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Schanghai. In Chinas Millionenmetropolen bieten sich auch Deutschen Chancen. 64 Prozent der deutschen Entscheider unterhalten intensive Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land. Foto: AFP

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Wirtschaft: Karriere in Fernost

Der asiatische Arbeitsmarkt ist attraktiv. Junge Deutsche machen sich fit für den Einsatz in China.

Das Handy als Armbanduhr, kombiniert mit einem Headset im Ohrring plus Kontaktlinsen mit integriertem Bildschirm - fertig ist das Smartphone der Zukunft. Als die deutschen Studenten mit einem chinesischen Ingenieur im Huawei-Entwicklungslabor in Shenzhen nach vier intensiven China-Wochen über neue Kommunikationsgeräte nachdachten, sprühte asiatische Experimentierfreude aus ihren Ideen. „Chinesen probieren viel mehr aus. Das steckt an. In Deutschland ist man viel skeptischer. Dort kommt ein Produkt erst auf den Markt, wenn es perfekt ist“, sagt Claudia Hecht. Die 24-jährige Elektrotechnikstudentin der RWTH Aachen ist eine von 14 Studenten, die am ersten „China Insights“-Programm des chinesischen Telekommunikationsausstatters Huawei teilgenommen haben. Das chinesische Unternehmen lädt den deutschen Ingenieurnachwuchs in die Volksrepublik ein, um ihm fernöstliche Kultur nahezubringen und frühzeitig für sich zu gewinnen.

Deutschland ist in der EU Chinas wichtigster Handelspartner, und der deutsch-chinesische Arbeitsmarkt bietet interessante Chancen: Deutsche Unternehmen im fernen Osten und viele der rund 800 chinesischen Unternehmen in Deutschland wie Huawei, ZTE, Haier und Lenovo suchen Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, sogar Architekten. Immer mehr Deutsche arbeiten mit Chinesen zusammen oder ziehen wegen eines Jobs in die Volksrepublik – schon 64 Prozent der deutschen Entscheider unterhalten intensive Wirtschaftsbeziehungen zu China, ergab eine TNS Infratest-Studie. Darüber hinaus „studieren immer mehr Deutsche in China“, sagt Susanne Otte. Sie ist Programmleiterin beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Knapp 6300 sind es derzeit.

Mit den enger werdenden Wirtschaftsbeziehungen nimmt die Zahl derjenigen Angebote zu, die junge Deutsche auf ihre Zusammenarbeit mit Chinesen vorbereiten, Kenntnisse über die Eigenheiten von Land und Leuten vermitteln und für die fernöstliche Kultur sensibilisieren sollen, in der Ausländer allzu leicht ihr Gesicht verlieren. Noch sind die Missverständnisse zwischen den Kulturen groß: Hühnchen Kung-Pao kennt der Durchschnittsdeutsche; über die Regeln für Beziehungsgeflechte etwa, ohne die im chinesischen Geschäftsalltag nichts geht, wissen nur die wenigsten Bescheid.

So arbeitet der Telekommunikationsausstatter Huawei – nicht ganz unumstritten wegen seiner vermeintlichen Nähe zum chinesischen Militär – daran, mit Studien, Schulungen und Diskussionsrunden hierzulande das China-Bild zu verändern. „Als größtes chinesisches Unternehmen in Deutschland will Huawei in einen interkulturellen Dialog treten“, sagt Olaf Reus von der Geschäftsleitung in Düsseldorf. Teilnehmer an Austauschprogrammen wie Claudia Hecht sollen zu Hause zu Multiplikatoren werden und für den chinesischen Arbeitgeber an deutschen Unis werben.

In diesem Jahr lud das Unternehmen erstmals deutsche Studierende einen Monat lang zum Schnuppern inklusive Sprachkurs in die Hauptstadt Peking, auf den Huawei-Campus bei Shenzhen und ins Rechenzentrum nach Hongkong ein. Dort dinierte Claudia Hecht mit dem Huawei-Vizepräsidenten beim deutschen Botschafter, verbrachte mit chinesischen Studenten Abende in der Karaoke-Bar oder diskutierte mit ihnen über Politik. „Chinesische Jugendliche sind erstaunlich offen und prangern auch ihre Regierung an. Das hat mich überrascht“, sagt die 24-Jährige.

Der Elektrotechnik-Studentin ist klar, dass sie Chinesisch nicht neben Studium oder Arbeit lernen kann und daher nur in einer internationalen Stadt wie Peking, Schanghai oder Hongkong arbeiten könnte. „Auf dem Huawei-Campus mit 40 000 Mitarbeitern bin ich mit Englisch gut durchgekommen, in Shenzhen dagegen bringt einen Englisch überhaupt nicht weiter“, hat sie erlebt. „Für junge Deutsche gibt es in China gute Arbeitsmöglichkeiten. Man bleibt allerdings immer in einer internationalen Blase.“

Viel tiefer in die chinesische Gesellschaft ist dagegen Lech Alexander Murawski eingetaucht. Der inzwischen 29-jährige Mechatronik-Spezialist, der in Dresden studiert hat, kam Ende 2011 mit einem Heinz-Nixdorf-Stipendium nach China und hat sich dort inzwischen als Unternehmer niedergelassen.

Nach fünf Wochen Intensivsprachkurs in Deutschland und zwei Monaten Sprachtraining in der Sechsmillionenstadt Jinan, von der Murawski zuvor noch nie gehört hatte, begann er sein Praktikum im südlichen Shenzhen beim chinesischen Unternehmen Seeed Studio. Den Job hatte der junge Berufstätige durch eine Initiativbewerbung gefunden: Nachdem ihm ein Produkt des Unternehmens in einer Fachzeitschrift aufgefallen war, schrieb er eine Mail an den Mittelständler in Shenzhen – und wurde prompt genommen. „70 Chinesen und ich. Das war ein Sprung ins kalte Wasser“", erinnert Murawski sich.

Shenzhen, die erste Sonderwirtschaftszone Chinas, war vor 30 Jahren noch ein Fischerdorf. Inzwischen hat die Zwölf-Millionen-Einwohner-Stadt den Nachbarn Hongkong mit seinen acht Millionen Bürgern überholt, ist zum Zentrum der chinesischen Elektronik- und Telekommunikationsindustrie aufgestiegen. Die Stadtplaner an einer schönen, sauberen Stadt – für den Deutschen eine „lebenswerte“ Metropole.

Murawskis rasante Karriere in Shenzhen passt zur Dynamik dieses Orts, an dem Hochhäuser scheinbar über Nacht hochgezogen werden und in dem sich Gründer in einem „Maker Space“ treffen. Zentren, in denen Bastler und Erfinder ihre Ideen mit geliehenen Werkzeugen günstig verwirklichen können und potenzielle Geschäftspartner treffen.

Nach Abschluss des Praktikums im Juli 2012 verschob Murawski seinen Heimflug und gründete ein Unternehmen: Noa Labs – allein und ohne Investoren. Ausländischen Kunden bietet er Ingenieurdienstleistungen an. „Für das Geld, für das in Deutschland ein einziger Ingenieur arbeitet, kann ich mir hier fünf gute Leute leisten“, sagt er.

Inzwischen hat der 29-Jährige zwölf Mitarbeiter. „Ich bin erst 14 Monate in Shenzhen. Gefühlt sind es aber drei Jahre“, sagt der Deutsche. Denn „Chinesen sind dynamisch und unkompliziert. Sie krempeln die Ärmel hoch und sammeln Erfahrungen, während man in Deutschland noch überlegt, ob man überhaupt anfangen soll.“ Was bei unkomplizierten Produkten gut sei, bei komplexeren Themen aber auf Kosten der Qualität gehe. „Der ideale Weg liegt zwischen der chinesischen Unkompliziertheit und der deutschen Gründlichkeit.“ (HB)

Astrid Oldekopp

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