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KARRIERE Frage: an Dietmar Müller-Boruttau Fachanwalt für Arbeitsrecht

Jobgespräch trotz Krankschreibung?

Ich bin aktuell krankgeschrieben, mir wurde aber keine strikte Bettruhe verordnet. Schon vor meiner Erkrankung hatte ich mich bei einem anderen Unternehmen beworben und war nun trotz Krankschreibung bei einem Vorstellungsgespräch. Davon hat mein Chef erfahren und mit einer Kündigung reagiert. Er meint, wenn ich zu so einem Gespräch gehen könne, sei ich auch nicht wirklich krank, und da ich ohnehin weg wolle, könnten wir das auch gleich abkürzen. Ist das zulässig?

Ein Arbeitgeber kann nicht ohne Weiteres mit einer Kündigung reagieren, wenn er erfährt, dass sich ein Mitarbeiter anderweitig beworben oder an einem Vorstellungsgespräch teilgenommen hat. Der Arbeitnehmer macht insoweit nur von seinem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl Gebrauch. Nur wenn noch weitere Umstände hinzukommen – beispielsweise Vorbereitung von Wettbewerbsverstößen, Geheimnisverrat oder unter Umständen dringender Bedarf einer Stellenneubesetzung – kann im Zusammenhang mit einer Wechselabsicht ein Kündigungsgrund gegeben sein. Wichtig ist bei der Vorbereitung eines Wechsels daher, dass man weiterhin seine arbeitsvertraglichen Pflichten beachtet und insbesondere nicht gegen Loyalitätspflichten verstößt.

Fallen eine Krankschreibung – deren Ursache der Arbeitgeber ja nicht ohne Weiteres kennt – und ein Vorstellungsgespräch zusammen, so kann auf Seiten des Arbeitgebers der Verdacht entstehen, dass der Arbeitnehmer die Krankheit nur vortäuscht, um am Gespräch teilzunehmen. Dann läge eine erhebliche Vertragspflichtverletzung vor, die sogar zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen kann. Der Arbeitgeber kann dieses Fehlverhalten aber nicht einfach unterstellen. Sondern er muss dem Anfangsverdacht nachgehen und aufklären, ob er zu Recht annimmt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen wurde. Er müsste daher den Beweiswert einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Liegt tatsächlich eine Erkrankung vor, so kann es sich um „genesungswidriges Verhalten“ handeln, wenn man dennoch das Haus verlässt und riskiert, die Arbeitsunfähigkeit zu verlängern. Es kommt aber immer auf den Einzelfall an. Arbeitet man etwa vorrangig manuell und muss beidhändig heben und tragen, genügt ein gebrochener Finger, um arbeitsunfähig zu sein. Ein Gesprächstermin oder der tägliche Einkauf kann damit aber dennoch ausgeführt werden, nicht hingegen Nachbarschaftshilfe am Rohbau eines guten Freundes oder Gartenarbeit. Im Zweifel ist es ratsam, sich bereits vorher vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, dass insoweit keine gesundheitlichen Bedenken bestehen. Foto: promo

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an Dietmar Müller-Boruttau

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