhaften mich für die Deutschen?“

Es ist der Auftakt einer deutsch-kanadischen Affäre, die in den Folgejahren Politiker und Öffentlichkeit beider Länder erschüttern wird, auch wenn das an jenem Augusttag 1999 noch nicht abzusehen ist. Als die kanadische Polizei Schreiber verhaftet, geht es vor allem um Steuerhinterziehung in den 80er Jahren, aber auch um die Bestechung des ehemaligen Rüstungsstaatssekretärs Holger Pfahls, Beihilfe zu Untreuehandlungen von zwei ehemaligen Managern des Thyssen-Konzerns sowie Betrug zum Nachteil des Staates Saudi-Arabien. Von einer CDU-Spendenaffäre ist da noch nicht die Rede.

Die bricht drei Monate später aus. Am 3. November 1999 erwirkt der Staatsanwalt einen Haftbefehl gegen den Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, weil dieser von Schreiber eine Million Mark als Spende angenommen und nicht ordnungsgemäß versteuert hatte. Kiep kommt später frei und muss eine Geldstrafe von 45 000 DM zahlen, doch von nun an gewinnt eine der größten politischen Affären der bundesdeutschen Geschichte dramatisch an Fahrt.

Durch das Verfahren gegen Kiep kommt ein System von schwarzen Kassen und Auslandskonten ans Licht. In den folgenden Wochen übernimmt der gut ein Jahr zuvor abgewählte Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl die politische Verantwortung für die verdeckten Parteikonten, der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss ein und Kohl erklärt, von 1993 bis 1998 rund zwei Millionen Mark Spenden erhalten zu haben, ohne sie in die Spendenliste der CDU aufnehmen zu lassen. Kohl nennt die Namen der Spender bis heute nicht.

Vor fast genau zehn Jahren, im Januar 2000, räumt Parteichef Wolfgang Schäuble dann ein, 1994 von Schreiber eine Barspende von 100 000 Mark entgegengenommen zu haben. Die Schatzmeisterei habe den Betrag als „sonstige Einnahme“ verbucht. Helmut Kohl legt den CDU-Ehrenvorsitz nieder. Im Februar erklärt Schäuble, nicht wieder als Partei- und Fraktionschef zu kandidieren. Der Grund: Widersprüche zwischen seiner Aussage und der von Ex-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister über den Erhalt der Schreiber-Spende. Schreiber selbst, der als Lobbyist für Flugzeug- und Panzerverkäufe in den Jahren 1988 bis 1993 umgerechnet rund elf Millionen Euro Steuern hinterzogen haben soll, verfolgt die Geschichte staunend aus der Ferne. Als er im August 2009 aus Kanada ausgewiesen wird, beteuert er seine Unschuld. Seine Ausweisung sei politisch motiviert, an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft nichts dran.

Das hat er in den vergangenen zehn Jahren immer wieder gesagt. Parallel dazu hat Schreiber in seiner zweiten Heimat – er hat neben der deutschen auch die kanadische Staatsbürgerschaft – ebenfalls eine politische Affäre von enormen Ausmaßen angezettelt. Dabei ging es um mehrere Barzahlungen Schreibers an den früheren Premierminister Brian Mulroney in sechsstelliger Höhe. Angesichts seiner drohenden Ausweisung hatte Schreiber den Eindruck erweckt, Mulroney für seine Rüstungsgeschäfte gewonnen zu haben. Der wies das immer als Lüge zurück, verschaffte Schreiber aber eine Galgenfrist, weil er einer Untersuchungskommission als Kronzeuge diente – und nicht ausgeliefert werden konnte.

Wenn dem bald 76-Jährigen ab dem 18. Januar vor dem Landgericht Augsburg der Prozess gemacht wird, steht damit zumindest mittelbar auch die nie vollständig aufgeklärte CDU-Spendenaffäre vor Gericht. Der Prozess ist der letzte Akt in der juristischen Aufarbeitung dieser Vorgänge. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind Kiep, zwei Thyssen-Manager und der jahrelang untergetauchte frühere Rüstungsstaatssekretär Pfahls wegen Bestechlichkeit verurteilt worden. Jetzt geht es dem eigentlichen Strippenzieher der Affäre an den Kragen.

Auch wenn sich die CDU seitdem redlich bemüht hat, Schreiber und die Affäre abzuschütteln – so ganz wird die Partei den ihr einst so nützlichen Unterstützer nicht los. Das zeigte sich, als die Kanzlerin im Oktober den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorstellte. Da wurde sie von einem niederländischen Korrespondenten gefragt, wie sie die Finanzen eines Landes mit 82 Millionen Bürgern einem Mann anvertrauen könne, der sich nicht einmal an die Details einer persönlich überreichten 100 000-Euro-Zahlung durch den Rüstungslobbyisten zu erinnern vermag. Merkel war erst sprachlos, sagte dann, dass sie Wolfgang Schäuble volles Vertrauen entgegenbringe und quittierte wiederholte Nachfragen mit Schweigen.

Ob und in welchem Verhältnis Schreibers Zahlungen zu politischen Handlungen der Empfänger standen, wird sich wohl nie ganz klären lassen. In Augsburg wird es darum auch höchstens am Rande gehen. Schreiber wird in erster Linie wegen Steuerhinterziehung der Prozess gemacht, den Bestechungsvorwurf in der Causa Pfahls werden die Richter voraussichtlich wegen Verjährung fallen lassen. Auch die nicht korrekt verbuchte Spende an Schäuble dürfte im Gerichtssaal kaum Erwähnung finden.

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