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Wirtschaft: Karriere in Sicht

Mittelständler sind oft unbekannt. Wie man sie trotzdem entdeckt – und auf sich aufmerksam macht

Rankings der beliebtesten Arbeitgeber lesen sich meist wie das Who is Who deutscher Dax-Unternehmen. Ob Lufthansa, BMW, Siemens oder SAP, Studenten und Absolventen entscheiden sich immer wieder für dieselben namhaften deutschen Großkonzerne. Vergessen werden dabei die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Doch auch die „ KMUs“ haben als Arbeitgeber Einiges zu bieten. Nur sind sie weniger bekannt – und deshalb auch oft weniger leicht zu finden.

Dabei sind sie es, die die meisten Arbeitsplätze in Deutschland bereitstellen. Laut Institut für Mittelstandsforschung Bonn machen sie insgesamt 99,7 Prozent aller deutschen Unternehmen aus. Gemeinsam beschäftigen sie rund zwei Drittel (65,8 Prozent) aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Ein Zahl, die auch der Berliner Beschäftigungsstruktur entspricht, wo insgesamt 675 000 Menschen (61 Prozent) in kleineren Unternehmen mit unter 250 Angestellten arbeiten.

KLEIN UND ATTRAKTIV

Ein Argument, das für eine kleine oder mittelständische Firma als Arbeitgeber spricht, ist der persönliche Kontakt. Kleine Firmen sind oft überschaubar. In einem Betrieb mit weniger als 100 Mitarbeitern kennt man sich – und das kann den Arbeitsalltag erheblich erleichtern. „Das persönliche Betriebsklima ist der Hauptgrund, warum ich zu einer kleinen Firma gegangen bin“, sagt etwa Philipp Binder. Er ist Masterstudent an der Beuth Hochschule für Technik und arbeitet als Werkstudent bei der Block Materialprüfungsgesellschaft, einem Dienstleistungen im Bereich Werkstofftechnik. Die Firma hat 70 Mitarbeiter.

Die Kommunikationswege sind kurz und unbürokratisch, sagt Binder. Jederzeit hat er die Möglichkeit, eigene Wünsche und Vorschläge zu äußern. Sei es innerhalb seiner Abteilung oder beim gemeinsamen Mittagessen mit dem Chef.

Befördert wird dieser direkte Austausch durch die flachen Hierarchien, die bei den kleineren Unternehmen gegeben sind. Als neuer Mitarbeiter hat man in vielen Fällen lediglich noch einen Abteilungsleiter und den Geschäftsführer als Vorgesetzten und die legen meist weniger Wert auf Titel und Posten als auf ein kollegiales Arbeitsklima.

Allerdings sollten Bewerber sich klar sein, dass flache Hierarchien auch geringe Aufstiegschancen mit sich bringen. Während man bei großen Unternehmen oft einen vorgezeichneten Karrierepfad einschlagen kann, hat man bei den kleinen oft schon bei der Einstellung das Ende der Karriereleiter erreicht.

Dennoch können kleine Firmen gerade für Studenten und Absolventen attraktiv sein. Bettina Satory vom Career Service der Technischen Universität (TU) Berlin betont: „Bei KMUs ist das Spektrum an Aufgaben, Themen und Positionen für junge Mitarbeiter sehr viel breiter.“

Das kann die angehende Wirtschaftsingenieurin Antonia Büttner bestätigen. Als Werkstudentin bei der Schaeffer AG, die 45 Mitarbeiter beschäftigt und Frontplatten und Gehäuse für elektronische Geräte herstellt, erhielt sie Einblick in die verschiedenen Abteilungen. Für sie steht danach fest: „In kleinen Firma lassen sich Zusammenhänge viel schneller begreifen und man erhält einen Blick für das Ganze.“

Sebastian Mansow-Model kennt beide Seiten. Der IT-Spezialist war früher bei einem der führenden deutschen Unternehmen für Kommunikationstechnologien tätig. Jetzt ist er bei der Charlottenburger Sieben-Mitarbeiter-Firma Mediber verantwortlich für die Entwicklung von Software zur medizinischen Dokumentation. Was andere als Karriererückschritt betrachten würden, ist für ihn die beste Entscheidung seines Lebens. „Bei Großunternehmen ist man oft nur ein kleines Rädchen im Getriebe.“ Bei seinem jetzigen Arbeitgeber hingegen habe er einen viel größeren Gestaltungsspielraum und könne sein Projekt von Beginn an wachsen sehen. Und das motiviere.

WIE MAN FIRMEN FINDET

Doch wie findet man interessante Unternehmen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind, die keine teuren Stellenanzeigen schalten und selten an Messen oder Recruitingveranstaltungen teilnehmen? Hochschulabsolventen sollten sich die Aushänge an den Karrierecentern ansehen und die Online-Stellenbörsen der Hochschulen. Dort stoßen sie auch auf kleinere Unternehmen. Zudem hat man als Werkstudent gute Chancen, Kontakte zu kleineren Firmen zu knüpfen – und dann nach dem Studium übernommen zu werden, sagt Karriereexpertin Satory.

Ganz gleich ob man als Kreativer, als Ingenieur oder Informatiker nach einer Stelle sucht: Der erste Schritt sei, mit möglichst genauen Suchwörtern im Internet kleine Firmen zu recherchieren, erklärt der Sprecher der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, Erik Benkendorf, etwa indem man „kleine Firmen“ und die Branche in das Suchfeld eingebe, in der man arbeiten wolle. So lassen sich auch Netzwerke und Verbände finden, in denen kleinere Firmen oft organisiert sind, so Benkendorf. Dort kann man dann auch telefonisch nachfragen. Auch die Arbeitsagentur selbst hilft weiter. „Jeder Arbeitsuchende kann einen kostenlose Beratung in Anspruch nehmen.“

Das A und O bei der Recherche sei aber das Netzwerken. Berufseinsteigern wie auch Berufserfahrenen empfiehlt er, in der jeweiligen Branche Gesicht zu zeigen, Fachvorträge zu besuchen, an Veranstaltungen und Vorträgen teilzunehmen. So ist man nicht nur auf dem aktuellen Stand, was die Situation in der eigenen Branche betrifft, sondern knüpft auch wichtige Kontakte.

DIE BEWERBUNG

Hat man eine Firma gefunden, die in Frage kommt, kann man ruhig eine Initiativbewerbung schicken, rät Thomas Rübel vom Büro für Berufsstrategie. Darin sollte man allerdings weniger durch Expertenwissen glänzen wollen als durch die große Bandbreite seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, so Rübel.

Der Bewerbungsprozess laufe in der Regel schnell und unbürokratisch ab. Bei kleinen Unternehmen müssen nicht zahlreiche interne Stellen dem ausgewählten Kandidaten zustimmen. Häufig entscheidet sich der Chef oder der Abteilungsleiter binnen weniger Tage – oder sogar Stunden.

Florian Kuhlmey

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